IG Farben revisited

erstellt von Initiative Studierender im IG Farben Gebäude — zuletzt geändert 2007-10-07T04:19:39+02:00
Zwangsarbeit und Vergangenheitspolitik Veranstaltungen zu IG Farben am 23. April, 7. und 8. Mai 2002
Seit einem Jahr ist residieren die Geisteswissenschaften der Goethe Uni Frankfurt im IG Farben Gebäude, dem ehemaligen Hauptsitz des gleichnamigen deutschen Chemie-Trusts, später Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Europa.

Gab es im Vorfeld des Umzugs noch Debatten darüber, wie mit diesem Kapitel der Geschichte umzugehen sei, wurde im Oktober mit der offiziellen Eröffnung des neuen Uni-Gebäudes die Debatte für beendet und die Vergangenheit für bewältigt erklärt: Eine Dauerausstellung ist installiert und eine Tafel zum Gedenken an die Ermordeten des KZ Buna-Monowitz, einem Zwangsarbeiter-Lager bei Auschwitz, ist eingelassen. Beides wurde nach langen Auseinandersetzungen von studentischer Seite aus gegen den Willen der Uni-Leitung durchgesetzt. Bei der Eröffnung erhielt kein Überlebender von Buna-Monowitz die Möglichkeit zu sprechen. Schon damals protestierte die Initiative Studierender im IG Farben Gebäude gegen dieses offizielle deutsche Erinnern. So versuchen wir, wie auch andere meist studentische Gruppen, im IG Farben Gebäude immer wieder die Geschichte des Gebäudes zu einem Teil des Studienalltags zu machen (z.B. die Filmreihe "Reeducate!" durch Studierende der Filmwissenschaft oder die Ausstellung "Partigiani - Widerstand in Italien" des Studienkreis deutscher Widerstand und der Fachschaft Romanistik).

Auch weiterhin werden Projekte zur Vergangenheit der IG Farben stattfinden. In diesem Zusammenhang unterstützen wir nachdrücklich die Forderung nach einem erneuten Treffen der Überlebenden von Buna-Monowitz im IG Farben Gebäude, ähnlich dem 1998 durch das Fritz-Bauer-Institut organisierten.

Dienstag, 23.04.2002, 20.00 Uhr, Casino Uni Frankfurt/IG Farben Gebäude (R. 1.8xx)

Standort Auschwitz - Zur Kooperation von IG Farbenindustrie und SS beim Bau des Chemiewerks Auschwitz-Monowitz und des Konzentrationslagers Auschwitz
mit Florian Schmaltz (Historiker, Berlin)

Obwohl 1947/48 im Nürnberger Nachfolgeprozess gegen die leitenden Manager der I.G. Farbenindustrie die Verantwortung der Konzernspitze für die Ausbeutung von hunderttausenden Zwangs- und Sklavenarbeitern bekannt wurde, blieb die Beteiligung der deutschen Wirtschaftseliten an der Vernichtungspolitik des NS-Regimes vergangenheitspolitisch jahrzehntelang tabuisiert. Erst in den letzten Jahren hat die historische Forschung damit begonnen, die Geschichte des Werkbaus der IG Farbenindustrie in Auschwitz genauer zu untersuchen. Die Frage der Standortentscheidung und der Verantwortung des Konzerns für den Häftlingseinsatz wurde dabei kontrovers diskutiert.

Florian Schmaltz wird in seinem Vortrag auf die Frage eingehen, welche Faktoren bei der Entscheidung der Konzernspitze der IG Farbenindustrie eine Rolle spielten, ab Frühjahr 1941 in Auschwitz das größte und technologisch modernste Chemiewerk Europas zu errichten. In welcher Beziehung stand die Standortentscheidung zu dem möglichen Häftlingseinsatz und wie wirkte sich der Werksbau auf die volkstumspolitische Germanisierungsstrategie der Planungsstäbe Himmlers im okkupierten Oberschlesien aus? Umgekehrt soll danach gefragt werden, welche Relevanz der Werksbau seinerseits für die Entwicklungsdynamik des Konzentrationslagers Auschwitz zum größten Vernichtungslager hatte. Der Vortrag thematisiert die Schritte der zunehmend enger werdenden Kooperation zwischen der SS und der Konzernleitung der IG Farbenindustrie. Eine Kooperation, die im Sommer 1941 erstmals zum massenhaften Einsatz von KZ-Häftlingen durch die private Großindustrie in einem Außenkommando und schließlich zur Einrichtung des ersten großen firmeneigenen Konzentrationslagers im Oktober 1942 führte.

Dienstag, 07.05.2002, 19.00 Uhr,Hörsaal 36 der TU Darmstadt

IG Farben, Entschädigung, Vergangenheitspolitik
Mit Rudy Kennedy (Überlebender des KZ Buna-Monowitz, London), Rudy Kennedy (Regisseur, London) und Sarah Dellmann (Initiative Studierender im IG Farben Gebäude, Frankfurt)

Diese Veranstaltung thematisiert zwei Strategien der deutschen Vergangenheitspolitik: Zum einen werden Rudy Kennedy und Luke Holland aus unterschiedlichen Perspektiven Hintergründe zur Entschädigungsdebatte geben. Zum anderen wird Sarah Dellmann anhand des Umzuges einiger Fachbereiche ins IG Farben Gebäude und der damit verbundenen Diskussionen exemplarisch zeigen, wie Verdrängungspolitik "im kleinen" funktioniert. Gemeinsam werden verschiedene Ansätze gegen Geschichtsunbewusstsein vorgestellt und diskutiert. Besonderes Augenmerk soll dabei auf den Kämpfen der Überlebenden um Entschädigung liegen.

Rudy Kennedy ist ehemaliger NS-Zwangsarbeiter der IG Farben. Als einer von wenigen überlebte er das KZ Buna-Monowitz bei Auschwitz. Heute arbeitet Rudy Kennedy in der internationalen Kampagne für Entschädigung mit, in der zu einer der Schlüsselfiguren wurde.

Über seine Arbeit sagt er:"In unserem Kampf ging es nie nur um Geld - es war vor allem ein Kampf für die Erinnerung. Unser Ziel war es, die Wahrheit aufzudecken und zu verbreiten. Die Nazis waren nicht nur diejenigen, die die schwarzen Uniformen der Gestapo trugen, sondern auch die Männer in grauen Anzügen der deutschen Aufsichtsräte. Deutsche Firmen, darunter solche, ohne welche die heutige deutsche Wirtschaft undenkbar wäre, waren Teil der mörderischen Nazimaschinerie."

Die sogenannte ´Einigung` der Entschädigungsverhandlungen war nie eine würdige Regelung. Während deutsche Firmen durchgehend jedwede Verantwortung für ihre Verbrechen im Dritten Reich verleugnen, hat ihr Insistieren auf "Rechtssicherheit" die Zahlungen viel zu lange verzögert. Die Forderung nach individuellen Entschuldigungen ist noch immer nicht erfüllt worden.

Rudy Kennedy lebt in London und ist Mitglied im Überlebendenrat des Fritz-Bauer-Instituts.

Mittwoch, 08.05.2002 19.00 Uhr, Casino Uni Frankfurt/IG Farben-Gebäude (R. 1.8xx)

"I was a Slave Labourer" - "Ich war ein Sklavenarbeiter" mit Rudy Kennedy (Überlebender, London) und Luke Holland (Regisseur, London)

Über vier Jahre arbeitete Luke Holland an dem Film. Wenige Wochen vor der Verlautbarung Gerhardt Schröders, 10 Milliarden DM zur Entschädigung ehemaliger NS-ZwangsarbeiterInnen bereitzustellen, wurde der Film in Großbritannien, Frankreich und Deutschland ausgestrahlt. "I was a Slave Labourer" erzählt die Geschichte der internationalen Kampagne für Entschädigung, in der Rudy Kennedy maßgeblich mitarbeitet. Der Film entstand teilweise auf dem Treffen der Überlebenden von Buna-Monowitz, welches das Fritz-Bauer Institut im Herbst 1998 organisierte. Im Anschluss an die Filmvorführung besteht die Möglichkeit, mit Filmer und Gefilmtem zu diskutieren.

I was a Slave Labourer, GB 1998 (DF) 75 Minuten. Regie: Luke Holland

Wegbeschreibung:
Casino der Uni Frankfurt/IG-Farben Gebäude Grüneburgplatz 1 (R. 1.8xx).
Anfahrt: Mit dem Bus Linie 36 bis Haltestelle "Oberlindau" oder mit den U-Bahnen der Linien 1, 2 und 3 bis Haltestelle "Holzhausenstraße"
Hörsaal 36 TU Darmstadt im Schloss
Anfahrt: Mit Straßenbahn Linie 1,3,9 oder Bus Linie D,F,H bis Haltestelle "Schloss"

Organisiert von der Initiative Studierender im IG Farben Gebäude
c/o Fachschaft Fachbereich 10
Grüneburgplatz 1, 60323 Frankfurt
In Kooperation mit AStA Uni Frankfurt, Referat für politische Bildung im AStA Uni Mainz, AStA TU Darmstadt, Hessische Gesellschaft für Demokratie und Ökologie, Fritz-Bauer-Institut, VVN Darmstadt, Leben und Arbeiten im Gallus und Griesheim LAGG, Initiative gegen das Vergessen, Unabhängige Linke Liste (unLike)?