Interview der Roten Hilfe Hamburg mit Monika Haas

"Bleibt es bei dem Urteil, kann die Verteidigung eingespart werden"

Rote Hilfe: Obwohl der Prozess gegen dich und das Urteil zu fünf Jahren Haft in der breiten Öffentlichkeit Überwiegend kritisch aufgenommen worden waren, hat der Bundesgerichtshof deine Revision verworfen. Wie sieht dein Leben im Augenblick aus, welche Konsequenzen hat das Urteil für dich?

Monika Haas: Ziemlich bittere. Am 3. Mai habe ich eine erste Teilrechnung der Prozesskosten in Höhe von 180 690,15 Mark von der Bundesanwaltschaft bekommen. Ende März hatte ich einen gerichtlichen Vergleich mit meinem früheren Arbeitgeber, der Uniklinik Frankfurt, geschlossen. Für den Zeitraum nach meiner Haftentlassung und bis zum Arbeitsantritt bei meinem jetzigen Arbeitgeber muss mir die Uniklinik das Gehalt nachzahlen. Nach Abzug der Steuern, Versicherungsbeiträge und der Sozialhilfe, die ich währ end dieser Zeit bekommen habe, wäre ein Restbetrag geblieben, mit dem ich die durch die Haft aufgelaufenen Schulden bezahlen wollte.

Außerdem habe ich die Rechnung für die Verfassungsbeschwerde bisher noch nicht bezahlen können. Die Gehaltsnachzahlung wurde inzwischen von der Justiz gepfändet. Bleibt es bei der Eintreibung der horrenden Prozesskosten, wird für mich jede berufliche Pe rspektive tiefgreifend zerstört.

RH: Wie ordnest du das BGH-Urteil politisch und juristisch ein?

M.H.: Es hat den Anschein, dass die Tragweite dieser Entscheidung von den meisten Menschen, gerade auch seitens der bürgerlichen Presse, bislang nicht erkannt wurde. Nur wenige Zeitungen haben in ihren Kommentaren die Konsequenz dieses Richterspruchs ko nkret benannt. Sollte es nämlich bei diesem Urteil bleiben, dann könnte künftig bei Strafprozessen die Verteidigung eingespart werden! Der vermeintliche Nachweis meiner Schuld basiert letztlich ausschließlich auf einem anonymen Hintergrundmaterial, dess en reale Existenz für keinen der Prozessbeteiligten manifest wurde. Wir hatten nie die Möglichkeit zu überprüfen, ob es beispielsweise den anonymen "Zeugen" in Wirklichkeit gab. Jeder Staatsanwalt kann sich also künftig bei seiner "Beweisführung" auf an onyme Zeugen vom Hörensagen oder aber auf anonyme Unterlagen berufen, die er dem Gericht nicht mehr zur Überprüfung präsentieren muss. Das ist eine eindeutige Negierung rechtsstaatlicher Prinzipien und gibt der Anklagebehörde die Chance grenzenloser Man ipulation in Strafprozessen.

Bei dem Urteilsspruch vom 11. Februar ging es ja nicht nur um den Prozess gegen mich, sondern der Staatsschutzsenat hatte offensichtlich bereits künftige Prozesse im Visier.

RH: Die Karlsruher Entscheidung könnte also von grundlegender Bedeutung für zukünftige Verfahren sein?

M.H.: Auf jeden Fall. Die Urteilsbegründung des 3. Staatsschutzsenats stützt sich ja nicht auf eine juristischer Argumentation, sondern auf eine politische. "Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus erfordert die Ausschöpfung aller vorhandenen Bew eismittel", sagte der Vorsitzende Richter Kutzner bei der mündlichen Urteilsverkündung. Ganz offensichtlich werde ich, und das nicht zum ersten Mal, für die Interessen des Staatsschutzes instrumentalisiert. Die Aktionen der RAF der achtziger Jahre konnt en - wie aus der Presse zu entnehmen ist - nie aufgeklärt werden. Wer damals "RAF" war, ist den Ermittlungsbehörden offenbar nicht bekannt. Damit wird sich die Bundesanwaltschaft nicht abfinden wollen. Um diese Akten einmal schlieáen zu können, müssen d ie Aktionen personell zugeordnet werden. Das ist mit den üblichen kriminaltechnischen Mitteln aber nicht leistbar.

Eines der wichtigsten Instrumente, um diese Lücke zu schlieáen, war die Kronzeugenregelung. Diese Möglichkeit ist für die Bundesanwaltschaft nicht mehr verfügbar. Der letzte Tropfen, der das Kronzeugenfass zum überlaufen brachte, war die Kronzeugin Andr awes in meinem Verfahren. Es ist völlig falsch, wenn immer wieder behauptet wird, Andrawes hätte die Aussage gegen mich widerrufen. Sie hat bei jedem ihrer Kronzeugenauftritte in meinem Verfahren darauf bestanden, "nicht gelogen zu haben". Damit hat sie faktisch ihre Falschaussage, die sie in Oslo gemacht hat, bestätigt. Wir konnten im Verlauf des Prozesses durch eigene Recherche beweisen, dass ihre Behauptung, mich auf Mallorca getroffen zu haben, eine durch die BAW abgepresste Falschaussage war. Dam it war sie als Zeugin für das Gericht, und letztlich mit ihr die Kronzeugenregelung, nicht mehr haltbar.

Der Ersatz für die Kronzeugenregelung heißt jetzt: "Zeugen vom Hörensagen!" Das gilt insbesondere für Staatsschutzprozesse, aber nicht nur. Es lässt sich sehr leicht nachweisen, dass früher oder später die Verhandlungs- und Beweisführung dieser Prozesse zum Allgemeingut werden.

RH: Wie sehen die nächsten Schritte für dich aus? Du hast ja immer gesagt, dass du dich mit einem Urteil nicht abfinden wirst.

M.H. Wir haben inzwischen Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt, denn erst muss der innerstaatliche Rechtsweg ausgeschöpft werden, um den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen zu können. Dabei geht es, wie gesagt, nicht nur um mich. Beweismaterial, welches jeder gerichtlichen Überprüfung entzogen wird, darf es in einem Rechtsstaat ebensowenig geben, wie die Kronzeugenregelung. Mit solchen Instrumenten ist ein faires Verfahren noch nicht einmal ansatzweise gegeben.

RH: Wie können die Leute dich jetzt unterstützen?

M.H.: Ein wichtiges Moment ist die Öffentlichkeit. Das "Forum für Monika Haas" richtet zur Zeit eine Website ein (www.Monika-Haas.de), damit eine breite Öffentlichkeit regelmäßig über den aktuellen Stand der Entwicklung informiert werden kann. Leider de nken viele Menschen, für mich sei alles gelaufen und es gehe mir inzwischen wieder ganz gut, dem ist aber leider noch nicht so. Dann benötigen wir ganz dringend Geldspenden, um meine Klage beim Europäischen Gerichtshof sicherzustellen. Möglicherweise ist der Hintergrund der finanziellen Strangulation, wie sie derzeit vorangetrieben wird, auch darin zu sehen, dass die Klage vor d em Europäischen Gerichtshof blockiert werden soll.

Rote Hilfe Hamburg, 23. Mai 00

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