An alle potenziellen Gefährder und ihre Kontaktpersonen: Aufruf zur Onlinedurchsuchung beim Bundeskriminalamt
Die Fragen zur Schnitzeljagd findet ihr hier
Wir haben uns das BKA ausgesucht, weil die Behörde maßgeblich am Umbau
der deutschen wie europäischen Sicherheitsarchitektur beteiligt ist.
Gern wird hierfür als Begründungszusammenhang ein Kampf gegen
Terrorismus, organisierte Kriminalität oder Kinderpornographie
ausgerufen. Die „Bedrohungen“ werden massiv überzeichnet, daraus
entstandene neue polizeiliche Spielräume und Werkzeuge werden schon bald
gegen soziale Bewegungen in Stellung gebracht. Hierfür haben die
Bundeskriminalisten erst kürzlich mit dem neuen BKA-Gesetz eine
Grundlage erkämpft, um fortan auch „präventiv“, also selbstermächtigt
vorzugehen.
Behauptet wird zudem die steigende Notwendigkeit einer internationalen
Polizeizusammenarbeit, da das internationale Übel nicht mehr an den
nationalen Grenzen Halt mache. Dabei stützt das BKA die Rede von einem
„umfassenden Ansatz“, das Innenbehörden stärker mit Militär und
Geheimdiensten verzahnen will. Als „herausragender Eckpfeiler eines
ganzheitlichen Systems der Kriminalitätsbekämpfung“ kooperiert das
deutsche Polizeiamt mit anderen Nachrichtendiensten, die inzwischen –
trotz deren grundgesetzlich gebotener Trennung – vom „Gemeinsamen
Terrorismusabwehrzentrum“ und „Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrum
illegale Migration“ ausgehend operieren.
Grundsätze von Datenschutz oder Datensparsamkeit sind dabei längst auf
der Strecke geblieben. Mit eigenen Datenbanken sowie als Schnittstelle
zu internationalen polizeilichen Datenhalden diktiert das
Bundeskriminalamt den Kurs in Richtung polizeiliche
Datenbankgesellschaft.
Hierfür werden zahlreiche Zentral- und Verbunddateien unterhalten. Ein
Eintrag etwa in die Dateien „Gewalttäter Sport“ oder „International
agierende gewaltbereite Störer“ hat für die Betroffenen weitreichende
Repressalien zur Folge, die bisweilen sogar zum Versagen politischer
Betätigung führen. Beide Datensammlungen wurden jahrelang ohne
Rechtsgrundlage betrieben und erst kürzlich, zusammen mit etlichen
anderen Datenhalden, vom Bundesrat nachträglich legalisiert. Die
Informationssysteme des BKA füttern eine polizeiliche Praxis, die seit
Jahren mit dem Begriff „Gefährder“ operiert und damit den juristischen
Grundsatz der Unschuldsvermutung auf den Kopf stellt.
Das Bundeskriminalamt arbeitet indes eifrig an dem Vorhaben, die deutsche polizeiliche Sammelleidenschaft auch innerhalb der Europäischen Union weiter voranzutreiben. Das BKA ist die Kontaktstelle zur EU-Polizeiagentur Europol, Interpol und dem Schengener Informationssystem und gleichzeitig Knotenpunkt aller bi- und multilateralen deutschen Abkommen zu Polizeikooperation und Datentausch. Ein undurchsichtiges, weltumspannendes Netzwerk sogenannter „Verbindungsbeamter“ treibt die globale polizeiliche Zusammenarbeit ohne Kontrollmöglichkeit diskret und informell voran.
Während die europäischen Staatsgrenzen für MigrantInnen mittels
technischer Aufrüstung immer undurchlässiger werden, scheinen sie für
polizeiliche Überwachung und Kontrolle keine Rolle mehr zu spielen.
Gleichzeitig wird das BKA - wie auch Europol mit seiner umfangreichen
IT-Abteilung - zur polizeilichen Service-Organisation ausgebaut, die
neue technische Werkzeuge beforscht: Das Bundeskriminalamt ist an
etlichen Forschungsprojekten sowohl auf deutscher wie auf EU-Ebene
beteiligt, darunter zum Einsatz biometrischer Kameras, dem Ausspähen des
Internet oder der Nutzung von Satellitenaufklärung auch für
polizeiliche Neugier.
Von Interesse ist auch der Einsatz von Ermittlungssoftware und
„Predictive Analytics“ zur voraussagenden Suche nach „Risiken“.
Bagatellisierend als „Prävention“ bezeichnet, werden damit die immensen
polizeilichen Datenberge computergestützt durchsucht und einer
alltäglichen Rasterfahndung unterzogen. Die Polizei will mittels
Software „vor die Lage kommen“, erklärt BKA-Präsident Jörg Ziercke.
Einen der wohl weitgehendsten Grundrechtseingriffe dürfte die Forschung
im EU-Vorhaben INDECT darstellen, das eine digitale Plattform zum
Aufspüren „verdächtigen Verhaltens“ entwickelt. Dabei werden sowohl
polizeiliche Datenbanken, als auch Aufnahmen stationärer und fliegender
Kameras sowie das Internet gleichzeitig ausgewertet. INDECT wird deshalb
von Datenschützern als „Bevölkerungsscanner“ kritisiert. Das BKA ist,
neben anderen deutschen Projektpartnern, als „Berater“ an INDECT
beteiligt.
Das Bundeskriminalamt hat seit einigen Jahren das „Tatmittel Internet“ entdeckt und pocht auf die polizeiliche Reglementierung einer „Informations- und Kommunikationskriminalität“. Als unverzichtbar gilt den Bundesermittlern nach wie vor der massive Eingriff in die Kommunikations-Privatsphäre. Nach dem Spruch des Bundesverfassungsgericht über die Unvereinbarkeit der bisherigen Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gab sich der BKA-Präsident entsetzt. Ähnlich ausgebremst fühlt sich die Behörde im Vorhaben des Aufstellens von Umleitungsschildern im Internet, die zunächst als Bremse gegen den Konsum von Webseiten kinderpornographischen Inhalts eingeführt werden sollen und fortan jeden Aufruf inkriminierten Inhalts protokollieren. Trotz Beschluss, das Gesetz nicht anzuwenden, meldet das BKA die Tüftelei an technisch noch ausgereifteren Sperrmöglichkeiten.
Ähnlich eifrig werden Möglichkeiten des Manipulierens privater Computer vorangetrieben. Mit eigenen Trojaner-Programmen will das BKA die Kontrolle über andere Rechner übernehmen und sich ihre Nutzung zu Kommunikation oder Wissensproduktion protokollieren. Zwar behauptet das BKA, diese sogenannte „Onlinedurchsuchung“ bislang nicht selbst einzusetzen. Die Behörde ist allerdings für ihre enge Zusammenarbeit mit Geheimdiensten bekannt, die angesichts ihres Wirkens ohne öffentliche Kontrolle gemeinhin vor neuen technischen Ermittlungsmethoden wie der „Onlinedurchsuchung“ weniger Skrupel haben.
Der Verfolgungseifer des BKA wurde zuletzt angesichts eines
Ermittlungsverfahrens gegen die „militante gruppe“ offensichtlich. 10
Jahre lang hat die Behörde linke Aktivisten observiert, gefilmt,
belauscht und ihre Bewegungen mit satellitengestützten Peilsendern
dokumentiert. Als ernstgemeinte Verdachtsmomente mussten
Verwandtschaftsverhältnisse oder eine Marx-Lektüre herhalten. Wie im
Agentenroman wurde ein KfZ per „Dublette“ ausgetauscht, um es unbemerkt
verwanzen zu können.
Dabei sind die Beziehungen des BKA zur Richterschaft scheinbar nicht die
schlechtesten: Allein 50 Überwachungsbeschlüsse gegen die „militante
gruppe“ wurden vom gleichen Ermittlungsrichter gezeichnet. Dass die
Überwachung erst kürzlich vom Bundesgerichtshof als rechtswidrig
eingestuft wurde, ist für die Betroffenen ein schwacher Trost.
Es ist schwierig, dem Gebaren des BKA juristisch das Handwerk zu legen.
Betroffene, die beispielsweise Auskunft über ihre beim BKA gespeicherte
Daten begehren, erhalten oft nur rudimentäre Angaben. Als Grund gibt die
Behörde an, die geheimen, polizeilichen Informanten nicht zu gefährden.
Zuständig für Klagen gegen das BKA sind eine Handvoll Richter am
Verwaltungsgericht Wiesbaden. Dort wird die polizeiliche Praxis, etwa in
Bezug auf die ungenügende Beantwortung von Auskunftsersuchen,
regelmäßig gerügt. Eine Änderung der fehlenden Auskunftsfreudigkeit ist
dennoch nicht in Sicht.
Hin und wieder stößt das Bundeskriminalamt auf Gegenwind, etwa wenn die
innenpolitische Großwetterlage den Kernbereich privater Lebensgestaltung
in den Mittelpunkt stellt oder Parlamentarier auf ihre
Kontrollbefugnisse pochen. Doch bedeutet das längst nicht das Ende
ausufernder Überwachung, denn etliche polizeiliche Zukunftsvisionen
werden längst „über Bande“ mittels EU-Richtlinien verabredet.
Die vom BKA anvisierten Internetsperren wurden jüngst in einer neuen
Initiative der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström wieder auf die
Tagesordnung gesetzt. Ähnlich sieht es mit den „Onlinedurchsuchungen“
aus: Deutschland ist seit Jahren Hauptsponsor und „Power User“ der
europäischen Datenkrake Europol. Deren Technikabteilung betreibt nach
eigenen Angaben seit 2008 „Ferndurchsuchungen“ privater Computer im
Rahmen grenzüberschreitender Ermittlungen. Deutschland – und mithin das
BKA – ist an fast allen Ermittlungskomplexen Europols beteiligt. Die
Aussage des BKA-Präsidenten, auf „Onlinedurchsuchungen“ bisher
verzichtet zu haben, erscheint dadurch in einem anderen Licht.
Beliebt ist die Praxis innerhalb der Europäischen Union,
grenzüberschreitende Abkommen zur Erleichterung von Datentausch oder
Polizeizusammenarbeit anfänglich unter wenigen Mitgliedsstaaten
bilateral zu verabreden. Nach kurzer Zeit werden sie „in EU-Recht
überführt“ und werden damit für alle Mitgliedsstaaten verpflichtend. Für
Widerstand ist es dann oft zu spät.
Gründe genug also, die Machenschaften des Bundeskriminalamts genauer
unter die Lupe zu nehmen. Wir schlagen vor, den Webseiten der Behörde am
Donnerstag den 9. September einen gemeinsamen Besuch abzustatten und in
das Antlitz eines Apparates zu blicken, der nach Angaben seines
Präsidenten einen „hervorragenden Ruf in aller Welt als kompetenter
Partner bei der Kriminalitätsbekämpfung“ genießt.
Auf www.bka.de wollen
wir uns umsehen, was das BKA unter „Sicherheit“ versteht und welche
Konsequenzen für weltweite Freiheits- und Bürgerrechte daraus absehbar
sind.
Es ist dabei nicht nötig, in den
geschützten Bereich des BKA einzudringen; ein einfacher Browser ist
alles, was es zur Teilnahme braucht.
Das BKA ist dafür bekannt, in der Vergangenheit IP-Adressen von Besuchern auf ihrer Webseite gezielt zu protokollieren und in Ermittlungen zu verwenden. Wenn ihr vermeiden wollt dass der digitale Fingerabdruck eures Rechners in die Hände der Verfolgungsbehörden gerät, empfehlen wir euch die Nutzung von Anonymisierungswerkzeugen für eure Browser bzw. Netzwerkverbindungen. Als da wären:
Tor-Netzwerk (verschleiert IP-Adresse)
https://www.torproject.org/index.html.de
http://www1.privacyfoundation.de/handbuch_11.htm
VPN-Tunnel über riseup.net (verschleiert IP-Adresse)
https://we.riseup.net/riseuphelp/testing-personal-vpn
Firefox-Addon NoScript (verhindert Installation von Spyware durch Besuch von Webseiten)
https://addons.mozilla.org/de/firefox/addon/722
Quelle: data:recollective