Anfrage zur Videoüberwachung durch die Stadt Frankfurt

erstellt von dieDatenschützer Rhein Main — zuletzt geändert 2014-10-14T22:32:36+02:00
Vier in Frankfurt wohnende Mitglieder der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main haben von Oberbürgermeister Feldmann Auskünfte zur Videoüberwachung durch die Stadt Frankfurt erbeten. Nach der Lektüre des Magistratsbericht B 266 vom 04.07.2014, „Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen“ haben sie, gestützt auf die Informationsfreiheitssatzung der Stadt Frankfurt, die Überlassung der Verfahrensverzeichnisse für alle von der Stadt Frankfurt errichtete bzw. genutzte Videoüberwachungsanlagen gefordert.

Sie haben zudem – gestützt auf eigene Recherchen und auf Auskünfte des behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt – festgestellt, dass der Magistratsbericht B 266 an mehreren Stellen unvollständige bzw. falsche Auskünfte enthält. Im Schreiben an Oberbürgermeister Feldmann werden ergänzend Standorte von Videoüberwachungsanlagen der Stadt Frankfurt benannt, die in der B 266 keine Erwähnung finden. Zudem wird in mehreren Punkten nachgewiesen, dass die Stadt Frankfurt zwingende datenschutzrechtliche Vorgaben nicht beachtet (datenschutzrechtliche Vorabkontrolle, Erstellung von Verfahrensverzeichnissen, Kennzeichnung von Videoüberwachungsanlagen).

Da die Auskünfte im Magistratsgericht B 266 teilweise falsch und die Praxis der Stadt beim Betrieb von Videoüberwachungsanlagen nach Bewertung der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main nicht der Rechtslage entspricht, wurde das Schreiben an Oberbürgermeister Feldmann in Kopie auch an den Hessischen Datenschutzbeauftragten gesandt.

Das Schreiben an Oberbürgermeister Feldmann in anonymisierter Form:

An den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt Peter Feldmann
Magistratsbericht B 266 vom 04.07.2014, „Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen“
hier: Auskunftsersuchen auf der Grundlage des Hessischen Datenschutzgesetzes (HDSG), des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) und der Informationsfreiheitssatzung der Stadt Frankfurt am Main

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
wir möchten Sie darüber unterrichten, dass die vier Unterzeichner dieses Schreibens aktive Mitglieder der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main sind.
Der Magistratsbericht B 266 ist uns
1. Uli B. …
2. Klaus L. …
3. Roland S. ...
4. Walter S. …
Anlass, vom Magistrat der Stadt Frankfurt – jede der vorstehend genannten Personen für sich selbst – Kopien sämtlicher Verfahrensverzeichnisse von Videoüberwachungsanlagen, die den öffentlichen Straßenraum beobachten anzufordern, die von der Stadt Frankfurt errichtet und / oder betrieben werden. Gleiches gilt für sämtliche Gebäude, die die Stadt Frankfurt am Main angemietet hat und bei denen der Vermieter eine Videoüberwachung der Außenhaut betreibt, die bei falscher Handhabung öffentlichen Straßenraum überwachen könnte. Sollten uns dafür individuell Kosten von mehr als 15,00 € pro Person entstehen bitten wir um entsprechende vorherige Mitteilung.

Ihre Stellungnahme und die von uns angeforderten Unterlagen erwarten wir innerhalb einer Frist von 1 Monat nach Eingang dieses Schreibens bei Ihnen.
Hilfsweise beantragen wir – jede der vorstehend genannten Personen für sich selbst – das Recht zur Einsichtnahme in diese Verfahrensverzeichnisse.
Unser Antrag auf Überlassung von Kopien sämtlicher Verfahrensverzeichnisse von Videoüberwachungsanlagen bezieht sich auf die uns bereits bekannten als auch uns noch nicht bekannte Videoüberwachungsanlagen, die von der Stadt Frankfurt errichtet und / oder betrieben werden und den öffentlichen Straßenraum beobachten.

Bekannt sind uns bisher folgende Standorte:
1. Die von der Integrierten Gesamtverkehrsleitzentrale (IGLZ) der Stadt Frankfurt betriebenen insgesamt 78 Kameras.
2. Die von der Stadt Frankfurt (verantwortliche Ämter im Einzelfall unbekannt) betriebenen weiteren Kameras bzw. Detektoren z. B. an Ampelkreuzungen, Fußgängerüberwegen und ähnlichen Standorten, von uns geschätzt auf mindestens 250 Exemplare.
3. Die von der Stadt Frankfurt errichtete und von der hessischen Polizei genutzte Video-berwachungsanlage im Bereich Eissporthalle / Festplatz / Volksbankstadion mit ca. 30 Kameras, darunter eine Vielzahl von Dome-Kameras.
4. Die von der Stadt Frankfurt errichtete und von der hessischen Polizei genutzte Videoüberwachungsanlage im Bereich Konstablerwache mit ca. 4 Kameras.
5. Die von der Stadt Frankfurt errichtete und von der hessischen Polizei genutzte Videoüberwachungsanlage im Bereich Hauptbahnhof („Kaisersack“) mit ca. 2 Kameras.
6. Die vom Stadtgesundheitsamt in der Breite Gasse 28 (Einfahrt zum Innenhof) betriebene Kamera.
7. Die von der Berufsfeuerwehr an der Feuerwache 1 am Marbachweg betriebene Dome-Kamera.
8. Die vom Grünflächenamt (Betriebshof) in der Motzstr. 31 betriebenen 2 Kameras.
9. Die vom Grünflächenamt in der Rat-Beil-Str. 10 (Hauptfriedhof) betriebene Kamera.
10. Die vom Presse- und Informationsamt am Römerberg 32 betriebene Dome-Kamera.
11. Die vom Jüdischen Museum am Untermainkai 14 – 15 betriebenen mindestens 2 Kameras.

Gestatten Sie uns zu unserem Auskunftsbegehren und zu den Auskünften des Magistrats in der B 266 noch einige ergänzende Bemerkungen bzw. Hinweise.

A.
In der Einleitung des Magistratsberichts ist zu lesen: „Da die Stadt Frankfurt am Main neben den Verkehrsbeobachtungskameras selbst keine Videoüberwachung betreibt…“.
Diese Auskunft muss von uns als mindestens grob fehlerhalt bewertet werden. In einer Korrespondenz mit dem behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt wurde uns von diesem bestätigt, dass die vorstehend unter den Positionen 6 – 11 genannten Videoüberwachungsanlagen von Ämtern der Stadt Frankfurt betrieben werden. Der behördliche Datenschutzbeauftragte hat uns gegenüber zudem eingeräumt, dass bei allen unter diesen Positionen genannten Anlagen datenschutzrechtliche Mängel bestehen.
B.
In der Antwort zu Frage 2 wird festgestellt: „Eine genaue Auflistung aller Kameras in Tabellen oder mit Geodaten liegt nicht vor.“
Aus unserer Sicht stellt dies einen datenschutzrechtlichen Mangel dar. Da Videokameras einer datenschutzrechtlichen Vorabkontrolle unterliegen und Verfahrensverzeichnisse geführt werden müssen, müssten alle Standorte nachvollziehbar dokumentiert sein.
C.
In der Antwort zu Frage 3 wird festgestellt: „Sofern Speicherungen von Bildern erfolgen, werden die gesetzlichen Vorgaben des Hessischen Datenschutzgesetzes bzw. des HSOG beachtet.“
Wir stellen uns die Frage, woher der Magistrat der Stadt Frankfurt diese Gewissheit nimmt, wenn man nicht einmal die Standorte von Kameras vollständig benennt, geschweige denn diese in der Gesamtzahl überhaupt kennt.
D.
In der Antwort zu Frage 4 wird festgestellt: „Eine Aufstellung der technischen Daten aller Videoüberwachungskameras liegt nicht vor.“
Dieser Antwort müssen wir entnehmen, dass die Stadt Frankfurt – entgegen zwingender gesetzlicher Vorgaben – keine Verfahrensverzeichnisse führt. Wenn dem so ist, ein weiterer eklatanter Mangel.
E.
In der Antwort zu Frage 6 wird festgestellt: „Inwieweit Kennzeichnungen von Videoanlagen fehlen sollen, ist nicht bekannt. Diesbezüglich wären entsprechende Hinweise hilfreich, um Einzelfallprüfungen vornehmen zu können. Die von der Stadt Frankfurt am Main betriebenen Anlagen sind gekennzeichnet.“
Diese Auskunft muss von uns als mindestens grob fehlerhalt bewertet werden.
Die in unserer o. g. Auflistung unter den Positionen 1. und 2. genannten mehr als 300 Kameras sind – von wenigen Ausnahmefällen abgesehen – nicht gekennzeichnet.
Die in unserer o. g. Auflistung unter der Position 3. genannten ca. 30 Kameras sind zwar gekennzeichnet, weisen aber nicht auf, wer „verantwortliche Stelle“ für die Videoüberwachung ist. Insofern ist die Kennzeichnung nicht rechtskonform, die Hinweisschilder haben den Charakter von Werbeflächen für das Unternehmen, das die Kameras geliefert und installiert hat.
Die in unserer o. g. Auflistung unter den Positionen 6. und 7. sowie 9. bis 11. genannten Kameras sind nicht gekennzeichnet; die unter Position 8. genannten Kameras wurde erst nach einer Beschwerde von uns beim behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt mit einer Kennzeichnung versehen.
F.
In der Antwort zu Frage 12 wird festgestellt: „Auf dem Römerberg befindet sich keine Videoüberwachungsanlage. Ein möglicher Eingriff in die Versammlungsfreiheit durch eine Videoüberwachung ist somit nicht gegeben.“
In der Antwort zu Frage 13 wird festgestellt: „Das Rathaus bzw. der Römerberg werden nicht videoüberwacht…“
Diese Auskunft muss von uns als mindestens grob fehlerhalt bewertet werden. In einer Korrespondenz mit dem behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt wurde uns von diesem bestätigt, dass die unter der Position 10 unseres Schreibens genannte Dome-Kamera vom Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt betrieben wird; Zitat: „Es handelt sich hier um eine Anlage, die sogenannte Überblickbilder (Standbild mit Aktualisie-rung) im Rahmen von touristischen Informationen liefert. Eine Personenidentifizierung ist aufgrund der Kameraeinstellungen und -leistungen nicht möglich. Die verantwortliche Stelle (Presse- und Informationsamt) hat das hiesige Referat projektbezogen eingebunden. Eine Speicherung des Bildmaterials findet nicht statt.“
Um diese Auskunft überprüfen zu können, ist eine Überlassung einer Kopie des Verfahrensverzeichnisses, hilfsweise die Einsichtnahme in das Verfahrensverzeichnis, notwendig.
G.
In der Antwort zu Frage 16 wird festgestellt: „Bei der Überwachung der öffentlichen Straßenverkehrsräume wird lediglich der Verkehrsfluss beobachtet. Kfz-Kennzeichen werden dabei nicht halb- oder vollautomatisch gelesen.“
Diese Auskunft ist unvollständig, da sie nicht beantwortet, ob die errichteten Anlagen tech-nisch dazu in der Lage sind, Kennzeichen zu erfassen und zu speichern.
In einem Gespräch, das die Unterzeichner gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Bürger-rechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main am 29.10.2013 in der der Integrierten Gesamtverkehrsleitzentrale (IGLZ) der Stadt Frankfurt führen konnten, wurde von den Behördenvertreter/innen mitgeteilt: Die Polizei könne im Bedarfsfall (mit Begründung) Sequenzen der gespeicherten Daten einzelner Kameras (genannt wurden Zeiträume von max. 2 Minuten) anfordern. In solchen Fällen würde jedes Mal der behördliche Datenschutzbeauftragte der Stadt Ffm über die Anfrage schriftlich informiert.
Aus dieser Auskunft schließen wir, dass durchaus die technische Möglichkeit besteht, Kennzeichen zu erfassen, zu speichern und diese auch auszuwerten. Um dies überprüfen zu können, ist eine Überlassung einer Kopie des Verfahrensverzeichnis-ses, hilfsweise die Einsichtnahme in das Verfahrensverzeichnis, notwendig.
H.
In der Antwort zu Frage 23 („Wie hat sich die Anzahl von behördlich betriebenen Videoüber-wachungsanlagen in Frankfurt seit 2002 verändert?“) wird festgestellt: „Hierzu liegen keine genauen Zahlen vor.“
Aus unserer Sicht stellt dies einen datenschutzrechtlichen Mangel dar. Da Videokameras einer datenschutzrechtlichen Vorabkontrolle unterliegen und Verfahrensverzeichnisse geführt werden müssen, müssten alle Standorte und ihre Veränderungen nachvollziehbar dokumentiert sein.

Abschließend ein Hinweis: Wg. Der grundsätzlichen Bedeutung der in der B 266 angesprochenen Probleme und der aus unserer Sicht mangelhaften Praxis der Stadt Frankfurt bei der Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben gestatten wir uns,

  • Kopien dieser Schreiben an den Hessischen Datenschutzbeauftragten und an die Fraktionen in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung zu senden und
  • unser Schreiben in geeigneter Form bereits vor seiner Beantwortung öffentlich bekannt zu machen.

Mit freundlichen Grüßen