Demütigender Spießrutenlauf für Sexarbeiter/innen

erstellt von Doña Carmen e.V. — zuletzt geändert 2017-12-03T18:13:10+01:00
Stadt Frankfurt startet behördliche Registrierung
Am kommenden Montag, dem 4. Dezember 2017, beginnt die Stadt Frankfurt erstmals mit der Registrierung von Sexarbeiter/innen nach dem so genannten „Prostituiertenschutzgesetz“. Ohne eine in anderen Bundesländern obligatorische Rechtsverordnung bzw. Durchführungsgesetzgebung und ohne die vom Hessischen Städtetag zu Recht geforderte Ausführungsverordnung des Landes Hessen nimmt das dem Dezernenten Markus Frank (CDU) unterstellte Frankfurter Ordnungsamt nun doch bereitwillig die Registrierung der betroffenen Frauen, die Durchführung so genannter „Informations- und Beratungsgespräche“ sowie die Ausgabe von „Hurenpässen“ vor.

In ganz offensichtlich diskriminierender Weise wird die Prostituierten-Registrierung in Frankfurt fortan der Abteilung „Akute Gefahrenabwehr“ zugeordnet! Diese Abteilung des Ordnungsamtes ist ansonsten mit Aufgaben des Infektionsschutzes („Rattenbefall“), mit der Entziehung der Freiheit geisteskranker, geistesschwacher, rauschgift- und alkoholsüchtiger Personen sowie mit der Einweisung psychisch auffälliger Personen befasst. Neben Leichenpässen werden von dieser Abteilung des Ordnungsamtes fortan auch „Hurenpässe“ ausgegeben.

Die Zuordnung der Sexarbeiter/innen zu den genannten Personenkreisen kommt einer skandalösen, billigend in Kauf genommenen Stigmatisierung des rechtlich anerkannten Berufs Prostitution gleich. Es zeigt, wes Geistes Kind das „Prostituiertenschutzgesetz“ ist, mit dem erstmals seit der Nazi-Zeit Prostituierte hierzulande wieder staatlich registriert werden.

Für diesen Affront müssen Sexarbeiter/innen zu allem Überfluss auch noch stattliche 50 € Gebühr bezahlen – die im Vergleich zu anderen Kommunen bislang höchste Gebühr für eine Sexarbeiter-Registrierung bundesweit! Dazu kommen noch einmal 10 € Extra-Gebühr, wenn der „Hurenpass“ auf einen „Aliasnamen“ ausgestellt werden soll. Unter 21-Jährige Sexarbeiter/innen müssen – angeblich zu ihrem „besonderen Schutz“ – nicht in zweijährigem, sondern in einjährigem Abstand ihre Registrierung erneuern. Ihnen werden damit vom Staat doppelt so hohe Kosten auferlegt wie den über 21-Jährigen Sexarbeiter/innen.

Nach Angaben von Mitarbeiter/innen des Frankfurter Ordnungsamtes sind dabei die im Gesetz erwähnten Sprachmittler überhaupt nicht existent. Dolmetscher müssen von den betroffenen migrantischen Sexarbeiter/innen im Zweifel selbst mitgebracht werden, wobei über deren Teilnahme am „Informations- und Beratungsgespräch“ das Ordnungsamt letztlich im Einzelfall befinden kann. Der Willkür ist damit Tür und Tor geöffnet.

Zusätzlich zu dem bei der Ordnungsbehörde angesiedelten „Informations- und Beratungsgespräch“ müssen Sexarbeiter/innen auch noch eine so genannte „gesundheitliche Beratung“ absolvieren. Diese findet zwar im Gesundheitsamt statt, wird aber nicht von Ärzten, sondern von fachfremdem Personal vorgenommen. Auch hier fehlen Dolmetscher. Angesichts dieser Umstände von „gesundheitlicher Beratung“ zu sprechen, ist eine glatte Farce. In Wirklichkeit geht es um Kontrolle und Abschreckung der betroffenen Frauen.  

Gesundheitsbescheinigungen werden in Frankfurt bereits seit dem 1. Juli 2017 ausgegeben und sind laut Gesetz Voraussetzung für eine Registrierung bei der Ordnungsbehörde. Nach § 4 Abs. 3 ProstSchG verlieren sie aber ihre Gültigkeit, wenn die Registrierung bei der Ordnungsbehörde nicht binnen drei Monaten nach der „gesundheitlichen Beratung“ erfolgt. Da die Frankfurter Ordnungsbehörde jedoch erst mit Beginn Dezember 2017 Sexarbeiter-Registrierungen durchführt, dürfte bei vielen Frauen die Bescheinigungen über die Teilnahme an der „gesundheitlichen Beratung“ längst zu Makulatur geworden sein.

Um das Tohuwabohu komplett zu machen, händigt das Frankfurter Gesundheitsamt betroffenen Sexarbeiter/innen gleich zwei verschiedene Bescheinigungen über die Teilnahme an der „gesundheitlichen Beratung“ aus: die eine auf den Klarnamen, die andere auf einen Aliasnamen der Frauen (entsprechende Dokumente der Frauen liegen Doña Carmen vor). Laut Gesetz gibt es aber nur ein „entweder“ – „oder“: „Gesundheitsbescheinigung“ entweder auf Klar- oder auf Aliasnamen. Alles andere führt nur zu größter Verwirrung und unfreiwilligem Outing der Betroffenen, da für besagte Bescheinigungen eine gesetzlich verankerte Mitführpflicht besteht. Neben dem Hurenpass und dem Aliaspass (für die Kontrolle durch Betreiber) und Reisepass / Personalausweis (für Kontrollen durch den Zoll) müssten die betroffenen Frauen dann auch noch zwei auf unterschiedliche Namen ausgestellte „Gesundheitsbescheinigungen“ (für Kontrollen durch Ordnungsbehörden) mit sich führen!

Hinzu kommt: Mangels klarer Regelungen der Zuständigkeiten hinsichtlich der Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes mittels einer Durchführungsverordnung des Landes Hessen reklamiert die Polizei die Zuständigkeit für Bordell-Kontrollen im Wege der Selbstermächtigung. Man kontrolliert – wie letzte Woche in Frankfurt geschehen – in den Bordellen und beruft sich dabei auf das „Prostituiertenschutzgesetz, obwohl Frauen über keine Hurenpässe verfügen konnten.

Die wirren Vorgehensweisen in Frankfurt dokumentieren vor allem eines: Die Mechanismen des „Prostituiertenschutzgesetzes“ führen dazu, dass Sexarbeiter/innen in den Untergrund gedrängt und Sexarbeit in der Konsequenz kriminalisiert wird. Das ist die Agenda der Bundesregierung und aller Prostitutionsgegner hierzulande. In NRW hat sich nach jüngsten Angaben der dortigen Landesregierung gerade einmal 1 % der in diesem Bundesland tätigen Sexarbeiter/innen registrieren lassen. (vgl. NRW-Landtags-Drucksache 17/1223 vom 15.11. 2017). In Berlin liegt die Zahl der bislang behördlich registrierten Sexarbeiter/innen im rekordverdächtigen Promillebereich. Man sollte sich keiner Illusion hingeben: Diese „Abstimmung mit den Füßen“ wird es unweigerlich auch in Hessen geben.

Doña Carmen e.V. fordert daher dringlich die Aussetzung statt einer Umsetzung des diskriminierenden und für eine Reglementierung des Gewerbes ganz und gar untauglichen Prostituiertenschutzgesetzes. Statt Sexarbeiter/innen wie Menschen zweiter Klasse zu behandeln, sollte man die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über dieses zweifelhafte Gesetz abwarten und dieser Berufsgruppe mit dem ihr gebührenden Respekt und rechtlicher Anerkennung begegnen.

Pressemitteilung, Doña Carmen e.V.,  Frankfurt, 1. Dezember 2017

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