Die Ergebnisse bleiben unerträglich hinter dem Notwendigen zurück

erstellt von Verein demokratischer Ärztinnen & Ärzte — zuletzt geändert 2017-03-15T12:34:21+01:00
Verein demokratischer Ärztinnen & Ärzte zu den Schlussfolgerungen des Bundesgesundheitsministeriums aus den Beratungen der ExpertInnenkommission „Pflegepersonal im Krankenhaus“.

Warme Worte für Krankenhausmitarbeiter wird es im Bundestagswahlkampf reichlich geben. Eine Verbesserung der Arbeitssituation der Beschäftigten und der Patientenversorgung wird es aber erst geben, wenn die Beschäftigten eine gesetzliche Personalbemessung für die Krankenhäuser erkämpft haben.

"Eine angemessene Personalausstattung in der Pflege im Krankenhaus ist für die Qualität der Patientenversorgung und die Arbeitssituation der Beschäftigten unabdingbar", so lautet der absolut zutreffende erste Satz der Schlussfolgerungen der Kommission. Der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte (vdää) ist wie viele Pflegepersonen und Ärztinnen und Ärzte aus den Krankenhäusern bestürzt über die spärlichen Ergebnisse der Expertenkommission: Verbindliche Personaluntergrenzen werden nur für sogenannte "pflegesensitive" Bereiche der Krankenhäuser und erst ab Januar 2019 eingeführt.

Warum ist das kaum mehr als nichts?

Zu „1) Verbesserung der Abbildung des erhöhten Pflegebedarfes durch laufende Maßnahmen“

Veränderungen innerhalb der DRG-Matrix (sog. PKMS) führen nur zu einer Umverteilung der vorhandenen (zu geringen) Mittel. Ein Krankenhaus mit einer durchschnittlichen Patientenstruktur bekommt für einen Teil der Fälle mehr Geld, dafür aber für den anderen Teil der Fälle weniger Geld. Es handelt sich also um ein klassisches Nullsummenspiel“, so Dr. Thomas Bohm, Mitglied des vdää.

2) Verbesserung der Abbildung des allgemeinen Pflegebedarfes durch die Festlegung von Personaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen“

Was „pflegeintensive Bereiche“ sein sollen, ist völlig offen. Auch der Begriff „Pflegeuntergrenzen“ lässt vermuten, dass es nicht um eine gute, geschweige denn optimale, Pflege gehen soll. „Festzuhalten ist, dass die notwendigen Stellen nicht refinanziert werden, sondern aus der allgemeinen Vergütung finanziert werden müssen. Damit wird ein Anreiz gesetzt, eine ggf. höhere notwendige Stellenzahl durch Lohnabsenkung zu kompensieren“, so Dr. Peter Hoffmann, stellv. Vorsitzender des vdää.

Dr. Thomas Böhm ergänzt: „Werden Soll-Zahlen nur für einzelne Bereiche festgelegt und überwacht, wird damit ein Verschiebebahnhof initiiert: Pflegepersonal wird aus nicht überwachten Bereichen in die überwachten Bereiche verschoben. Die Situation für die nicht überwachten Bereiche verschlechtert sich noch mehr. Anhaltszahlen oder Pflegeuntergrenzen können nur funktionieren, wenn sie flächendeckend zumindest für eine Berufsgruppe sind.“

Außerdem ist zu kritisieren, dass sich die Untergrenzen nur auf die Pflege und nicht auf andere Berufsgruppen beziehen sollen, nicht einmal auf die sonstigen therapeutischen Berufsgruppen, wie es im PsychVVG für die psychiatrische und psychosomatische Versorgung festgelegt ist.

Zu „3. Überführung der Mittel des Pflegestellen-Förderprogramms in den Pflegezuschlag“

Die Mittel aus dem Pflegeförderprogramm sollten auch bisher nach Auslaufen des Programms bei den Krankenhäusern verbleiben. Es handelt sich also nicht um zusätzliche Finanzmittel, sondern nur um eine andere Verteilungsart. „Der Pflegezuschlag ist reiner Etikettenschwindel, denn das Geld wird nur entsprechend der Kosten für Pflege eines Krankenhauses verteilt. Das Krankenhaus kann aber wie bisher mit den Geldern machen, was es will (z.B. neue Baustellen eröffnen)“, erläutert Dr. Thomas Böhm. „Auch von einer Belohnung von Krankenhäusern, die mehr für die Pflege tun, kann man nicht wirklich sprechen.“

Hierzu ein Rechenbeispiel: Von zwei ansonsten völlig identischen Krankenhäusern hat das eine 400, das andere 440 Pflegekräfte (Kosten je PK 60.000). Dann bekommt das erste Krankenhaus 1,08 Mio. Euro Pflegezuschlag, das andere 1,19 Mio. Euro. Das zweite Krankenhaus hat aber 2,4 Mio. Euro mehr Pflegepersonalkosten. Worin soll der Anreiz liegen für 110.000 Euro mehr Zuschlag, 2,4 Mio. Euro mehr Kosten zu akzeptieren? Im Zweifelsfall verzichtet das Krankenhaus auf die 110.000 Euro und spart 40 Stellen ein.

Der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte fordert deshalb, wie auch das Bündnis Krankenhaus statt Fabrik, die Gewerkschaft Ver.di, der Marburger Bund und viele andere: eine allgemeinverbindliche, gesetzliche Personalbemessung für alle Bereiche und Berufsgruppen im Krankenhaus, denn: "Eine angemessene Personalausstattung (...) im Krankenhaus ist für die Qualität der Patientenversorgung und die Arbeitssituation der Beschäftigten unabdingbar".

Dr. Nadja Rakowitz (Pressesprecherin)

Für weitergehende Informationen, insbesondere zum Zusammenhang der Heilungsaussichten von PatientInnen mit dem Betreuungsschlüssel des (Pflege-)Personals siehe
www.krankenhaus-statt-fabrik.de

Verein demokratischer Ärztinnen & Ärzte, Maintal; Pressemitteilung vom 7. März 2017

http://www.vdaeae.de/