DieDatenschützer Rhein Main – keine Untaten mit Bürgerdaten

erstellt von DieDatenschützer Rhein Main — zuletzt geändert 2016-04-18T13:35:44+01:00
Datenschützer fordern von Stadtverordneten Verbesserungen beim Schutz der informationellen Selbstbestimmung der in Frankfurt lebenden Menschen In einem Offenen Brief an die Fraktionen von CDU, FDP, Grünen und SPD in der Stadtverordnetenversammlung hat die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main sechs Forde- rungen erhoben, die eine wie auch immer geartete neue Koalition in der Stadtverordnetenversammlung und im Magistrat aufnehmen und umsetzen soll:

1. Schaffung eines unabhängigen Frankfurter Datenschutzbüros.

2. Wildwuchs und Rechtsverstöße bei der Videoüberwachung im öffentlichen Raum verhindern.

3. Anonymisierte streckenabhängige Tarifgestaltung beim RMV statt RMVsmart.

4. Keine Erfassung und Verarbeitung personenbezogener Daten durch Ämter und Betriebe der Stadt Frankfurt ohne Rechtsgrundlage.

5. Verbesserung der Arbeitsfähigkeit des behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt.

6. Wiederinkraftsetzung der Informationsfreiheitssatzung der Stadt Frankfurt.

Walter Schmidt, einer der Sprecher der Gruppe, begründet diese Forderungen mit der Aussage: „ Auch in Frankfurt haben Verletzungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung in den letzten Jahren an Umfang zugenommen. Neben weltweiten (Stichwort: Enthüllungen von Edward Snowden) lassen sich dafür auch lokale Ursachen benennen.“ Als Beleg für diese Bewertung nennen die Datenschützer u. a.:

Ämter und Betriebe der Stadtverwaltung beachten in Sachen Videoüberwachung die geltenden Rechtsgrundlagen nicht immer und nicht ausreichend. So teilte der behördliche Datenschutzbeauftragte der Stadt Frankfurt nach Beschwerden über Kameras auf städtischen Liegenschaften in mehreren Fällen mit: „Unsere Recherchen haben ergeben, dass es hier in der Tat datenschutzrechtliche Unzulänglichkeiten gibt.“ Auch bei der Stadt Frankfurt werden Datensammlungen angelegt, deren Rechtgrundlage zweifelhaft ist. Als Beleg sei hier auf die Protokollierung von Nutzerdaten des kostenlosen Internetangebots in der Stadtbücherei verwiesen.

Ämter der Stadtverwaltung nutzen vereinzelt Adressdaten Frankfurter EinwohnerInnen, um ihnen unverlangt Informationen zuzusenden. Genannt wird ein Beispiel aus dem Jahr 2015. Betroffen: Das Presse und Informationsamt in Verbindung mit dem Bürgeramt der Stadt Frankfurt.

Da es den Frankfurter BürgerInnen an wohnortnahen und (möglichst kostenfreien) Möglichkeiten fehlt, sich in datenschutzrechtlichen Fragen beraten zu lassen und die Personalkapazität des Hessischen Datenschutzbeauftragten und des behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt dafür nicht ausreichend sind erneuert die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main ihre erstmals 2013 erhobene Forderung zur Schaffung eines unabhängigen Frankfurter Datenschutzbüros.

Das Schreiben an die Stadtverordnetenfraktionen von CDU, FDP, Grünen und SPD ist dieser Erklärung im Wortlaut beigefügt.

An die

Fraktionen von CDU, FDP, Grünen und SPD

In der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt

Kommunalpolitik und Schutz der informationellen Selbstbestimmung der in Frankfurt lebenden Menschen

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir wenden uns mit diesem Schreiben an Sie, weil wir davon ausgehen, dass nach dem Ergebnis der Kommunalwahl am 6. März 2016 zwischen den Fraktionen von CDU, FDP, Grünen und SPD Gespräche über die künftige Ausrichtung der Kommunalpolitik in Frankfurt stattfinden und in der Folge eine wie auch immer geartete Koalition ihre Arbeit in der Stadtverordnetenversammlung und im Magistrat aufnehmen wird.

Auch in Frankfurt haben Verletzungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung in den letzten Jahren an Umfang zugenommen. Neben weltweiten (Stichwort: Enthüllungen von Edward Snowden) lassen sich dafür auch lokale Ursachen benennen:  Die Videoüberwachung öffentlicher Räume durch öffentliche und private Kamerabetreiber wird nahezu ungebremst – und häufig ohne Rechtsgrundlage – weiter ausgebaut.

 Auch die Ämter und Betriebe der Stadtverwaltung beachten in Sachen Videoüberwachung die geltenden Rechtsgrundlagen nicht immer oder nicht ausreichend. So teilte uns der behördliche Datenschutzbeauftragte der Stadt Frankfurt nach Beschwerden in mehreren Fällen mit: „Unsere Recherchen haben ergeben, dass es hier in der Tat datenschutzrechtliche Unzulänglichkeiten gibt.“

 Auch bei der Stadt Frankfurt werden Datensammlungen angelegt, deren Rechtgrundlage zweifelhaft ist. Als Beleg sei hier auf die Protokollierung von Nutzerdaten des kostenlosen Internetangebots in der Stadtbücherei verwiesen.

Ämter der Stadtverwaltung nutzen vereinzelt Adressdaten Frankfurter EinwohnerInnen, um ihnen unverlangt Informationen zuzusenden. Ein Beispiel aus dem Jahr 2015 – hier das Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt in Zusammenarbeit mit dem Bürgeramt – haben wir auf unserer Homepage unter https://ddrm.de/erwischt-stadtfrankfurt-legt-melderecht-zu-eigenen-werbezwecken-grosszuegig-aus/ dokumentiert.

Zugleich fehlt es den Frankfurter BürgerInnen an wohnortnahen und (möglichst kostenfreien) Möglichkeiten, sich in datenschutzrechtlichen Fragen beraten zu lassen. Die Personalkapazität des Hessischen Datenschutzbeauftragten und des behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt ist dafür derzeit nicht ausreichend.

Aus den genannten Gründen möchten wir den Fraktionen von CDU, FDP, Grünen und SPD in der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt zu Beginn der Gespräche über mögliche neue politische Bündnisse im Römer einige Vorschläge unterbreiten. Deren Realisierung würde dazu beitragen, den Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung für die EinwohnerInnen Frankfurts zu erhöhen.

1.

Schaffung eines unabhängigen Frankfurter Datenschutzbüros

Ein Konzept dafür haben wir bereits in der Sitzung des Ausschusses für Recht, Verwaltung und Sicherheit der Stadtverordnetenversammlung Frankfurt am 18.03.2013 vorgestellt. Dieses Konzept, über dessen inhaltliche Ausgestaltung und Weiterentwicklung wir das Gespräch mit Ihnen suchen, ist als Anlage zu diesem Schreiben beigefügt.

2.

Wildwuchs und Rechtsverstöße bei der Videoüberwachung im öffentlichen Raum verhindern

Dazu zählen unterschiedliche Aspekte:

 Einer Ausweitung der vom Frankfurter Polizeipräsidenten im Februar 2016 geforderten Videoüberwachung auf vier weitere Standorte in der Frankfurter Innenstadt sollten Sie ablehnen. Videoüberwachung führt – für sich genommen – nicht zu einer Erhöhung des Schutzes von Leib, Leben und Eigentum. Das musste der Polizeipräsident Anfang März 2016 schmerzlich auf dem eigenen Grundstück feststellen. Dass Videoüberwachung einzelner öffentlicher Räume durch die Polizei lediglich einen örtlichen Verdrängungseffekt, aber keine Reduzierung von Kriminalität zur Folge hat, dürfte unstrittig sein. In der Logik des Polizeipräsidenten gedacht, müsste daher der öffentliche Raum vollständig und flächendeckend überwacht werden. Eine Horrorvorstellung für alle, die eine freiheitliche Gesellschaft erhalten möchte.

 Der Magistrat als für die Stadtverwaltung handelndes Gremium muss sicherstellen, dass Ämter und Betriebe der Stadtverwaltung bei Errichtung und Betrieb von Videoüberwachungsanlagen geltende Rechtsgrundlagen beachten und Videoüberwachung – sofern irgendwo notwendig – auf die Grenzen der städtischen Liegenschaften reduzieren. Benachbarter öffentlicher Raum darf nicht im Visier der Kameras sein.

 Der Magistrat als für die Stadtverwaltung handelndes Gremium muss sicherstellen, dass Ämter und Betriebe der Stadtverwaltung die von Ihnen betriebenen Videoüberwachungsanlagen in einem Kataster erfassen. Aus unserer Sicht sollte dieses Kataster beim behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt geführt werden. Es sollte öffentlich einsehbar sein. Dass dies unkompliziert und rechtskonform möglich ist, beweisen die Veröffentlichungen der Polizei in Niedersachsen über die von ihr betriebenen Überwachungskameras

(siehe http://www.mi.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=35327&article_id=1269 54&_psmand=33).

 Der Magistrat als für die Stadtverwaltung handelndes Gremium muss sicherstellen, dass die bei der Verkehrsüberwachung eingesetzten sogenannten Detektoren entweder einer Videokamera nicht zum Verwechseln ähnlich sehen oder als solche gekennzeichnet werden. Dies dient dazu, einer Gewöhnungswirkung bei den Frankfurter BürgerInnen, einer Überwachung ausgesetzt zu sein, entgegen zu wirken.

Wir erwarten von der Stadt Frankfurt, dass sie in diesem Problemfeld der Verteidigung der informationellen Selbstbestimmung der Frankfurter BürgerInnen Vorrang einräumt vor Forderungen, die dieses Grundrecht untergraben würden.

3.

Anonymisierte streckenabhängige Tarifgestaltung beim RMV

Vor der Kommunalwahl hatten wir Sie über unsere Kritik am Pilotprojekt RMVsmart und das von uns erarbeitete Alternativkonzept einer elektronischen Streifenkarte unterrichtet. Wir erwarten von der Stadt Frankfurt als größter kommunaler Körperschaft im RMV, dass sie einer Erhebung von personenbezogenen Nutzerdaten im öffentlichen Nahverkehr entschieden widerspricht und den RMV auf das geltende Recht zur Datenvermeidung nachdrücklich hinweist.

4.

Keine Erfassung und Verarbeitung personenbezogener Daten durch Ämter und Betriebe der Stadt Frankfurt ohne Rechtsgrundlage

Wir verweisen dazu auf die eingangs geschilderten Probleme in der Stadtbücherei und beim Presse- und Informationsamt sowie beim Bürgeramt. Hier scheint innerhalb der Stadtverwaltung Frankfurt noch ein hoher Aufklärungsbedarf über zu beachtende datenschutzrechtliche Regelungen zu bestehen.

5.

Verbesserung der Arbeitsfähigkeit des behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt

Um die auf der Grundlage des Hessischen Datenschutzgesetzes und anderer zu beachtender Rechtsgrundlagen bestehenden Aufgaben wahrnehmen zu können, ist die Zahl der Planstellen im Bereich des behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt zum nächstmöglichen Zeitpunkt um mindestens zwei zu erhöhen.

6.

Wiederinkraftsetzung der Informationsfreiheitssatzung der Stadt Frankfurt

Noch immer beklagen wir, dass Hessen zu einem der wenigen Bundesländer gehört, die kein Informationsfreiheitsgesetz haben. Ein entsprechender Vorstoß der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag ist erst kürzlich am Widerstand der Regierungsparteien gescheitert. Die Stadt Frankfurt hatte für einen kurzen Zeitraum einen Gegenakzent gesetzt durch eine eigene Informationsfreiheitssatzung. Informationsansprüche der BürgerInnen über die Vorhaben und Arbeitsweisen der kommunalen Verwaltung werden durch diese Regelung unterstützt. Diese Satzung wurde aber nie hinreichend unter den FrankfurterInnen bekannt gemacht – weder welche Ansprüche bestehen, noch wie und wo man sie geltend machen kann. Daher waren zwei Jahre eine viel zu kurze und nicht auswertbare Zeit, um über Nutzen und Wirksamkeit eine verlässliche Aussage zu treffen. Die Informationsfreiheitssatzung sollte daher (ggf. mit noch weiter gefassten Informationsrechten) wieder in Kraft gesetzt werden, wenigstens für 5 Jahre gelten und anfangs mit einer Informationskampagne versehen den Frankfurter BürgerInnen nahe gebracht werden.

Mit freundlichen Grüßen

dieDatenschützer Rhein Main

http://ddrm.de/

gez. Uli Breuer

gez. Roland Schäfer

gez. Walter Schmidt

Nachrichtlich auch an

 dFfm, ELF, Linke, Ökolinx, Piraten

 behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt dieDatenschützer Rhein Main

 

Entwurf: Satzung zur Errichtung eines Unabhängigen Frankfurter Datenschutzbüros § 1

(1) Die Stadt Frankfurt am Main richtet als eigene kommunale Behörde ein unabhängiges Datenschutzbüro ein. Seine Errichtung erfolgt zum 1. Juli 2013.

(2) Die Stadtverordnetenversammlung wählt mit einer Mehrheit von 2/3 ihrer Stimmen die Leiterin/ den Leiter des Datenschutzbüros, die/ der über eine umfassende Fachkunde und praktische Erfahrungen auf dem Gebiet des Datenschutzes verfügt. Diese/r stellt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter administrativer Unterstützung des Personalreferats selbständig ein.

§ 2

(1) Die Aufgaben des Datenschutzbüros umfassen

1. Beratung,

2. Schulung,

3. Aufklärungs- und

4. Öffentlichkeitsarbeit.

(2) Die Beratung dient allen Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern. Sie umfasst die Themen Datenschutz im Umgang mit Behörden, Verbraucherdatenschutz und Beschäftigtendatenschutz. Sie wird in den verschiedenen Stadtteilen dezentral angeboten. Soweit es zu Bürgerbeschwerden kommt, dient die Beratung auch dazu, jene unbürokratisch an die zuständigen Aufsichtsbehörden weiter zu leiten.

(3) Alle vorhandenen öffentlichen Träger von Bildungsmaßnahmen in Frankfurt, insbesondere Schulen und Volkshochschulen, werden durch Referentendienste des Büros ergänzt und unterstützt. Hiesige nichtöffentliche Träger können gebührenpflichtig eingebunden werden.

(4) Durch geeignete Veranstaltung oder Mitwirkung bei Veranstaltungen wirkt das Datenschutzbüro aufklärend im Dienst der Frankfurter Bürger; ebenso durch Verfassen oder Verbreitung von geeignetem Schrifttum, durch Mitwirkung in Rundfunk, Fernsehen und den elektronischen Medien.

(5) Das Datenschutzbüro betreibt Öffentlichkeitsarbeit, um Datenschutzthemen und seine Arbeit in den Bereichen Beratung, Schulung und Aufklärung hinreichend bekannt zu machen.

§ 3

Das Datenschutzbüro arbeitet unabhängig, d.h. es ist frei von Fach- und Rechtsaufsicht.

Maßnahmen der Dienstaufsicht dürfen diese Unabhängigkeit nicht beeinträchtigen. Das Datenschutzbüro stellt seinen fachlich qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die erforderliche Fortbildung zur Verfügung.

§ 4

Das Datenschutzbüro erhält aus dem städtischen Haushalt ein anfängliches Budget von 500 Tsd €. Das Budget wird jährlich um 20 Tsd € erhöht. Mit der Zeit soll die Finanzierung durch Zuschüsse des Bundes, des Landes Hessen sowie durch Einnahmen aus Bußgeldern und Gebühren zu bis zu 40% getragen werden.

 

(http://ddrm.de/) sind eine Gruppe des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (http://vorratsdatenspeicherung.de/), Partner der Aktion: Stoppt die e-Card! (http://www.stoppt-die-e-card.de/), Partner des Bündnis „Demokratie statt Überwachung“ (https://www.demokratie-statt-ueberwachung.de/) und Partner des Frankfurter Bündnis gegen TTIP, CETA und TISA (https://ttipstoppenffm.wordpress.com/).

Hervorgegangen ist die Gruppe aus der Volkszählungsbewegung „11gegenZensus11“. Die aktuellen Arbeitsschwerpunkte sind ein Unabhängiges Frankfurter Datenschutzbüro, die Videoüberwachung des öffentlichen Raums und von politischer Aktivitäten (Demonstrationen und Kundgebungen), die Elektronische Gesundheitskarte, die Vorratsdatenspeicherung sowie weitere Datenschutzthemen.

Ansprechpartner:

Uli Breuer, Tel.: 01796909360 – Roland Schäfer, Tel.: 01726820308 – Walter Schmidt, Tel.: 015221512453

Per E-Mail: : kontakt@ddrm.de

Spendenkonto: dieDatenschützer Rhein Main IBAN: DE 76 5009 0900 5148 1976 00 BIC: GENODEF1P06