Forderungen der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main zur hessischen Verfassung

erstellt von dieDatenschützer Rhein Main — zuletzt geändert 2017-07-27T10:38:06+01:00
Keine neue hessische Landesverfassung ohne Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und Transparenz staatlichen Handelns!

Der Hessische Landtag hat vor einigen Monaten eine Enquete-Kommission gebildet zur Überarbeitung der Hessischen Verfassung. Diese Kommission hat öffentlich alle hessischen Bürgerinnen und Bürger dazu aufgerufen, ihre Vorstellungen und Vorschläge mit einzubringen.

Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main hat diese Aufforderung des Hessischen Landtags aufgegriffen und am 25.07.2017 Anforderungen an den Inhalt einer neuen Hessischen Landesverfassung formuliert.

Die Anforderungen an die neue Hessische Landesverfassung lauten:

  • Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – einschließlich Zweckbindung und Datenminimierung
  • Das Recht auf Transparenz und Informationsfreiheit gegenüber allen hessischen Landes- und kommunalen Behörden
  • Selbstbestimmungsrecht auf analoges Leben muss Teil der Digitalisierung sein

Die Anforderungen wurden gegenüber der  Enquete-Kommission des Hessischen Landtags begründet. Diese Begründung ist im Dokument "Forderungen zur Hessischen Verfassung" zu finden.

Frankfurt, den 25.07.2017

Forderungen zur Hessischen Verfassung

1. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – einschließlich Zweckbindung und Daten- minimierung

2. Das Recht auf Transparenz und Informationsfreiheit gegenüber allen hessischen Landes- und kommunalen Behörden

3. Selbstbestimmungsrecht auf analoges Leben muss Teil der Digitalisierung sein.

Begründung:

Zu 1.: 

  • In Fortschreibung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes in seinem Volkszählungsurteil vom 15.12.1983, in dem es heißt:
    „Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß.“
  • ... ist der Begriff „informationelle Selbstbestimmung“ erstmals geprägt worden. Er ist präziser als der umgangssprachliche Begriff „Datenschutz“. Außerdem stellt dieser Begriff sicher, dass die Rechtstradition, Datenschutz mit der Menschenwürde zu verknüpfen, fortgeführt wird.
  • Im Kontext von Big Data Anwendungen und unkontrollierbarer Verbreitung persönlicher Informationen in Sozialen Netzwerken wurde die Notwendigkeit der Prinzipien „Zweckbindung“ und „Datenminimierung“ (früher: Datenvermeidung) in der öffentlichen Diskussion vermehrt infrage gestellt. Daher ist es erforderlich, diese beiden Grundsätze ausdrücklich in die Verfassung mit aufzunehmen, um zu unterstreichen, dass diese untrennbar mit dem Konzept von „informationeller Selbstbestimmung“ verknüpft sind.

Zu 2.:

  • Eine verbreitete – wenn auch nicht unstrittige – Rechtsauffassung zu Art. 5 (1) Grundgesetz verneint den freien Zugang zu Behördeninformationen. Um diesen Punkt klarzustellen, muss diese Transparenz ausdrücklich in die Hessische Verfassung aufgenommen werden.
  • Hessen gehört zu den letzten vier der 16 Bundesländer, die noch kein Transparenzgesetz haben. Die Verpflichtung durch die Hessische Verfassung beschleunigt einerseits deren Einführung und erschwert deren spätere Abschaffung oder Einschränkung.
  • Die Erfahrungen von Bürgerinnen und Bürgern, die z.B. dem Job-Center Offenbach (siehe dazu: https://ddrm.de/mainarbeit-kommunales-jobcenter-der-stadt-offenbach-zweifelhafter-umgang-mit-personalausweiskopien/ ) ausgeliefert sind oder waren, zeigen, dass ohne diese Transparenz Behördenwillkür Tür und Tor geöffnet sind. Nur mit der Rückendeckung eines Transparenzgesetzes (hier das des Bundes) konnte z.B. das Job-Center Frankfurt am Main (siehe dazu: https://ddrm.de/beschweren-nuetzt-jobcenter-frankfurtmain-sagt-zu-interne-arbeitsanweisungen-offen-zu-legen/ ) dazu gebracht werden, seine Richtlinien offenzulegen.

Zu 3.:

Es gibt Menschen und wird sie immer geben, die keinen Zugang zu Technik oder Digitalisierung haben. Diese Personengruppe darf nicht in ihrer sozialen Entfaltung eingeschränkt oder diskriminiert werden, indem sie ausgeschlossen wird, weil Informationen und Vorgänge ausschließlich digital zur Verfügung stehen. Ohne die analoge Alternative wird einer Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit genommen, ihre berechtigten Wünsche, Bedürfnisse und Rechte in Verfahren mit einfließen zu lassen. Der Ausfall von Technik durch Schadprogramme, Sabotage oder Katastrophen darf nicht dazu führen, dass es Einschränkungen der Bürgernähe und im Dienstleistungsniveau der hessischen Verwaltung gegenüber den hessischen Bürgerinnen und Bürgern gibt.

Die gesetzliche Regelung zur digitalen Signatur haben die Ansprüche für einen digitalen Ersatz der Schriftform soweit nach oben gesetzt, dass es bereits eine gesetzliche Wertung dahingehend gibt, dass die analoge Alternative unverzichtbar ist.

dieDatenschützer Rhein Main sind:
- eine Gruppe des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (http://vorratsdatenspeicherung.de/),
- Partner der Aktion: „Stoppt die e-Card!“ (http://www.stoppt-die-e-card.de/),
- Partner des Bündnis „Demokratie statt Überwachung“ (https://www.demokratie-statt-ueberwachung.de/),
Partner des Frankfurter Bündnis gegen TTIP, CETA und TISA (https://ttipstoppenffm.wordpress.com/) und
- Partner der „Initiative Finanzplatz Frankfurt“ (https://ddrm.de/wp-content/uploads/IfiF-Verfassung-201605.pdf).
Hervorgegangen ist die Gruppe aus der Volkszählungsbewegung „11gegenZensus11“.

Die aktuellen Arbeitsschwerpunkte sind ein unabhängiges Frankfurter Datenschutzbüro, die Videoüberwachung des öffentlichen Raums und von politischen Aktivitäten (Demonstrationen und Kundgebungen), die elektronische Gesundheitskarte, die Vorratsdatenspeicherung sowie weitere Datenschutzthemen.