Kritische Theorie muss praktisch werden!

erstellt von unter_bau — zuletzt geändert 2017-12-21T13:14:27+01:00
Studentinnen fordern reguläre Professur für kritische Theorie

Mit der Kampagne #BeziehungsweiseKritik bringen seit Mittwoch, dem 13.12.2017 Studentinnen und Dozentinnen der Goethe-Universität ihren Unmut über die Situation der kritischen Gesellschaftswissenschaften zum Ausdruck. Durch die derzeitige Fotoaktion fordern sie mehr kritische Lehrinhalte und Lehrende, eine Pluralität im Lehrangebot, sowie eine reguläre Professur für kritische Theorie. In Zeiten des gesellschaftlichen Rechtsrucks müsse die Goethe-Universität ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen, nationalistischen Strömungen entgegenzuwirken. Hierzu könne die Förderung der kritischen Gesellschaftswissenschaften signifikant beitragen.

Sowohl die Betreuungssituation im Bereich der kritischen Theorie, als auch das mehrheitliche Schweigen am Fachbereich 03 und der Universität im Allgemeinen zu den besorgniserregenden gesellschaftlichen Entwicklungen und Schieflagen ist unverantwortlich: kritische Theorie muss endlich praktisch werden! Dazu braucht es eine ordentliche Finanzierung der kritischen Gesellschaftswissenschaften“, fordert eine der Aktivistinnen.

 

Problemlage an der Goethe-Universität

Das Studium in Frankfurt verspricht eine Pluralität und Vielfalt in den Lehrinhalten. Diese ist aber besonders hinsichtlich kritischer Lehre nicht vorhanden. Stattdessen bestimmt die Drittmittelförderung sowohl Lehrinhalte als auch Forschung – kommerzielle Verwertbarkeit, die gerade durch diese Bereiche kritisch analysiert werden sollte, scheint also auch in den Gesellschaftswissenschaften tonangebend.

Nach außen ziert sich die Goethe-Universität mit den Namen historischer Vertreterinnen der Frankfurter Schule und Kritischen Theorie. Der reelle kritische Lehr- und Forschungsbetrieb findet hingegen kaum Platz, Anerkennung geschweige denn Finanzierung. Die maßlos überfüllten Seminare im Bereich der kritischen Theorien zeigen aber, dass Studentinnen gerade diesen unterrepräsentierten und -finanzierten Bereich lernen wollen – ihnen diese Möglichkeit aber an der Stiftungsuniversität – die gerade damit wirbt – verwehrt bleibt. Für die wenigen Dozentinnen kritischer Inhalte ist der Andrang der Studentinnen nicht mehr zu bewältigen. Studentinnen suchen teilweise über vier Semester nach Betreuerinnen für ihre Abschlussarbeiten.

Die unsichere Gastprofessur für kritische Theorie, um deren Verlängerung jedes Jahr gerungen und gebangt werden muss, reicht nicht aus. Nur die Verbindung von einer regulären Professur und einer verstetigten Gastprofessur kann den gesellschaftlichen Aufgaben gewachsen sein. So können neue emanzipatorische Impulse für akademische, gesellschaftliche und soziale Dynamiken entstehen.

Durch die prekäre Situation der kritischen Gesellschaftswissenschaften werden neue Anstöße gesellschaftlicher Transformationen und die Ideenbildung alternativer Gesellschaftsformen unterbunden und verhindert. Dies ist in Zeiten, in denen wieder nationalistische Parolen im Bundestag ertönen unverantwortlich.

Weiterbeschäftigung von Prof. Dr. Daniel Loick

Als besonderes relevantes Anliegen der Studentinnen hebt sich die Lehre und Forschung von Prof. Dr. Daniel Loick hervor. Prof. Loick ist der Goethe-Universität schon lang verbunden, hat selbst in Frankfurt studiert, promoviert und wurde 2001 zum Asta-Vorsitzenden gewählt. Seine Stelle endet jedoch zum April 2018. Für die Goethe-Universität wäre der Abschied von einem so engagierten Dozenten und international renommierten Forschers ein herber Verlust. Allein während seiner Gastprofessur hat er drei Monographien publiziert und war an zahlreichen Herausgeberschaften und Artikeln beteiligt. Für viele Studierende sind seine Lehrveranstaltungen zu Themen wie „Neuere kritische Theorien“ und „Beyoncé Lemonade“ (Black Feminism) ein Meilenstein auf dem Weg zur eigenen politischen Identität. Sie fordern deshalb eine reguläre Professur für kritischer Theorie mit ihm zu besetzen.

unter_bau, Frankfurt am Main, 18. Dezember 2017

Weitere Infos auf: https://www.facebook.com/BeziehungsweiseKritik/