Offene Häfen und solidarische Verantwortungsteilung

erstellt von Pro Asyl — zuletzt geändert 2019-02-01T11:46:56+01:00
statt Schiff-für-Schiff-Lösung

In einem offenen Brief fordern PRO ASYL und über 30 andere Organisationen verbindliche Regelungen zur Ausschiffung von Schutzsuchenden in Europa.

In dem von PRO ASYL mitgezeichneten Brief an Bundesjustizministerin Barley und Bundesinnenminister Seehofer fordern die Organisationen die Unterstützung von Such- und Rettungsmaßnahmen und eine Ende der Blockade von Schiffen, die Menschen aus Seenot gerettet haben.

In dem Appell, der auch an den nächsten EU-Rat für Justiz und Inneres geht, heißt es: »Angesichts der dringenden Notwendigkeit von Maßnahmen zur Aufteilung der gemeinsamen Verantwortung und der Hindernisse für eine EU-weite Lösung sollten unverzüglich Vereinbarungen getroffen werden und die teilnehmenden Staaten sollten von Anfang an feststehen, nicht auf einer ‚Schiff-für-Schiff‘-Basis.«
Seit Sommer 2018 sind die Häfen in Italien und Malta für Schutzsuchende weitgehend geschlossen. Die Erlaubnis Schiffe, die Schutzsuchende gerettet haben, anlanden zu lassen, wird an die Bereitschaft anderer Mitgliedstaaten geknüpft, diese Personen aufzunehmen.

Die teils wochenlange Wartezeit auf den Schiffen setzt die Gesundheit der Betroffenen aufs Spiel. Die Schließung der Häfen verletzt grundlegende Menschenrechte der Schutzsuchenden. Der Zugang zu einem Asylverfahren wird ihnen verwehrt.

Schutzsuchenden, die über das Mittelmeer nach Europa fliehen, darf die Anlandung nicht verweigert werden. Nach geltendem Seerecht und der Genfer Flüchtlingskonvention müssen sie in den nächsten sicheren Hafen gebracht werden. Die Zusammenarbeit mit der »libyschen Küstenwache« muss sofort eingestellt werden. In Libyen werden die Menschenrechte von Schutzsuchenden massiv verletzt. Die EU muss sicherstellen, dass es den Menschen möglich ist, diesem Elend zu entkommen und sie auf dem Weg nach Europa nicht ihr Leben verlieren.

Der Auslöser der jetzigen Krise ist die Schließung der italienischen und maltesischen Häfen. Sie ist auch eine Folge von fehlenden legalen Zugangswegen in die EU, einem unsolidarischen Aufnahmesystem innerhalb der EU und der rechtspopulistischen Hetze in Staaten wie Italien, die das Regierungshandeln prägt.

»Der Schlüssel zur Lösung liegt vor allem in Brüssel, Berlin und Paris«, so Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL, »Seenotrettung und Zugang zu Schutz sind europäische Aufgaben. Wir erwarten eine Initiative von Deutschland und Frankreich. Bei aller Kritik an Italien und Malta, es braucht eine strukturelle Lösung. Das Sterben auf dem Meer betrifft uns alle. Das menschenunwürdige Geschachere auf höchster politischer Ebene bei jedem Schiff muss aufhören. Das Abdrücken der Verantwortung auf die EU-Grenzstaaten muss enden«.

Bis eine europäische Lösung für Schutzsuchende nach einem solidarischen Prinzip der Verantwortungsteilung gefunden wird, braucht es einen verbindlichen Ablauf zur Aufnahme und Verteilung:

Die teilnehmenden Mitgliedstaaten legen unter sich einen Verteilungsschlüssel fest. Dieser gilt für jede Anlandung und wird nicht mehr von Fall zu Fall ausgehandelt werden.

Nach der Anlandung in dem Mitgliedstaat werden die Geretteten registriert und haben die Möglichkeit, ihr Schutzgesuch zu stellen. Die Aufnahme wird menschenwürdig organisiert, Schutzsuchende nicht inhaftiert oder in Lagern isoliert.

Zur solidarischen Aufnahme findet der Rahmen der geltenden Dublin III-Verordnung Anwendung: Schutzsuchende mit familiären Bindungen in anderen EU-Mitgliedstaaten reisen zu ihren Angehörigen. Darüber hinaus nehmen die teilnehmenden Mitgliedstaaten – wie schon bisher – die Betroffenen nach der »humanitären Klausel« auf.

PRO ASYL unterstützt deshalb den vom Europäischen Flüchtlingsrat ausgearbeiteten Vorschlag.

Für die EU ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit: Keine Reform ist für diesen Vorschlag notwendig, kein Gesetz wird geändert. Es ist lediglich die Anwendung geltenden Rechts bis eine nachhaltige, europäische Lösung gefunden ist.

Pro Asyl, Presseerklärung, 1. Februar 2019