Räume für Roma

erstellt von U. Holler, E. Abendroth, H. Dieter — zuletzt geändert 2017-01-10T20:48:02+02:00
Unterschriftensammlung zur Unterstützung des Fördervereins Roma.

Liebe Bekannte, 4.1.17

diese Anrede schreiben wir im Doppelsinn, denn nachdem der erste Offene Brief „Räume für Roma“ mit 350 Unterschriften während des Wahlkampfes im Frühjahr keine Wirkung bei den politischen Adressaten zeigte, suchen wir nun UnterstützerInnen aus dem öffentlichen Leben. Wir hoffen, dass auch der Zeitpunkt dieses Mal günstiger ist: der Weihnachtstrubel ist überstanden, die besinnlichen Tage führten zu guten Vorsätzen für das Neue Jahr. Nun geht es um die guten Taten. Es gab schon viele Unterschriftsaktionen, aber für die Menschenrechte der Roma, bei denen es sich um die zweitgrößte Opfergruppe des Naziterrors handelt, haben sich nur wenige engagiert.

In Frankfurt hat der Förderverein Roma seit Jahren eine vorbildliche Integrationsarbeit aufgebaut. Die Beratungs- und Ausbildungsprojekte mussten wegen der Kündigung der Räume bereits in ein Notquartier umziehen, das ist aber nur kurz befristet nutzbar Sie stehen nun vor dem Aus! Dabei könnte der Förderverein ortsübliche Mieten zahlen, denn die professionelle Arbeit erhält EU-Mittel. Dass es trotz dieser Garantie und guter Referenzen einerseits und bei dem großen Leerstand von Gewerberäumen andererseits, noch zu keinem Vertragsabschluss kam, ist irritierend und macht das Eingreifen der Behörden immer dringlicher.

Im Moment geht es konkret um eine Liegenschaft in städtischer Verwaltung. Dies wäre ein aus der Not geborener Kompromiss, weil nur die Bildungsprojekte dort Platz hätten. Entgegen Presseberichten gibt es aber auch hierfür noch keine Zusage!

Wir wollen die Verantwortlichen veranlassen, ihrer geschichtlichen und gegenwärtigen Verantwortung gemäß, die besonderen Integrationsbemühungen des „Förderverein Roma“ großzügig zu unterstützen d.h. kurzfristig geeignete Räume zur Verfügung zu stellen und langfristig diese Arbeit zu konsolidieren.

Bitte unterzeichnen Sie den folgenden Aufruf „Räume für Roma“ und werben Sie auch bei Kolleginnen aus Kultur, Wissenschaft und öffentlichem Leben dafür.

Der Brief soll baldmöglichst an die Adressaten aus der Verwaltung gehen.

Herzlichen Dank

Ulrike Holler Elisabeth Abendroth Helga Dieter

BITTE UNTERSTÜTZEN SIE DEN FOLGENDEN BRIEF DURCH UNTERSCHRIFT

unter Angabe von:

Titel, Funktion, Institution / Name / Vorname / Adresse

Koordination und Kontakt

Helga Dieter ubihedi(at)t-online.de

 

„Räume für Roma“

An den Oberbürgermeister der Stadt Frankfut

An die Dezernenten und Fraktionen im Magistrat der Stadt Frankfurt

An die Liegenschaftsverwaltung der Kirchenbehörden und Sozialverbände

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister

Sehr geehrte Frau Dezernentin

Sehr geehrter Herr Dezernent

Sehr geehrte Damen und Herren 4.Januar 2017

Seit einem Jahr sucht der „Förderverein Roma“ dringend nach neuen Räumen, um die wichtige Beratungs-, Jugendhilfe- und Bildungsarbeit fortsetzen zu können, die er in den letzten Jahren erfolgreich aufgebaut hat. Mitten im Bahnhofsviertel hat sich ein vielfältiges, auf die besonderen Erfahrungs- und Lebensumstände der Roma bezogenes Angebot entwickelt, das auch außerhalb als beispielhaft geschätzt wird.

Nicht viele Dokumente sind zur Geschichte der Roma und Sinti erhalten, deshalb findet das dortige Archiv reges Interesse.

Im Frühjahr 2016 unterstützte eine Initiative in einem Offenen Brief, der von 350 BürgerInnen unterzeichnet worden ist, das Anliegen und hoffte, dass jenseits der Wahlen parteiübergreifend ein Zeichen für die historische Verantwortung,, die aktuelle Bedrängnis und künftige Integrationsförderung der Roma gesetzt würde. Diese Chance wurde nicht genutzt.

Die Bemühungen des Fördervereins blieben seit einem Jahr erfolglos. Er besichtigte viele Objekte. Durch die EU-Förderung der Bildungsprogramme könnte er langfristig ortsübliche Mieten zahlen. Doch es kam trotz Garantien und Referenzen bisher zu keinem Vertragsabschluss. Warum wohl?

Deshalb wollen wir in einem weiteren Bürger-Appell deutlich davor warnen, dass Sinti und Roma noch weiter ins gesellschaftliche Abseits gedrängt werden.

Für die Betroffenen ist ein geschützter Raum zur angstfreien Begegnung und zum spontanen Austausch emotional stabilisierend. Die Gelegenheit zur kompetenten Beratung, beruflichen Fortbildung und Orientierung ist grundlegend für den Integrationsprozess ohne fremden Anpassungszwang Ein Dokumentarfilm des hr zeigt die Praxis dieser Arbeit und die Wirkung bei den Jugendlichen. Die Finanzierung durch EU-Mittel weist auf das hohe Niveau an Professionalität hin.

In letzter Zeit wurden die Roma zwangsweise in ihre „Heimat“ in den Balkanländern abgeschoben, die zuvor zu „Sicheren Staaten“ erklärt worden waren. Die meisten der Jugendlichen sind in Deutschland geboren oder aufgewachsen. Sie hatten nie eine Staatsbürgerschaft außer der „gefühlten“ deutschen. (Der „Förderverein Roma“ hat kürzlich einen Dokumentarfilm über die ohnmächtige Angst vieler Jugendlicher vor der täglich drohenden Abschiebung gezeigt, “Awakeness“).

Die erste Demonstration von Roma in Frankfurt war im Mai 2016 für viele eine völlig neue Erfahrung: In der Öffentlichkeit von der Polizei geschützt zu werden, ein Anliegen vorzutragen und dabei von einigen BürgerInnen Beifall zu erhalten, machte sie zuversichtlich. Als dann noch die frohe Botschaft verkündet wurde, dass der scheidende Stadtrat Cunitz dem Förderverein ein Haus in der Moselstraße zugesagt hat, herrschte frohe Stimmung. Doch das Versprechen platzte.

Derzeit wird erneut geprüft, ob ein Projekt in der Verwaltung des Liegenschaftsamtes an den Träger vermietet werden kann. Dort könnten zumindest die Bildungsprojekte untergebracht werden. Der Verein müsste noch Räume für die Verwaltung, Geschäftsleitung und das Archiv suchen.

Beim Leerstand von Büroräumen in Frankfurt und Überschüssen im Haushalt müsste die Suche eigentlich ein lösbares Problem sein. Auch die Kirchen und Sozialverbände verfügen über Immobilienbestände.

Wir verfolgen hier keine utopischen Ziele, sondern eine konkrete Forderung zum Wohle des Zusammenlebens in einer Stadt mit kultureller Vielfalt der Lebensstile, die sich nicht nur in glitzernden Fassaden spiegeln.

Das Geringste, was wir tun können ist, den „Förderverein Roma“ bei der Suche nach Räumen aktuell zu unterstützen und an Sie als moralischer und politischer Entscheidungsträger zu appellieren.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

In der Hoffnung auf die baldige Lösung des Problems

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner

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Fußnote Hintergrund unseres Anliegens

Roma und Sinti waren mit 500.000 Ermordeten die zweitgrößte Gruppe der Naziopfer. Nur 4000 b is 5000 überlebten die Konzentrationslager.

Diese Verfolgung der Roma und Sinti wurde von vielen als berechtigte Folge ihres abweichenden Lebenswandels empfunden. Am 17.02.2016 wurde nach 60 Jahren ein Urteil aufgehoben, das den Roma eine Entschädigung verweigerte, weil ihre Verfolgung durch „eigene Assozialität, Kriminalität und Wandertrieb" selbst verschuldet sei.

Den Roma wurde damals nicht nur die Entschädigung verweigert, sie wurden auch bruchlos weiter diskriminiert So haben Nazi-Mediziner im Stadtgesundheitsamt Frankfurt bis in die 60er Jahre rassistische Registrierungen vorgenommen.

In einigen Studien wird nachgewiesen, dass die Traumatisierung bei Kindern und Enkeln von KZ-Opfern fortwährt. Dies gilt auch für die Nachkommen der ermordeten oder überlebenden Roma. Doch das ist kein öffentliches Thema, Die tägliche Erfahrung der Roma ist nicht die Einfühlung in ihre Leidensgeschichte als Volk, sondern Diskriminierung und Rechtlosigkeit als Angehörige dieses Volkes.