Union Busting durch I-SEC & Naujoks: Demo gegen Straflosigkeit in Frankfurt

erstellt von aktion ./. arbeitsunrecht — zuletzt geändert 2018-03-10T18:39:18+01:00
Protestmarsch vom Arbeitsgericht Frankfurt zur Staatsanwaltschaft. Schutz von Betriebsräten und Bestraftung krimineller Unternehmer gefordert

Gewaltenteilung bei Unternehmerkriminalität gegen Betriebsräte. Staatsanwaltschaften schauen bei Betriebsratsbehinderung weg. Gerichte arbeiten geradezu treudoof juristische Nachstellungen ab, während die zuständigen Regierungen sich weigern, notwendige Gesetzesänderungen vorzunehmen und Schwerpunktstaatsanwaltschaften einzurichten. So entsteht ein rechtsfreier Raum, der dazu führt, dass nur noch in schätzungsweise 9% aller deutschen Betriebe Betriebsräte existieren.

Unterschriften-Sammlung zum Schutz von Betriebsräten gestartet

Über 30 Personen folgten am 7. März 2018 einem Aufruf der aktion ./. arbeitsunrecht und nahmen an Kundgebungen vor dem Arbeitsgericht Frankfurt, an der Konstablerwache und vor der Staatsanwaltschaft Frankfurt teil. Gemeinsam zogen Gewerkschafter_innen, Betriebsratsmitglieder, linke Aktivisten und Bürgerrechtler_innen durch die Frankfurter Innenstadt. Sie forderten ein Ende der Straflosigkeit für Vergehen gegen Betriebsräte und gewerkschaftliche Organisierung in Hessen. Der Demozug rief: „Es hilft kein Facebook, es hilft kein Twitter: Union Buster hinter Gitter!“ und „Denk ich an das Arbeitsrecht, wird der beste Handkäs schlecht!“ (1)

Strafanzeigen wegen Betriebsratsbehinderung werden von hessischen Staatsanwälten routinemäßig niedergeschlagen oder eingestellt und haben noch nie zu einer Verurteilung geführt.

Der Betriebsratsfresser Helmut Naujoks sagt in letzter Zeit oft Gerichtstermine wegen Krankheit ab. Tatsächlich sieht er derzeit ungesund aus. Er hat große Probleme zu gehen. Seine Körperfülle hat sich im Vergleich zu früheren TV-Auftritten fast verdoppelt, selbst ein kurzer Fußmarsch bringt ihn ins Schwitzen, so dass sich tatsächlich die Frage stellt, ob er als Anwalt generell arbeitsfähig bzw. als mutmaßlicher Straftäter eventuell haftunfähig ist.

Die aktion ./. arbeitsunrecht startete eine Unterschriften-Sammlung, um den hessischen Generalstaatsanwalt Helmut Fünfsinn zu einer Kursumkehr zu bewegen:

  • Aggressionsbereite, kriminelle Unternehmer durch empfindliche Strafen abschrecken!
  • Betriebsräte und Betriebsratswahlen durch beherztes Eingreifen schützen!
  • Die Überlastung hessischer Arbeitsgerichte durch juristische Nachstellungen (Stalking) und institutionellen Rechtsmissbrauch eindämmen!

Über folgenden Link können Unterschriften geleistet und Protest-Emails versandt werden: 
https://arbeitsunrecht.de/generalstaatsanwaltschaft-hessen-betriebsraete-schuetzen/

An den Protesten beteiligten sich neben vielen Einzelpersonen und Beschäftigten der Firmen Fraground, I-SEC, Travelex folgende Organisationen: Die Linke, SDAJ, ver.di, DGB.

Anlass war ein Prozessterminen zur Demontage des Betriebsrats beim Security-Dienstleister I-SEC am Frankfurter Flughafen. Das I-SEC-Management nutzt dafür die Dienste des berüchtigten Hardcore-Arbeitsrechtlers Helmut Naujoks, der nach Auffassung der aktion ./. arbeitsunrecht mit schmutzigen und teils kriminellen Methoden vorgeht. Sein Geschäftsmodell als Union Buster beruht zum großen Teil auf der Untätigkeit deutscher Staatsanwaltschaften, die einen rechtsfreien Raum lassen. Unternehmerkriminalität in Arbeitsbeziehung gilt in Hessen offenbar als Kavaliersdelikt.

Prozesstermin ohne Öffentlichkeit? Verstoß gegen Gerichtsverfassungsgesetz

Zahlreiche Prozessbeobachter fühlten sich vom Arbeitsgericht Frankfurt regelrecht verarscht. Zum einen hatte das Gericht trotz angemeldeter Proteste keinen angemessenen Sitzungssaal bereit gestellt, zum anderen kamen die Prozessparteien ohne öffentliche Verhandlung bereits um 11:00 Uhr, also zum angekündigten Prozesstermin, aus dem Saal und erklärten, es gäbe keine Verhandlung. Arbeitsrechtler sehen darin einen glatten Verstoß gegen die Öffentlichkeitsvorgaben des Gerichtsverfassungsgesetzes, denn Prozessbeobachter hatten keine Gelegenheit an der Sitzung teilzunehmen. Die aktion ./. arbeitsunrecht prüft eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Präsidenten des Arbeitsgerichts.

Betriebsrat im Fadenkreuz, weil er gut arbeitet

Der Gewerkschaftssekretär Guido Jurock (ver.di Fachbereich 13, besondere Dienstleistungen) wies bei der Kundgebung an der Konstablerwache darauf hin, dass der I-SEC Betriebratsvorsitzende und sein Stellvertreter nicht zufällig ins Fadenkreuz des Union Busting geraten seien, sondern weil sie ihre Arbeit als Interessenvertreter der Beschäftigten in der Flugsicherung gut gemacht hätten. Sie hatten auf Neueinstellungen gepocht, um die systematische Unterversorgung an Personal zu beenden. Jurock nannte es einen Skandal, dass der I-SEC-Manager Glenn Murphy gleichzeitig stellvertretender Präsident des Arbeitgeberverbands BDLS (2) sei. Jurock kündigte bei den anstehenden Tarifverhandlungen im Sicherheitsgewerbe eine harte Gangart gegenüber dem BDLS an.

Personalmangel gefährdet Flugsicherheit

Hinter der systematischen Betriebsratszermürbung stehen Profitinteressen, die die Flugsicherheit am Airport Frankfurt gefährden. Das Heer der rund 1.400 I-SEC-Beschäftigten müsste rein rechnerisch um etwa 150 Beschäftigte erweitert werden, um tausende Überstunden im Monat zu verhindern. Die Personalknappheit führt zu massiver Arbeitsverdichtung, Stress und Konzentrationsmängeln bei den Sicherheitskontrollen.

Die Bundestagskandidatin der hessischen Linken, Monika Christann, erklärte ihre Solidarität und schilderte haarsträubende Fälle aus ihrer Arbeit als Gewerkschaftssekretärin. Sie forderte die Einrichtung einer Sonderstaatsanwaltschaft zur Verfolgung von Betriebsratsbehinderung und Arbeitsunrecht in Hessen.

Dazu sagte Elmar Wigand, Sprecher der aktion./.arbeitsunrecht: Wir gehen davon aus, dass die Naujoks-Fälle I-SEC und Travelex nur die Spitze des Eisbergs sind. Bereits im November 2011 geschah ein eklatanter Fall von Betriebsratsbekämpfung in Frankfurt: Ein Betriebrat der Steakhaus-Kette Maredo in der Frankfurter Fressgass wurde mit hoher krimineller Energie trotz massiver Proteste letztendlich erfolgreich zerschlagen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hat daraus offenbar nicht die notwendigen Schlüsse gezogen.

Behörde reagiert widerwillig

Elmar Wigand und zwei Begleitern gelang es erst nach einiger Mühe, in die Poststelle der Staatsanwaltschaft Frankfurt zu gelangen, um dort das Buch „Die Fertigmacher“ (3) und die Broschüre „Union Busting in Deutschland“ (4) an Staatsanwältin Stefanie Queißer, Oberstaatsanwältin Nadja Niesen (Pressesprecherin) und Generalstaatsanwalt Helmut Fünfsinn zu übersenden. Auch eine Empfangsbestätigung stellte die Poststelle nur nach einer mündlichen Nachschulung in Sachen Bürgerrechte und Behörden-Pflichten aus. Insgesamt reagierte der gesamte Apparat unfreundlich bis widerwillig auf das Anliegen der Demonstranten und Sprechchöre wie: „Herr Staatsanwalt genug geschlafen, Arbeitsunrecht schreit nach Strafen!“

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte am 23.11.2017 bestätigt, dass sie wegen Betriebsratbehinderung (§119 BetrVG) im Fall I-SEC ermittelt. Doch Ergebnisse waren in den folgenden Monaten nicht messbar. Es wäre die Aufgabe der Behörde gewesen, das kriminelle Treiben des Managements und ihres Beraters Helmut Naujoks nicht nur aufzuklären, sondern ihnen im Vorfeld der anstehenden Betriebsratswahlen im Mai 2018 in den Arm zu fallen. Denn um die Beeinflussung und Sabotage der Betriebsratswahlen ging es im Kern. Die Staatsanwaltschaft schaute tatenlos zu. Der BR-Vorsitzenden und sein Stellvertreter haben seit Monaten aufgrund von abstrusen Hausverboten und entgegen richterlicher Anordnungen keinen Zugang zu Betriebsräumen und Kollegen. Die anstehenden Betriebsratswahlen bei I-SEC sind somit jetzt schon zur Farce geworden.

Was soll das nun wieder? Verfahren nach Darmstadt verschoben

Inzwischen sickerte durch, dass die Zuständigkeit von Stefanie Queißer zur Staatsanwaltschaft Darmstadt gewandert sein soll. Auch dieses Verschiebe-Manöver wirkt zweifelhaft. Grund sei der offizielle Unternehmenssitz der I-SEC, die in Kelsterbach ihren Hauptbriefkasten betreibt. Allerdings unterhält das I-SEC Konglomerat mit Sitz in den Niederlanden ein ganzes Dickicht an Briefkästen und Sub-Unternehmern in Europa. Maßgeblich sollte vielleicht besser der Tatort der kriminellen Handlungen sein: Der Frankfurter Flughafen.

Presseberichte
Martin Brust: Union Busting –  Etappensieg für Betriebsräte. Der Sicherheitsdienstleister I-SEC kann sich vor Gericht mit einer Kündigung nicht durchsetzen, Frankfurter Rundschau, 8.3.2018 http://www.fr.de/wirtschaft/union-busting-etappensieg-fuer-betriebsraete-a-1462252

Thomas J. Schmidt: Betriebsratsarbeit – Gruppe Gewerkschaftler bemängelt Zustände in Unternehmen, Frankfurter Neue Presse, 8.3.2018 http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Gruppe-Gewerkschaftler-bemaengelt-Zustaende-in-Unternehmen;art675,2927243

Hintergrund-Informationen
Dossier I-SEC Deutsche Luftsicherheit GmbH. Warum wurde I-SEC für den Aktionstag Schwarzer Freitag, 13. April 2018 nominiert? https://aktion.arbeitsunrecht.de/de/schwarzer-freitag/i-sec

Betriebsräte stärken, kriminelle Unternehmer bekämpfen! Forderungen und Vorschläge der aktion ./. arbeitsunrecht zur Reform der betrieblichen Mitbestimmung https://arbeitsunrecht.de/betriebsraete-staerken-kriminelle-unternehmer-bekaempfen/

Wasi Hessen Netzwerk für Sicherheitsbeschäftigte http://wasi-hessen.de/i-sec-arbeitsgericht-kuendigung-br/

Fußnoten
(1) Handkäs ist eine recht würzig duftende regionale Spezialität aus der Gruppe der Sauermilchkäse.

(2) Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen https://www.bdls.aero/verband/das-praesidium

(3) Werner Rügemer / Elmar Wigand: Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und Union Busting, papyrossa Verlag, 3. erweitertere Auflage, Köln 2017. http://shop.papyrossa.de/ruegemer_wigand_fertigmacher

(4) Werner Rügemer / Elmar Wigand:  Union Busting in Deutschland. Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung, OBS-Arbeitsheft 77, Frankfurt a.M. 2014