Verhandlung Deutschland vs. Italien vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag: "Keine Staatenimmunität für NS-Kriegsverbrechen! Auf nach Den Haag!"

erstellt von AK Distomo / AK Angreifbare Traditionspflege — zuletzt geändert 2011-09-03T00:13:50+02:00
12. bis 16. September 2011: Zehntausende Zivilist_innen sind es, die von der Wehrmacht oder eingegliederten SS-Einheiten während der Besatzung Griechenlands und Italiens im Zweiten Weltkrieg massakriert und gemordet wurden. Zehntausende, die zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt wurden. Gemeinsam trifft sie, dass sie bis zum heutigen Tage von der Rechtsnachfolgerin des verbrecherischen „Dritten Reichs“, der Bundesrepublik Deutschland, keine Entschädigung erhalten haben.

Keinen Cent für die niedergebrannten Häuser, für verwüstete Ortschaften, keine
Entschädigung für den Verlust ermordeter Eltern, Kinder, Geschwister.
Keine Entschädigung für jahrelange Ausbeutung durch Zwangsarbeit (Nur
ein kleiner Teil ehemaliger NS-Zwangsarbeiter_innen erhielt symbolische
Zahlungen aus der Stiftung EVZ). Der Grundsatz der offiziellen deutschen
„Wiedergutmachungs“-Politik ist: Sonntagsrhetorik und Erinnerungskultur
ja, aber keine Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung – und: das
Geld bleibt hier.

Deutschland verweigert jede Entschädigung

Des Wartens leid haben Hunderte Personen in den letzten zwei Jahrzehnten
geklagt und bis zu den höchsten Gerichten Griechenlands und Italiens
Recht bekommen. In den Urteilen heißt es jeweils, die von Deutschland
vorgebrachte Staatenimmunität gelte nicht für die verbrecherischen
Handlungen der Besatzungsmacht. Viele Millionen Euro schuldet
Deutschland inzwischen den ehemaligen Zwangsarbeiter_innen, den
Überlebenden und Angehörigen der Ermordeten der Massaker von Distomo,
Kalavryta, Civitella, Marzabotto, Falterona, Mommio, Cevarolo, Monchio,
Morello, … Doch die bundesdeutschen Regierungen lassen nichts
unversucht, die Opfer um ihre berechtigten Ansprüche zu prellen.

Griechenland und Italien: Es gibt einen Rechtsanspruch der Opfer

Die Überlebenden des Massakers deutscher SS-Truppen im griechischen
Distomo, wo am 10. Juni 1944 218 Menschen ermordet wurden, haben bereits
im Jahr 2000 vor dem
Obersten Gerichtshof Griechenlands (Areopag) ein rechtskräftiges Urteil
gegen die Bundesrepublik Deutschland erstritten, wonach diese ca. 28
Mio. Euro plus Zinsen an die Kläger zahlen muss. Die Bundesregierung
verhinderte die Durchsetzung des Urteils und nötigte die griechische
Regierung, die begonnene Zwangsversteigerung deutscher Liegenschaften
(Goethe-Institut) zu stoppen.

Nachdem in einer Aufsehen erregenden Entscheidung im Juni 2008 der
Oberste Gerichtshof in Rom die Vollstreckung der Ansprüche in deutsches
Staatseigentum in Italien erlaubte und daher die Opfer des Massakers im
griechischen Distomo mit der Pfändung der deutschen Villa Vigoni am See
von Como begannen, erhob Deutschland Klage gegen Italien vor dem
Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Deren Ziel sei es, „die
ungesetzliche Praxis der italienischen Gerichte zu stoppen, die ihre
[Deutschlands] Souveränitätsrechte verletzt“. Der Internationale
Gerichtshof solle grundsätzlich feststellen, dass Privatpersonen keine
Befugnis haben, Klagen vor den Gerichten eines Staates gegen einen
anderen Staat zu erheben.

Deutschland stiehlt sich aus der Verantwortung

Mit der Klage will Deutschland die unabhängige italienische Justiz mit
Hilfe des UN-Weltgerichts konterkarieren, will Italiens Souveränität
unterhöhlen und sich selbst aus der finanziellen Verantwortung für seine
Geschichte  stehlen.

In dem Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof haben die
Betroffenen, die Opfer der NS-Verbrechen, die Überlebenden und
Angehörigen, keine Beteiligungsrechte. Sie werden mit ihren Argumenten
nicht gehört und haben keine Antragsrechte. Der Prozess selbst stellt
schon einen Versuch dar, die deutsche Hegemonie durchzusetzen: Der IGH
sollte nicht dafür zuständig sein, einem Staat zu erlauben, in die
Rechtsprechung eines anderen Staates einzugreifen.

Wenn Deutschland gegenüber den Opfern der NS-Kriegsverbrechen von der
Haftung frei bliebe, wäre das ein verheerendes Signal auch für
gegenwärtige (z.B. in Afghanistan) und zukünftige Kriege. Dies gilt es
zu verhindern!
Gerade darum wollen wir zusammen mit griechischen, italienischen und
slowenischen Opfern Nazi-Deutschlands vor dem Internationalen
Gerichtshof dagegen protestieren und für die sofortige Auszahlung der
Entschädigungen demonstrieren.

Für die sofortige Entschädigung aller NS-Opfer! Keine Staatenimmunität
für Kriegsverbrechen! Abweisung der Klage Deutschlands durch den
Internationalen Gerichtshof!

Vorläufiges Programm in Den Haag:

Sonntag, 11. September 2011:
20.00 Uhr: Informations- und Diskussionsveranstaltung im Autonomen Zentrum, Willem van Outhoornstraat 17
Montag, 12. September 2011:
9.00 Uhr: Kundgebung vor dem Internationalen Gerichtshof
10.00 – 13.00 Uhr Uhr: Besuch der Gerichtsverhandlung und Infopoint vor dem Gerichtshof (Carnegieplein 2)
Dienstag, 13. September 2011:
10.00 - 13.00 Uhr: Besuch der Gerichtsverhandlung

Weitere Infos und aktuelle Termine unter:
http://www.nadir.org/nadir/initiativ/ak-distomo/
Für den Besuch der Gerichtsverhandlung ist eine Anmeldung bis zum 8.9.11
hier http://www.icj-cij.org/docket/files/143/16590.pdf erforderlich:

Kontakt: e-mail: ak-distomo@nadir.org   Tel.: 0049 40 4396001
AK Distomo / AK Angreifbare Traditionspflege
Spendenkonto: Martin Klingner, Sparda-Bank Hamburg, Nr. 1019538, BLZ.: 20690500