Film: Das zweite Trauma - Das ungesühnte Massaker von Sant’Anna di Stazzema

erstellt von Naxos-Kino — zuletzt geändert 2017-09-29T20:47:49+01:00
Von Jürgen Weber (D 2016, 72 Min.). Im nordtoskanischen Bergdorf Sant’Anna di Stazzema wurden im Sommer 1944 rund 560 Menschen von Einheiten der Waffen-SS teils unvorstellbar grausam umgebracht. 2015 wurde das Verfahren gegen den letzten noch lebenden Kriegsverbrecher dieses Massakers in Deutschland eingestellt.
  • Wann 24.10.2017 ab 19:30 Uhr (Europe/Berlin / UTC200)
  • Wo Naxoshalle, Waldschmidtstraße 19
  • Termin zum Kalender hinzufügen iCal

In seinem Autorenfilm „Das zweite Trauma – das ungesühnte Massaker von Sant’Anna di Stazzema“ zeichnet Jürgen Weber historische und juristische Sachverhalte nach. Der Film lässt aber auch den Erinnerungen und Emotionen der Überlebenden Raum. Allesamt damals als Kinder buchstäblich den Leichenbergen entstiegen und verwaist.

Auf das erste Trauma folgte das der in Italien verspäteten, in Deutschland verhinderten juristischen Aufarbeitung. Die Opfer wollen keine alten Männer im Gefängnis sehen. Nicht Rache wollten sie, sondern die Anerkennung des Unrechts – auch und gerade von offizieller deutscher Seite.

„Das zweite Trauma“ – das sind über Jahrzehnte versteckte Ermittlungsakten in Italien. Ein von deutschen Behörden verschlepptes Ermittlungsverfahren. Eine Einstellungsbegründung der Staatsanwaltschaft Stuttgart, welche die Grausamkeit und die niedrigen Beweggründe der Täter als Mordmerkmal nicht erkennen wollte. Ein ganz besonderes Werk. Eines der letzten Zeugnisse von NS-Verbrechen – das Zeugnis der Kinder des Massakers von Sant´Anna. Eine schonungslose Aufklärung über ein lang verdrängtes Kapitel deutsch-italienischer Realität.

Ein ganz besonderes Werk. Eines der letzten Zeugnisse von NS-Verbrechen – das Zeugnis der Kinder des Massakers von Sant ́Anna. Eine schonungslose Aufklärung über ein lang verdrängtes Kapitel deutsch-italienischer Realität.

Sant’Anna di Stazzema wurde zum Teil wieder aufgebaut. Das Massaker wurde im Kalten Krieg lange totgeschwiegen und von Italiens Justiz nicht verfolgt. Die Akten über den Vorfall lagerten bis 1994 in einem versiegelten, mit der Tür zur Wand gestellten Schrank im Palazzo Cesi, dem Sitz der Militärstaatsanwaltschaft in Rom, später „Schrank der Schande“ genannt. So blieben die Täter fast 60 Jahre unbehelligt. Im April 2004 wurden auf Grundlage dieser Funde zehn Beteiligte vor dem Militärgericht von La Spezia (Italien) angeklagt.

Im April 2004 eröffnete das Militärgericht von La Spezia (Tribunale Militare di La Spezia) einen Prozess gegen mehrere noch in Deutschland lebende Täter, am 22. Juni 2005 wurden zehn frühere SS-Angehörige zu lebenslanger Haft sowie Entschädigungszahlungen in Höhe von etwa 100 Millionen Euro verurteilt. Das Urteil wurde 2006 von einem Militärgericht in Rom bestätigt.

Deutschland lieferte die verurteilten Kriegsverbrecher nicht aus und vollstreckte die Urteile auch nicht selbst, so dass keiner der Verurteilten bestraft wurde oder gar ins Gefängnis musste.

Ein Autorenfilm von Jürgen Weber; Redaktions- und Produktionsleitung Katrin Brüggemann. Produktion: Querwege®, Konstanz © 2016