Bebauung Technisches Rathaus: Am Muff der Geschichte riechen

erstellt von Redaktion — zuletzt geändert 2007-10-07T04:22:15+02:00
Der Wettbewerb für das Gelände des Technischen Rathauses ist entschieden: verklärende Geschichtsromantiker haben gewonnen.

Sehr hohe gewerbliche Ausnutzung<br> Für die Flächen des monströsen Technischen Rathauses wird ein Geflecht von Häusern, engen Gassen und kleineren Plätzen vorgeschlagen, und das mit der fast gleichen Ausnutzung wie das hochhausähnliche Rathaus. Das verdeutlicht schon das Dilemma des Entwurfs: damit die Interessen der Investoren optimal befriedigt werden können, wird das als viel zu massig und groß bezeichnete Rathaus nun bei fast gleichbleibender Ausnutzung in die Breite umgelegt. Das Ergebnis ist eine massive Bebauung des Areals, mit kleinen Gassen und Plätzchen, an deren Seiten 22 Meter hohe Betonwände aufragen, die heimelig mit Stein verkleidet werden, um den Anspruch auf historische Identität zu bewahren. Was es in diesem Viertel zukünftig ausreichend geben wird ist Schatten. Die engen Gassen werden tagsüber wie Schluchten wirken, umgeben von privaten Büro und Gewerbeflächen, die Nachts auch wenig zum Bummeln einladen werden.<br> Sehr wenig Wohnfläche<br> Die Nutzung von nicht einmal 20% als Wohnflächen zeigt den Anachronismus. Nichts ist unhistorischer als diese geringe Wohndichte. Die hohe Nutzung mit teueren Gewerbe- und Büroflächen wird auch  zur Verteuerung der Wohngegend führen. Die Yuppisierung der Altstadt mit ihren wenigen aber luxuriösen Wohnungen in den oberen Geschossen wird voranschreiten.<br> Privatisierung des öffentlichen Raumes<br> Das Baugebiet wird durchzogen von einem Geflecht aus Gassen, Plätzen und Passagen. Das führe zu einem Zuwachs von Raum, der allen gehört, so der Jury-Vorsitzende Arno Lederer. Die geplanten U-förmigen Innenhöfe werden kaum zu öffentlichen Räumen werden, wo alle Bürger freien Zugang haben. Die Passagen, die ebenfalls privat sein werden, vermischen sich mit den öffentlichen Gassen und Plätzen, was das ganze Gebiet zu einem kontrollierten, videoüberwachten Konsumviertel machen wird. Die halböffentlichen Räume werden so tun, als seien sie öffentlich, werden aber von privaten Sicherheitsdiensten überwacht werden. Es wird eine Selektion der Menschen stattfinden, was vor allem durch die Konsumfreude und Zahlungsfähigkeit der Besucher definiert werden wird.<br> Welcher Teil der Geschichte?<br> Die Leute wollen an der Geschichte riechen, sagt Professor Lederer zum Entwurf. Damit meint er wohl nicht die katastrophalen hygienischen Verhältnisse des romantischen Mittelalters mit seinen Plumpsklos im Innenhof und den dunklen, weil sehr eng gebauten Wohnhäusern, die man nun wieder rekonstruieren will. Man will eine Ausnutzung von 80% Gewerbe- und Büroflächen, Shoppingmalls, Cafés und Restaurants. Aber alles mit historischen Straßen und Platzbezeichnungen. Als ob das historisch wäre. Die Qualität des zum Vergleich herangezogenen Römerbergs liegt ja gerade in seiner Weitläufigkeit und Helligkeit vor historischen und historisch nachgestellten Gebäuden.<br> Wer sich auf die Geschichte beziehen will, sollte zuerst klären, auf welchen Teil der Geschichte und warum. Enge Gassen haben nur geringe Licht- und Luftqualität und laden nachts nur Wenige  zum Flanieren ein. Der Dom als ein Wahrzeichen der Stadt wird von allen Seiten zubetoniert. Die Nutzung der Flächen werden nach Anforderungen privater Investoren und deren Profitabsichten definiert und nicht nach historischen Vorbildern. <br> Die kritische Rekonstruktion des Berlin der 90er Jahre hält Einzug in Frankfurt.  Gut, dass die Architekten wieder ihre alten Entwürfe aus Berlin aus der Schublade ziehen können. Die Friedrichstraße in Berlin ist ein Beispiel dafür: kalte monotone Fassaden,  nach Feierabend menschenleer. Niemand kann da das alte Berlin wiedererkennen. <br> Ökologisch denken<br> Mittlerweile wieder völlig in den Hintergrund getreten ist das Verständnis für ökologische, nachhaltige Planung. Die extrem dichte Bebauung sieht weder größere Freiräume für Kinder und Jugendliche,  noch Platz für ein wenig Grün vor. Die Altstadt des 19. Jahrhunderts hatte zwar auch nur geringe Grünflächen, dafür war man damals auch nicht für dieses Thema sensibilisiert. Frankfurt inzwischen eine Stadt mit fast 700.000 Einwohner mit entsprechend umbauter und bebauter Umgebung und demzufolge neuen notwendigen Planungsansätzen. Das Missachten ökologischer Kriterien in dicht bebautem Gebiet ist keine Antwort des 21. Jahrhunderts auf stadtgestalterische Aufgaben.<br> Fazit<br> Die Maßstäblichkeit von Gebäuden für die Menschen muss gerade in der Innenstadt gewahrt werden. Die Profitinteressen der Investoren können aber anscheinend nur mit einer dichten Bebauung optimal umgesetzt werden, was schmale Gassen als unbebaute Restflächen unvermeidbar macht. Das sollte man allerdings nicht als historischen Bezug definieren, denn nichts wird an dem Areal zukünftig historisch sein außer ein paar aus den Archiven herausgekramte Straßen- und Platznamen. Öffentlicher Raum wird dagegen weiter privatisiert und kontrolliert.<br> Wir brauchen eine breite Diskussion  über die zukünftige Entwicklung der Stadt. Zuerst muss die Stadt ihren Bedarf definieren, um ihrer Aufgabe, für die Menschen dieser Stadt zu planen, Rechnung tragen zu können. Und dabei dürfen die Bürgerinnen und Bürger nicht als Zaungast einer allmächtigen konservativen CDU/FDP/SPD/  Grünen-Koalition außen vor stehen. <br> Der Bezug auf einen bestimmten Teil der Geschichte ohne Hinterfragung der damaligen Wohn- und Lebensqualitäten und der auch schon damals begangenen Fehler einer sehr dichten, z.T. unhygienischen und dunklen Bebauung und ohne Berücksichtigung einer kinderfreundlichen, behindertengerechten und ökologisch nachhaltigen Planung ist ein falsches und verlogenes Bild von Geschichte, das keine Antworten für die Herausforderungen der Gegenwart bietet. <br> Norbert Schöllhorn, Architekt (von der Redaktion gekürzt)