10 Jahre Völkermord in in Shingal: Kein Vergessen – Kein Vergeben

by Dachverband der êzîdischen Frauenräte e. V. (SMJÊ) veröffentlicht 03.08.2024

10 Jahre Widerstand in Shingal - Selbstbestimmung ist der Garant für eine sichere Zukunft der Ezîd*innen

Zunächst gedenken wir allen Opfern des 74. Genozids an die Êzîd*Innen und den Gefallenen, welche bei der Befreiung der Region Şengal ihr Leben gelassen haben und verneigen uns mit großem Respekt und Dankbarkeit für ihren Mut und ihre Aufopferung.

Am 3. August 2014 ereignete sich vor den Augen der internationalen Gemeinschaft und aller Staaten eines der schwerwiegendsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit unserer Zeit: der Angriff der Terrororganisation IS „Islamischer Staat“ auf die Region Şengal (Shingal / Sinjar), das Hauptsiedlungsgebiet der êzîdischen Gemeinschaft.

Mehr als 400.000 Menschen wurden zu Binnenvertriebenen, etwa 10.000 Menschen wurden brutal ermordet und massakriert, während über 7.000 Frauen und Kinder entführt und versklavt wurden. Frauen wurden auf Sklavenmärkten gehandelt und viele Kinder wurden zwangskonvertiert und zu Kindersoldaten für den islamischen „Dschihad“ ausgebildet. Das Schicksal von über 2.700 Frauen und Kindern ist bis heute noch ungeklärt. Das Ziel des IS war die Vernichtung der Êzîd*innen, ein bewusstes und systematisches Vorhaben. In den letzten Jahren gelang es den Selbstverteidigungseinheiten Şengals, der YBŞ und der YJŞ, mit Hilfe der Syrisch Demokratischen Kräfte in Rojava, der YPG und YPJ kontinuierlich vereinzelte Frauen und Kinder aus den Händen von IS-Familien meist im Al-Hol Camp bei Heseke zu befreien.

Im Jahre 2015 wurde von der êzîdischen Gemeinschaft in Şengal eine autonome Selbstverwaltung ausgerufen, wodurch sie ihre Existenz in gesellschaftlicher, sowie selbstverteidigender Organisation wiederbelebt haben. Damit haben sie für ihr existentielles, kulturelles und religiöses Überleben eine Garantie und Grundlage für einen Wiederaufbau erschaffen. Dennoch wird dieses durch die permanenten Luftangriffe des faschistisch-türkischen Staats und mit ihnen die vielen Embargos der PDK (Demokratische Partei Kurdistans) und der unkooperativen Politik der irakischen Regierung immer wieder destabilisiert. Diese weiterhin andauernde genozidiale Politik gegenüber der Überlebenden des Völkermords verhindert es, den Willen der êzîdischen Bevölkerung in der Region zu für eine sichere Zukunft zu stärken und ihre Demokratische Selbstverwaltung in Şengal weiter führen zu können. Einige Staaten, darunter auch Deutschland, haben diese Kriegsverbrechen und Gräueltaten gegen die Menschlichkeit als Genozid anerkannt. Zehn Jahre nach diesem Genozid sind die Auswirkun- gen immer noch deutlich spürbar. Die Binnenvertriebenen in den Geflüchtetencamps sehen kaum Perspektiven für ihre Zukunft.

Unsere Forderungen:

1. Wiederaufbau von Şengal (Shingal / Sinjar): Es ist entscheidend, dass die Infrastruktur und die Lebensgrundlage in Şengal (Shingal / Sinjar) wiederhergestellt werden.
2. Selbstbestimmung der Êzid*innen:
Die Êzîd*innen müssen das Recht und die Möglichkeit haben, ihre Angelegenheiten autonom zu regeln.
3. Sicherheit und Schutz der Êzîd*innen:
Eine Flugverbotszone sollte eingerichtet werden, um die Êzîd*innen vor weiteren Angriffen, insbesondere durch Drohnenangriffe der Türkei, zu schützen.
4. Unterstützung für die Rückkehr:
Binnenvertriebene müssen umfassend unterstützt werden, um eine sichere und würdevolle Rückkehr nach Şengal (Shingal / Sinjar) zu ermöglichen.
5. Geberkonferenz für den Wiederaufbau von Şengal (Shingal / Sinjar):
Um diese Ziele zu erreichen, rufen wir zu einer internationalen Geberkonferenz für den Wiederaufbau von Şengal (Shingal / Sinjar) auf. Diese Konferenz soll unter anderem:
- Finanzielle Mittel mobilisieren und dringend benötigte Gelder für den Wiederaufbau von Infrastruktur, Gesundheits- und
Bildungseinrichtungen bereitstellen.
- Die
internationale Zusammenarbeit zwischen Regierungen, NGOs und privaten Organisationen fördern, um gemeinsame Strategien und Projekte zu entwickeln.
- Nachhaltige Pläne und Programme entwickeln, die die Rückkehr der Binnenvertriebenen unterstützen und langfristige Stabilität in der
Region gewährleisten.

Handeln wir gemeinsam: Die Zeit drängt, die Überlebenden dieses Genozids dürfen nicht vergessen werden und die internationale Gemeinschaft trägt eine Verantwortung und Verpflichtung in diesem Zusammenhang.
Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass die Êzîd*innen in Sicherheit und Würde leben können.

Unterstützen Sie unsere Forderungen und die Geberkonferenz für den Wiederaufbau von Şengal (Shingal / Sinjar). Zeigen Sie Solidarität
und helfen Sie mit, eine bessere Zukunft zu gestalten.

Dachverband der êzîdischen Frauenräte e. V. (SMJÊ) / Zentralverband der Ezidischen Vereine e.V. (NAV-YEK)

Flyer, 31.7.2024