Abschiebungen nach Afghanistan ausgesetzt

IPPNW fordert langfristigen Abschiebestopp und Aktualisierung des Afghanistan-Lageberichts

Die Ärzt*innenorganisation in sozialer Verantwortung (IPPNW) begrüßt die Entscheidung von Innenminister Seehofer (CSU), Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen. Gleichzeitig forderten sie eine langfristige Durchsetzung des Entschlusses sowie eine Aktualisierung des Lageberichts des Auswärtigen Amtes zu Afghanistan. Zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter auch die IPPNW, fordern seit Jahren einen Abschiebestopp, da der Schutz abgeschobener Menschen in dem Land nicht zu gewährleisten ist.

„Wir fordern nicht nur die vorübergehende, sondern eine langfristige Aussetzung der Abschiebungen nach Afghanistan sowie der Entscheidungen über Abschiebungen, um für die Betroffenen hier Sicherheit zu schaffen“, erklärt Carlotta Conrad, Mitglied des Vorstandes der IPPNW.

Die aktuelle politische und gesundheitliche Lage vor Ort sei katastrophal. Seit dem Abzug der NATO-Truppen hätte die Gewalt im Land massiv zugenommen. „Der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes, aufgrund dessen Aufenthaltsentscheide gefällt werden, ist von Anfang Mai – darin ist der Abzug der NATO-Truppen nicht berücksichtigt. Es ist beschämend, dass Deutschland das Schicksal so vieler hilfesuchender Menschen bisher an einen veralteten Bericht geknüpft hat“, so Conrad weiter.

Bis gestern hat die Bundesregierung Abschiebungen nach Afghanistan trotz der anhaltend unsicheren Lage vor Ort und der fortwährenden Corona-Pandemie sowie der massiven Protesten von Menschenrechtsorganisationen weiter durchgeführt.

„Es heißt oft, es würden nur Straftäter abgeschoben“, kritisiert Conrad weiter. „Dabei wird nicht berücksichtigt, dass Straftäter genauso rechtsstaatlich anerkannte Grundrechte wie alle anderen Menschen haben. Von der Öffentlichkeit meist unbemerkt wurden die Abschiebungen nach Afghanistan in letzter Zeit aber auch auf weitere Gruppen ausgedehnt; darunter psychisch Kranke, gut Integrierte oder kurz vor einer Ausbildung stehende junge Männer, die als „Identitätsverweigerer“ gebrandmarkt werden. Dabei ist die Nicht-Preisgabe persönlicher Daten häufig der einzige Schutz, der diesen Menschen bleibt. Das wird oft vergessen.“

Die Ärzt*innenorganisation IPPNW betont seit langem, dass Geflüchtete Menschen mit Würde, Rechten und individuellen Schicksalen in besonders vulnerablen Situationen sind, die nicht als Objekte oder politische Manövriermasse behandelt werden dürfen. Abschiebungen gefährden immer die Gesundheit und manchmal das Leben der Betroffenen. Abschiebungen von Kindern und Jugendlichen müssen grundsätzlich untersagt werden, da sie das Kindeswohl, die Entwicklung und die Gesundheit massiv gefährden.

Als Mitarbeiter*innen im Gesundheitswesen sind die Mitglieder der IPPNW als Ärztinnen und Ärzte zunehmend mit der Abschiebung besonders vulnerabler Personengruppen konfrontiert und klären über die gesundheitlichen Folgen von Abschiebung auf.

Pressemitteilung 12.08.2021