Asylbewerberleistungen: Gefordert war, Anpassung der Bedarfssätze an das Preisniveau

erstellt von Pro Asyl — zuletzt geändert 2019-03-29T17:05:51+01:00
Geliefert werden: Versteckte Kürzungen mit absurden Begründungen

Nachdem das zuständige Bundesarbeitsministerium (BMAS) unter Hubertus Heil jahrelang nicht in die Gänge gekommen war, den gesetzlichen Auftrag umzusetzen und die Regelsätze für BezieherInnen von Asylbewerberleistungen endlich auf Grundlage der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe anzupassen, liegt jetzt ein Referentenentwurf aus dem BMAS vor. Er bringt verdeckte Kürzungen mit absurden Begründungen.

Mit diesem Gesetzentwurf würde die SPD ihr Selbstverständnis, für soziale Gerechtigkeit einzutreten, konterkarieren. Im Entwurf werden die Einsparungen durch die Neuordnung der Regelsätze auf 40 Millionen Euro jährlich beziffert. Dem stehen Mehrausgaben durch die Erhöhung der Grundleistungen von 40 Millionen gegenüber. Das angestrebte Nullsummenspiel, modern »schwarze Null« genannt, versucht scheinbar rechtskonform die Leitplanken des Bundesverfassungsgerichts auszuhebeln und Hilfsbedürftige unter ein menschenwürdiges Existenzminimum zu drücken. Die Menschenwürde wird relativiert und an populistische Weltanschauungen angepasst. Der Geist des Hauses Seehofer beeinflusst nun auch das sozialdemokratisch geführte BMAS und schiebt Schutzsuchende noch weiter ins soziale Abseits.

Die Erhöhung der Leistungen wird mehr als aufgewogen durch (a) eine Kürzung der Regelsätze für bestimmte Gruppen, (b) noch weitergehende Sachleistungen und (c) eine Neuregelung zulasten von Asylberechtigten.

Arbeitsminister Heil spielt Schicksal – für Menschen, die Asylbewerberleistungen beziehen

Asylsuchende, die als Alleinstehende in Gemeinschaftsunterkünften zusammen mit ihnen fremden Personen untergebracht sind, sollen künftig nur noch den Regelsatz der Bedarfsstufe 2 erhalten. Sie werden als Mitglieder einer Haushaltsgemeinschaft behandelt, mit dem Ergebnis, dass ihre Leistungen um 10 Prozent gekürzt werden. Begründet wird das mit angeblichen Synergieeffekten. Die Betroffenen stellten schließlich eine »Schicksalsgemeinschaft« dar. Von der dürfe man erwarten, dass sie gemeinsam wirtschafte. Nun sind Flüchtlinge aus aller Herren Länder, die der Zufall in einer Gemeinschaftsunterkunft zwangsweise zusammenführt, alles andere als eine Schicksalsgemeinschaft. Sie haben kaum etwas miteinander zu schaffen und versuchen mühsam, ihr Minimum an Privatsphäre zu bewahren. Da wird meist nicht gemeinsam eingekauft oder ein Haushaltsbuch geführt. Man wird den unterschiedlichen Alltag von Eritreer*innen, Syrer*innen u.a. nicht per Begriffshülse »Schicksal« zusammenspannen können. Aber es geht im Hause Heil eben nicht um die Realität, sondern um die Kürzung an sich, eine Verbeugung vor dem Populismus, welche die CSU nun auch dem sozialdemokratisch geführten BMAS aufnötigt.

Auch Menschen in Privatwohnungen sind betroffen

Gekürzt werden sollen außerdem die Bedarfe für Strom und Schönheitsreparaturen. Sie sollen sogar für Menschen, die in Privatwohnungen leben, aus dem Regelsatz herausgerechnet werden. Das ist lebensfremd. Wie sollen die stattdessen vorgesehenen Sachleistungen erbracht werden? Viel Aufwand für die Leistungsbehörden, die dann jede Stromrechnung einzeln zahlen müsste. Das Ziel der Operation ist eine Kürzung, in Bedarfsstufe 1 um satte 38 Euro.

Anerkannten Geflüchteten werden Förderungsleistungen verwehrt

Bisher erhalten Asylberechtigte – wie Inländer*innen auch – Leistungen nach SGB II oder XII, auch während ihre Anerkennungsentscheidung noch nicht unanfechtbar ist. Nun sollen sie bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung auf Asylbewerberleistungen verwiesen werden. Nach Ablauf von 15 Monaten macht das von der Höhe der gewährten Beträge her zwar keinen Unterschied, aber entscheidend ist: Im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes gibt es keinen Anspruch auf Förderungsleistungen, z.B. Maßnahmen zur Eingliederung in Ausbildung und Arbeit. Bei jahrelanger Dauer der Asylverfahren ist dies das Gegenteil von Integration.

Pro Asyl, Presseerklärung, 28. März 2019