Backhaus: Sondersitzung des Ortsbeirats

erstellt von „Initiative Social Hub“ (ISH) — zuletzt geändert 2019-11-14T18:12:56+01:00
Am 11.11. fand die außerordentliche Sitzung des Ortsbeirats zum Backhaus und davor eine Demonstration statt.

Es waren der Eigentümer der GmbH, Herr Meyer, Frau Zapke von der Bauafsicht und zwei Vertreter*innen der Polizei anwesend. Neben uns als Initiative waren auch das Stadtteilbüro und die Freunde Bockenheims vertreten. Außerdem war der Veranstaltungsraum im Saalbau voll mit Bockenheimer*innen, denen das Thema am Herzen liegt.

Es gab eine sehr lange, teils hitzige Diskussion um die Baupläne und die Positionen zum Haus, bei der sich viele der anwesenden Bockenheimer*innen zu Wort meldeten. Die folgende Verhandlung der vorliegenden Anträge ging verhältnismäßig knapp vonstatten. Es wurden zwei Anträge angenommen.

Bei aller Beteiligungsmöglichkeit in der Diskussion, stieß einigen Bockenheimer*innen doch negativ auf, dass die verantwortlichen politischen Entscheidungsträger*innen mit Abwesenheit glänzten. Auch die Anwesenheit einer Vertreterin der Verwaltung ist kein Ersatz dafür.

Um 18.30 Uhr veranstalteten wir eine Kundgebung am Hülya-Platz beim Backhaus, die sich dann entschlossen und lautstark als Demo durch Bockenheim bewegte. Es war eine bunte Gruppe mit Menschen aus verschiedenen Altersklassen und Hintergründen, Kinder neben Älteren. Vor allem viele Menschen aus dem Stadtteil beteiligten sich und gingen danach mit zur Sitzung, sodass diese besser besucht war als manche reguläre Ortsbeiratssitzung, obwohl ein einziges Thema auf der Tagesordnung stand.

Als erstes Thema wurde der Räumungseinsatz der Polizei diskutiert, zu dem einige Fragen aus dem Ortsbeirat und den anwesenden Bockenheimer*innen gestellt wurden. U.a. zur Verhältnismäßigkeit des Einsatzes (Warum war es nötig einen Räumpanzer vorzufahren und derart großflächig abzusperren?) und insbesondere von uns zur Rechtfertigung der angewandten Mittel (Warum war es nötig zur Personalienfeststellung einer Person auf der Straße vorm Haus die Hose herunterzuziehen und sie im Genitalbereich nach Ausweisdokumenten zu durchsuchen? Warum wurde eine Person an einem Bein durch die Gewahrsamstelle geschleift? Warum wurde weiter auf eine Person psychischer Druck ausgeübt, nachdem diese bereits eine Panikatacke erlitten hatte?).

Die Einsatzleiterin Frau Rogalski räumte ein, es seien Polizeibeamt*innen im “unteren dreistelligen Bereich” anwesend gewesen, man habe sich nicht sicher sein können, wie viele benötigt werden würden – obwohl wir von Anfang an betont hatten, keine militante Verteidigung zu planen, sondern auf Dialog aus zu sein. Bezüglich der Fragen zu den angewandten Mitteln, sei ihr dazu nichts bekannt und auf die Nachfrage, inwiefern es Konsequenzen geben werde sagte sie “wir können da nochmal nachfragen”. Nach Abschluss des ersten Themas verließen beide den Saal.
Herr Meyer äußerte, ihm sei nicht daran gelegen, an den Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch festzuhalten.

Zum zweiten Thema, den Bauplänen und der Zukunft des Backhauses, stellte Herr Meyer seine aktuellen Pläne vor. Diese beinhalten eine Aufstockung und damit die Entstehung von insgesamt 8 Eigentumswohnungen à 48-100 m². Die umstehenden Bäume sollen nach seiner Aussage keinen Schaden davontragen. Die Mauer, die bereits für sich ein Kunstwerk aus alten Fassadenstücken aus der Zeit der Sanierung Bockenheims ist, soll zum Teil dem Neubau weichen. Der Schornstein würde abgerissen und der Großteil des Grasdachs sowie ein Teil des unversiegelten Innenhofs bebaut werden. Auf Anfrage des Ortsbeirats erklärte Herr Meyer sich bereit, die vorgestellte Präsentation der Baupläne zur Verfügung zu stellen.

Der Vorstellung folgte eine Diskussion, an der sich viele Bockenheimer*innen, Vertreter*innen des Ortsbeirates, unsere Vertreter*innen, sowie Frau Zapke und Herr Meyer rege beteiligten. Auf Kritik stieß in der Nachbar*innenschaft, dass die Baupläne den Blick vom Hülya-Platz auf das Backhaus aussparten. Aus diesem Blickwinkel könnte deutlich werden, dass das Backhaus nahezu nicht mehr sichtbar wäre und dem Stadtteil somit auch ohne Abriss verloren gehen würde. Es gab vehemente Kritik daran, dass diese Aufstockung den Hülya-Platz verschatten sowie für Hitzestaus sorgen würde. In teils sachlichem, teils sehr aufgebrachtem Ton vertraten die Anwesenden einmal mehr ihr Interesse an dem Erhalt des Backhauses und dessen Bedeutung für die Nachbarschaft.

Herr Meyer plant selbst in eine der Wonungen einzuziehen und führte an, dies mit der Aufstockung zu finanzieren zu wollen. Gleichzeitig ist er Geschäftsführender Gesellschafter des international agierenden Architekturbüros 'Holger Meyer Architektur' mit Standorten in Frankfurt, München und Bukarest, welches diverse Großprojekte betreut.

Die Position von Frau Zapke und Herrn Meyer ist, dass in dem aktuell vorgelegten Plan die Erhaltungssatzungen berücksichtigt werden. Da das Backhaus genau da steht, wo die alte dörfliche Bebauung auf gründerzeitlichen Baustil treffen, sei es Auslegungssache, welchem baulichen Stil sich bei einer Aufstockung angepasst werden müsse.

Dagegen betonen verschiedene Bockenheimer*innen, dass das Gelände historisch und baustrukturell als Ensemble zusammengehöre und in seinem Gesamtzusammenhang für den Stadtteil Bedeutung habe (“Wahrzeichen Bockenheims”, wie ein Anwohner es bezeichnete). Eine Trennung in Fachwerkhaus und Backhaus, die eine solche Argmuentation ermöglicht, sei nicht angebracht.

Unserer Ansicht nach scheint sich in Frankfurt eine Rechtsauslegung eingespielt zu haben, die derartige Bauvorhaben begünstigt. Und das nicht, weil es eine rechtliche ‘Genehmigungspflicht’ gibt, wie es insbesondere im Zusammenhang mit § 34 BauGB in dieser Sitzung, wie auch im Planungsausschuss und in unserem persönlichen Gespräch mit Mike Josef und Beate Huf, uns gegenüber immer wieder dargestellt wird. Gerade § 34 als einer der komplexesten Paragraphen im BauGB bietet sowohl durch dessen Formulierung (Zulässigkeit, Würdigung nachbarschaftlicher Interessen) als auch in der Auslegung in diversen Bundesverwaltungsgerichts-Urteilen die Grundlage für sachbezogene Entscheidungen im Einzelfall, bei denen es sehr wohl Ermessensspielraum in der Auslegung gibt.

Meyer sei bereit für weitere Gespräche mit dem Stadtteilbüro und unserer Initiative, worauf wir in den kommenden Tagen eingehen werden.

„Initiative Social Hub“ (ISH) Bockenheim, 14.11. 2019