Bundesregierung toleriert und stützt den Menschenrechtsbruch in Griechenland

erstellt von Pro Asyl — zuletzt geändert 2020-09-20T11:52:01+01:00
Mit Enttäuschung reagiert PRO ASYL auf die Einigung der Bundesregierung, aus Griechenland gerade mal 1.553 Personen aufnehmen zu wollen, die bereits anerkannt sind.

"Die Bundesregierung toleriert den Menschenrechtsbruch in Griechenland - mehr als 10 000 Flüchtlinge verbleiben in menschenunwürdiger Hoffnungslosigkeit ohne Perspektive auf Schutz. Das ist ein erbärmliches Signal für die Menschenrechte in Europa", so Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL.

Die Festsetzung von Tausenden auf den Inseln führt zu menschenunwürdigen Zuständen und verhindert faire Asylverfahren. "Griechenland darf aber keinen Freifahrschein für die Fortsetzung der Politik der Abschottung und Abschreckung erhalten. Die Orbanisierung Europas muss gestoppt werden", so Burkhardt.

Keine Perspektive auf Schutz

Die Schutzsuchenden sind verzweifelt. Sie können in den allermeisten Fällen nicht zurück – weder in ihre Heimatländer noch in die Türkei, die keinen rechtlichen Schutz bietet. So zum Beispiel afghanische Asylsuchende, die 47% der Schutzsuchenden auf den griechischen Inseln ausmachen. Sie sind in der Türkei besonders von behördlicher Willkür betroffen, müssen teils jahrelang auf ihre Registrierung warten und sind währenddessen vor Abschiebungen nach Afghanistan bedroht. Da die Türkei die Genfer Flüchtlingskonvention nur im Hinblick auf Europäer*innen ratifiziert hat, können sie keinen Flüchtlingsstatus bekommen, sondern nur einen Übergangsstatus, bis sie von anderen Ländern aufgenommen werden. Die Chance darauf ist aber verschwindend gering.

Moria 2.0 unter europäischer Flagge?

PRO ASYL Geschäftsführer Burkhardt befürchtet: "Die Weichen bezüglich der angestrebten Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems werden nun auf Abwehr und Verweigerung des Zugangs zu Schutz und Asyl eingestellt, gestützt durch die Bundeskanzlerin." Merkel hatte am Montag von der "Europäisierung des Aufnahmezentrums" gesprochen.

Ein solches europäisches Lager wäre der Grundstein für ein System, das nicht mit rechtsstaatlichen Standards einhergeht. Nach den Vorstellungen der griechischen Regierung wären dies zudem geschlossene Zentren.
Gemeinsam mit Caritas Deutschland, Diakonie Deutschland, Amnesty International, Brot für die Welt und anderen deutschen Organisationen hat sich PRO ASYL am Freitag dem 11. September 2020 in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin gewandt und einen Paradigmenwechsel gefordert:

"Ein "Weiter so" in der europäischen Flüchtlingspolitik kann nach dem Brand von Moria keine Option sein. Die Strategie, Schutzsuchende mit dem Ziel an den Außengrenzen Europas festzuhalten, sie direkt von dort in autoritäre Staaten wie die Türkei zurückzuschicken, obwohl diese ihnen keinen tatsächlichen Schutz bieten, ist gescheitert.
Trotzdem setzen die bisher bekannten Vorschläge für eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auf Asylverfahren und Lager an den europäischen Außengrenzen. Nach dem Brand von Moria kann an diesen Plänen nicht mehr festgehalten werden. Bitte nutzen Sie die deutsche Ratspräsidentschaft, um den notwendigen Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik einzuleiten!"

Pro Asyl, Presseerklärung, 16. September 2020