Covid-19: NGOs kritisieren Habecks Meinungswechsel zu Patentaussetzung

erstellt von IPPNW — zuletzt geändert 2022-02-04T13:05:35+01:00
Ein Bündnis aus Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen fordert Wirtschaftsminister Robert Habeck in einem Offenen Brief eindringlich auf, wie im Wahlkampf angekündigt Patentaussetzungen zu Covid-19-Impfstoffen zu ermöglichen.

Habeck hatte sich noch im Mai für die Initiative von mehr als 100 ärmeren Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) ausgesprochen, für die Dauer der Pandemie geistige Eigentumsrechte auf Medikamente, Impfstoffe und andere medizinische Produkte gegen Covid-19 auszusetzen. Als zuständiger Minister hat er sich vergangene Woche plötzlich ablehnend geäußert. Der Brief wurde von 20 Organisationen unterzeichnet, darunter Ärzte ohne Grenzen, Amnesty International, IPPNW, Oxfam und Brot für die Welt.

„Bundesminister Habeck hat seine Meinung in dieser wichtigen Frage direkt nach den Konsultationen mit der Pharmaindustrie geändert. In Kombination mit den vorgebrachten Argumenten, die weder stimmig noch plausibel waren, ist dieses Verhalten schwer nachvollziehbar“, erklärt IPPNW Vorstandsmitglied und Ärztin Carlotta Conrad.

Der Brief widerspricht deutlich den von Habeck wiederholten Behauptungen der Hersteller, die Produktion von mRNA-Impfstoffen sei zu kompliziert und zu langwierig, um Impfstoffe im globalen Süden herzustellen. So habe Biontech selbst gezeigt, dass neue Produktionsstätten innerhalb von sechs Monaten in Betrieb genommen werden könnten. Es gebe tatsächlich mehr als 120 Impfstoffproduzenten in Lateinamerika, Afrika und Asien, die dazu in der Lage seien. Und schnell kann es auch gehen: Biontech selbst habe gezeigt, dass neue Produktionsstätten innerhalb von sechs Monaten in Betrieb genommen werden könnten. Noch deutlicher sei der Nutzen der Patentaussetzung etwa bei Covid-19-Medikamenten, die ohne umfangreichen Technologietransfer als Generika produziert werden könnten.

„Ohne Patentaussetzung und umfangreichen Technologie-Transfer ist eine schnelle und bedarfsgerechte Produktion von Impfstoffen für Menschen weltweit nicht sicherzustellen. Deutschland trägt mit seiner Blockade der Patentausetzung dazu bei, die Pandemie und das Sterben für alle unnötig zu verlängern,“ so IPPNW Arzt und Vorstandsmitglied Dr. Robin Maitra, der selbst eine Corona-Schwerpunkt Praxis in Deutschland leitet.

„Als zivilgesellschaftliche Organisationen, die teilweise seit Jahrzehnten zu Zugang zu Gesundheitstechnologien und damit auch zu produktionshemmenden geistigen Eigentumsrechten arbeiten, erwarten wir gerade von Ihrer Partei, dass nicht nur die Industrie, sondern auch wir als Vertreter*innen der Zivilgesellschaft in Konsultationen einbezogen zu werden”, heißt es in dem Brief.

Den gesamten Offenen Brief finden Sie hier:
https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/sites/default/files/2022-02/patentaussetzung-offener-brief-zivilgesellschaft-habeck.pdf

Die Stellungnahme von Robert Habeck vor der Bundespressekonferenz am 26.
Januar finden Sie hier (Timecode 01:06:15):
https://www.youtube.com/watch?v=Tz6HgUTlJEo

Pressemitteilung 03.02.2022