Entsteht in Europa eine rechte Internationale?

Auf manche Ereignisse muss man nicht sofort reagieren, sondern sich einige Zeit anschauen, was sie tatsächlich bewegen. Dies gilt auch im Fall des neuerlichen Versuchs der extremen Rechten in Europa, im EU-Parlament eine stärkere Zusammenarbeit zu vereinbaren.

Anfang Juli 2021 trafen sich Vertreter von 16 rechtspopulistischen und extrem rechten Parteien und unterzeichneten eine Erklärung „gegen den EU-Zentralismus". In ideologischer Schizophrenie wurde auf der einen Seite die Stärkung der nationalen Kompetenzen gefordert, der drohende „europäische Superstaat" an die Wand gemalt, gleichzeitig aber eine Intensivierung der europäischen Kooperation angestrebt. Ihre inhaltliche Gemeinsamkeit erschöpft sich in rassistischer Ablehnung von Flüchtlingen und Migration sowie dem Ideal einer autoritären Herrschaft.

Träger dieses neuen Bündnisses sind jene im europäischen Parlament vertretenen Rechtsparteien, die schon in der Vergangenheit bei aller öffentlich geäußerten Kritik an der EU gut auf Kosten des Europäischen Parlamentes gelebt haben. Zu ihnen gehören neben Viktor Orbáns ungarischer FIDESZ, die in Polen regierende PiS, die italienische Lega von Matteo Salvini, Frankreichs Rassemblement National (RN), der kürzlich Parteichefin Marine Le Pen in ihrem Amt bestätigte, sowie neben der rechtsradikalen Vox aus Spanien auch die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). Es ist bekannt, dass Orbán mit EU-Subventionen seine Familie und politische Freunde alimentiert, Marine LePen nutzte Gelder aus dem Europaparlament, um ihr Parteibüro zu finanzieren. Auch bei Lega und FPÖ sind Finanzskandale bekannt.

Nachdem diese Parteien bei den letzten Wahlen zum Europaparlament zumeist deutlich hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben waren, sie hatten schon damals davon geträumt, die kommende Kraft in Europa zu werden, soll dieses Bündnis einen neuen Schub bringen. Zur Diskussion einer gemeinsamen politischen Basis soll im September 2021 in Warschau eine internationale Konferenz stattfinden.

Ein vorrangiges Interesse an dieser Zusammenarbeit hat insbesondere Viktor Orbán mit seiner FIDESZ, deren Abgeordnete nach ihrem Austritt aus der EVP-Fraktion als Fraktionslose keinen wirklichen Einfluss auf Ausschüsse und deren Entscheidungen besitzen. Jedoch ist unklar, ob sich Orbán einer der bestehenden Fraktionen der extremen Rechten Europas, nämlich der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) oder der Gruppe Identität und Demokratie (ID) unterzuordnen gedenkt. Während in der EKR die polnische PiS tonangebend ist, sind in der ID mit RN, Lega und der deutschen AfD drei rechte Schwergewichte organisiert. Aus ungarischer Perspektive wäre sicherlich die Gründung einer neuen gemeinsamen Fraktion wünschenswert. Dies dürfte aber an nationalen Befindlichkeiten verschiedener Akteure scheitern.

Auffällig ist, dass die deutsche AfD, die zehn Abgeordnete im EU-Parlament stellt, nicht zu den Unterzeichnern der Erklärung gehörte. Sie war zu dem gemeinsamen Treffen nicht eingeladen worden. Ob das mit ihrer Forderung nach einem deutschen Austritt aus der EU („Dexit") zu tun hat oder mit der Erfahrung, dass von der AfD außer heißer Luft und vollmundigen Erklärungen keine Unterstützung zu erwarten ist, ist offen. Als 2017 die damalige AfD Bundesvorsitzende Frauke Petry in Koblenz einen Kongress mit Le Pen, Salvini und dem Niederländer Geert Wilders organisierte, wurde viel versprochen, aber es geschah nichts. Doch auch die anderen beteiligten Parteien haben in den vergangenen Wochen nicht gezeigt, dass für sie diese europäische Allianz von großer Bedeutung sei. Vielmehr beschäftigten sie sich mit der innerparteilichen Konkurrenz (FPÖ) oder versuchten ihren politischen Einfluss in den jeweiligen Ländern auszuweiten (VOX).

Auch wenn zu erwarten ist, dass der geplante Kongress im September in Warschau wenig reale Resultate für eine „rechten Internationalen" bringen wird, müssen die antifaschistischen Kräfte in Europa wachsam sein und gemeinsam gegen den wachsenden Einfluss rechtspopulistischer und extrem rechter Parteien und Kräfte auf allen Ebenen auftreten. Die FIR und ihre Mitgliedsverbände sind bereit für ein breites gesellschaftliches Bündnis aller antifaschistischen Kräfte zur Verteidigung demokratischer Rechte und Freiheiten sowie sozialer Errungenschaften in Europa.

Newsletter 2021-31, 06.08.2021