Erneuter Hungerstreik im Hessischen Abschiebegefängnis in Darmstadt

Zwei Flüchtlinge, die in Eberstadt inhaftiert sind, um abgeschoben zu werden, sind seit jetzt mehr als 20 Tagen im Hungerstreik.

Beide protestieren damit gegen ihren Freiheitsentzug.

Herr J. aus Algerien ist psychisch krank. Seit Wochen versuchen Unterstützende eine angemessene Behandlung für ihn zu erreichen.

Nur über private Kontakte konnte erreicht werden, dass Herr J. im Januar zwei mal einem Psychiater, also einem Facharzt, vorgestellt wurde. Dieser diagnostizierte eindeutig eine paranoide Psychose und forderte die Anstaltsleitung auf, sich um eine angemessene Behandlung zu kümmern. Nach unseren Informationen ist dies bisher nicht erfolgt.

Stattdessen wurde Herr J. mit einem Medikament behandelt, das bei dieser Form der Erkrankung überhaupt nicht angezeigt ist. Der Facharzt, der Herrn J. untersuchte, zeigte sich entsetzt über die falsche Medikamentierung.

„Die Verordnung von Psychopharmaka ohne Vorstellung bei einem Facharzt halten wir mindestens für fahrlässig. Sie zeigt einmal mehr die inakzeptable Gesundheitsversorgung in der hessischen Abschiebehaft“, äußert Doro Köhler vom Bündnis community for all.

Herr J. verweigert seit mehr als 20 Tagen die Nahrung, weil er keinen anderen Ausweg mehr sieht. Es gibt die klare Diagnose einer schweren psychischen Erkrankung, die dringend behandlungsbedürftig ist - und die Behandlung wird verweigert.

Herr Krone machte in einem schriftlichen Bericht deutlich, dass Herr Herr J. dringend einer psychiatrischen Behandlung bedarf. Dies wird ganz offensichtlich missachtet, indem lediglich die Abschiebung vorbereitet wird.

Er soll am Freitag in ein Land abgeschoben werden, in dem er kein ausreichendes Umfeld mehr hat und in dem er mit Sicherheit nicht angemessen behandelt werden wird.

Zum Hintergrund:

Das Abschiebegesetz sieht vor, dass grundsätzlich vermutet wird alle Abschiebehäftlinge seien per se gesund und daher reisetauglich.

Dies macht es schier unmöglich, einen Menschen in Abschiebehaft aus medizinischen Gründen als reiseuntauglich einstufen zu lassen.

Es muss ein qualifiziertes ärztliches Attest vorgelegt werden, welches die Reiseuntauglichkeit bescheinigt. Atteste von niedergelassenen Ärzten auf private Initiative hin, werden in der Regel nicht anerkannt. Die Entscheidung, ob eine Reisetauglichkeit besteht oder nicht, trifft allein die Behörde bzw. der behandelnde Arzt im Abschiebegefängnis. Ärzte und Psychologen von außen werden nicht zugelassen. (§60a, Aufenthaltsgesetz)

„Schon diese Gesetzgebung ist perfide und nur dafür da, um möglichst viele Menschen abzuschieben“.

Dies verstößt nach Auffassung des Bündnisses „community for all“, das sich bei Bekanntwerden der Planungen für die hessische Abschiebehaft gründete, eindeutig gegen die Menschenrechte und die Genfer Konvention.

„Herr J. benötigt dringend eine angemessene psychiatrische Behandlung. Die Abschiebehaft verstärkt stattdessen seine Probleme nur. Haft für Psychisch Kranke erinnert an dunkle Zeiten“.

 

Herr B aus Ägypten ist bereits seit 4 Monaten in Abschiebehaft. Das Bündnis betont an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich, dass es bei der Abschiebehaft nicht um Straftäter geht, sondern dass Menschen hier ihrer Freiheit beraubt werden, einzig weil sie sich auf die Suche nach einem anderen Leben gemacht haben, weil sie in ihrem Herkunftsland nicht überleben konnten.

Herr B. ist Vater und sein Kind lebt hier in Deutschland. Nach der Abschiebung wird er seine Vaterschaft nicht wahrnehmen können.

Zynisch schreibt das Gericht als Antwort auf die Haftbeschwerde, dass Vaterschaft und (behauptete) Lebensgemeinschaft mit der Mutter des Kindes einer Inhaftierung und Abschiebung nicht entgegen stünden.

Wie lässt sich das mit dem grundgesetzlich geschützten Recht auf Familie vereinbaren? Gilt dies nicht für nicht-deutsche Menschen?

Auch M. isst seit mehr als 20 Tagen nichts mehr. Ein letztes Mittel um sich gegen die unmenschliche Behandlung zu wehren.

Diese beiden Fälle, insbesondere der Fall von Herr J., zeigen deutlich das unmenschliche System der Abschiebehaft. Sie stehen für viele andere, die von engagierten Unterstützer*innen im letzten Jahr begleitet wurden.

Die Unterstützung der Menschen in Abschiebehaft steht für Solidarität mit denen, die in diesem Land am wenigsten Rechte haben. Immer wieder zeigt sich, dass ein Großteil derer, die in Abschiebehaft ihrer Freiheit beraubt werden, widerrechtlich eingesperrt werden.

Das Bündnis „community for all“ steht für das Recht auf Bewegungsfreiheit und wendet sich entschieden gegen das System der Abschiebehaft. In einer Welt, in der Geld und Waren frei zirkulieren, gibt es auch ein Recht der Menschen, sich frei zu bewegen.

Presseerklärung des Bündnisses Community for all, 12.2.2019