Filmreihe „Die Gesänge der Sarah Maldoror“

erstellt von Filmkollektiv Frankfurt — zuletzt geändert 2022-06-08T19:18:05+01:00
Wir möchten euch auf unsere nächste Filmreihe aufmerksam machen, die vom Freitag 10. Juni bis Sonntag 12. Juni 2022 im Filmmuseum gezeigt wird: Gemeinsam mit der Kinothek Asta Nielsen und dem DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum zeigen wir eine Filmreihe zu Ehren einer der bedeutendsten Pionierinnen des afrikanischen und afrodiasporischen Kinos: Sarah Maldoror (1929–2020).

Sarah Maldoror wurde im südfranzösischen Gers als Tochter eines Vaters aus Guadeloupe und einer französischen Mutter geborenen. Sie legte als junge Frau ihren Familiennamen Ducados ab und gab sich, inspiriert von Lautréamonts Chants de Maldoror (Die Gesänge des Maldoror), einen neuen, „eigenen“ Namen. Als junge Frau war sie im Paris der 50er-Jahre mit Toto Bissainthe, Timité Bassori u.a. Mitbegründerin der Schwarzen Theatergruppe Les Griots. Sie ging dann zum Filmstudium an die VGIK in Moskau und engagierte sich zunehmend in Befreiungsbewegungen, insbesondere gegen die portugiesische Kolonialmacht in Angola – ihr Ehemann war der angolanische Politiker und Autor Mário Pinto de Andrade –, Kap Verde und Guinea-Bissau.

Gleich ihre ersten Filme MONANGAMBÉE und SAMBIZANGA wurden international gezeigt – ihr erster Spielfilm DES FUSILS POUR BANTA (Gewehre für Banta) gilt bis heute als verschollen.

Maldorors filmisches Werk, das 40 Kurz- und Langfilme für Kino und TV umfasst, entzieht sich klaren Grenzziehungen und Geographien, es ist transnational, kämpferisch, thematisch und formal vielfältig und gleichzeitig doch von großer Kohärenz. Die afrikanischen Befreiungsbewegungen, die Trikont-Bewegung, die Rolle der Frau, die Geschichte der Sklaverei und des Kolonialismus, Künstler*innen insbesondere des Surrealismus und der Négritude – hier ganz zentral Aimé Césaire und Léon G. Damas – sind zentrale Topoi von Maldorors Filmpraxis. Eine revolutionär-dekoloniale Praxis der Nähe, der kollektiven Verantwortung und des Teilens, die eine Gemeinschaft adressiert, „ein ‚uns‘, das noch formuliert werden muss.“ (Maya Mihindou).

Die Filmkuratorin Annouchka de Andrade arbeitet am Erhalt und der Verbreitung des Werks ihrer Mutter Sarah Maldoror. Sie ist bei allen Vorführungen im Kino des DFF zu Gast.

  • Freitag 10. Juni um 18 Uhr

Kino des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
MONANGAMBÉE
DZA 1969, R Sarah Maldoror, 17’, OmeU
ET LES CHIENS SE TAISAIENT Und die Hunde schwiegen
FRA 1978, R Sarah Maldoror, 13’, OmeU
LÉON G. DAMAS
FRA 1994, R Sarah Maldoror, 25’, OmeU
SARAH MALDOROR OU LA NOSTALGIE DE L’UTOPIE Sarah Maldoror oder die Sehnsucht nach der Utopie
FRA / TGO 1999, R Anne-Laure Folly, 26’, OmeU

Gedreht mit Unterstützung der algerischen Befreiungsbewegung FLN legt Maldorors Debütfilm MONANGAMBÉE die Gewalt des portugiesischen Kolonialsystems gegen die angolanische Bevölkerung mit ungewöhnlicher Sensibilität offen. ET LES CHIENS SE TAISAIENT inszeniert das gleichnamige Theaterstück von Aimé Césaire über die Auflehnung eines Revolutionärs gegen die Sklaverei im Depot des Musée de l’Homme in Paris. Der poetische Dokumentarfilm LÉON G. DAMAS über den bedeutenden Dichter der Négritude, reflektiert die Landschaften und Einflüsse unterlegt von seinen Gedichten und von Jazzrhythmen. Anne-Laure Follys SARAH MALDOROR OU LA NOSTALGIE DE L’UTOPIE ist ein eindrückliches Porträt über Maldoror. Wichtige Weggefährt*innen kommen zu Wort.

  • Freitag 10. Juni um 20:15 Uhr

Kino des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
SAMBIZANGA
AGO / FRA 1972, R Sarah Maldoror, 102’, OmeU

SAMBIZANGA spielt im Jahr 1961: Der Befreiungskampf gewinnt auch in Angola Momentum. Mit Bildern des Alltäglichen erzählt Sarah Maldoror die Suche Marias nach ihrem Ehemann Domingos: Er wurde inhaftiert, weil er sich der Revolution angeschlossen hat. Dabei legt Maldoror mit Feingefühl das Alleinsein einer Frau auf einer beschwerlichen Reise offen, und nimmt Zeit und Mühe in den Blick, die nötig sind, um diesen Weg zurückzulegen. Marias Marsch, ihre Suche, entpuppt sich als einfühlsame und kraftvolle Metapher für das Leiden des angolanischen Volkes und dessen „Entwicklung eines revolutionären Bewusstseins“ (S. Maldoror).

Zu Gast: Malte Rauch, Filmemacher aus Frankfurt, der um 1980 zu SAMBIZANGA und zur angolanischen Befreiungsbewegung berichtete.

  • Samstag 11. Juni um 16:45 Uhr

Kino des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
Bildvortrag Annouchka de Andrade über Sarah Maldoror

  • Samstag 11. Juni um 18 Uhr

Kino des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
PORTRAIT D’UNE FEMME AFRICAINE Porträt einer afrikanischen Frau
FRA 1985, R Sarah Maldoror, 4’, OmeU
UN DESSERT POUR CONSTANCE Constanzes Kochbuch
FRA 1980, R Sarah Maldoror, 60’, OmeU

Die Komödie UN DESSERT POUR CONSTANCE entlarvt aus der Perspektive von Schwarzen Müllmännern, eines besonders ausgegrenzten Arbeitermilieus, den Rassismus der französischen Gesellschaft.
PORTRAIT D’UNE FEMME AFRICAINE verhandelt in beeindruckender Dichte die schwierige Situation einer in Frankreich arbeitenden senegalesischen Frau mittels ihres unmittelbar eingesprochenen Off-Kommentars.

  • Samstag 11. Juni um 20.15 Uhr

Kino des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
L’HÔPITAL DE LENINGRAD Das Krankenhaus von Leningrad
FRA 1982, R Sarah Maldoror, 59’, OmeU
VLADY – PEINTRE Vlady – Maler
MEX / FRA 1989, R Sarah Maldoror, 24’, OmeU

L’HÔPITAL DE LENINGRAD erzählt nach einer Kurzgeschichte von Victor Serge, mit Rüdiger Vogler und Roger Blin in den Hauptrollen, vom Umschlagen der Russischen Revolution in stalinistische Verfolgung. Victor Serges’ Sohn, dem mexikanischen Maler Wladimir Kibaltschitsch, gilt Maldorors Porträt VLADY – PEINTRE.

  • Sonntag 12. Juni um 18 Uhr

Kino des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
TOTO BISSAINTHE
FRA 1984, R Sarah Maldoror, 5‘, OmeU
AIMÉ CÉSAIRE – LE MASQUE DES MOTS Die Maske der Worte
MTQ 1987, R Sarah Maldoror, Farbe, 52’, digital von 16mm, OmeU
WIFREDO LAM
FRA 1980, R Sarah Maldoror, 4’, OmeU
REGARDS DE MÉMOIRE (Route d’esclave) Blicke aus der Erinnerung (Sklavenroute)
MTQ / HTI 1995, R Sarah Maldoror, 27’, OmeU

Das Kurzporträt ist für Sarah Maldoror eine wichtige filmische Form. Davon zeugt TOTO BISSAINTHE über die gleichnamige haitianische Sängerin und enge Freundin Maldorors, wie auch WIFREDO LAM über den afro-kubanischen Künstler.
Dem Poeten, Politiker und Mitbegründer der Négritude Aimé Césaire sind mehrere Filme gewidmet. Ausgangspunkt von AIMÉ CÉSAIRE – LE MASQUE DES MOTS (1987) ist eine eindrückliche Konferenz ihm zu Ehren.
Mittels zahlreicher Gespräche mit Césaire, mit dem Poeten Édouard Glissant und der Politikerin Madeleine de Grandmaison begibt sich REGARDS DE MÉMOIRE auf die transatlantischen Spuren von Sklaverei, Kolonialismus und haitianischer Revolution.

Pressemitteilung 8.6.2022