Frankfurter Bestandsmieten und der Brexit

erstellt von Mieter helfen Mietern — zuletzt geändert 2017-07-03T13:18:00+01:00
Ohne wirksamen Schutz der Bestandsmieten bedroht der Brexit die Frankfurter Mieter/innen.

Zum wiederholten Mal, seitdem die britische Wahlbevölkerung für einen Ausstieg aus der EU gestimmt hat, ist dieser Tage eine Delegation der Frankfurter Politik und Wirtschaftsförderung nach London gereist, um Brexit- Flüchtlinge für Frankfurt als Finanzstandort zu gewinnen. Mit dabei ist auch der Oberbürgermeister Peter Feld- mann (SPD), der scheinbar keinen Widerspruch darin erkennt, auf Auslandsreisen Frankfurts Qualitäten als Finanzstandort zu preisen, während er bei nächster Gelegenheit in Frankfurter Siedlungen als Unterstützer von verdrängungsbedrohten Mieter/innen auftritt (1).

Dieses Verhalten ist inkonsequent, da auch der Brexit Verdrängungstendenzen auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt verstärken kann. Ein vergleichbarer Fall aus der Vergangenheit wurde durch die wissenschaftliche Studie der Frankfurter Humangeograph/innen Dr. Andrea Mösgen und Dr. Sebastian Schipper von der Goethe-Universität (2) beschrieben. In einer Untersuchung zur Mietpreisentwicklung im Frankfurter Ostend, konnten die Forscher/innen zeigen, dass Verdrängungstendenzen im Ostend durch den 2002 getroffenen Beschluss beschleunigt wurden, den Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) in den Stadtteil zu verlegen. Die Eröffnung der EZB bescherte dem Stadtteil eine derartige symbolische Aufwertung, dass im Eröffnungsjahr der EZB die Mietsteigerungen im Stadtteil zu den stadtweit höchsten gehörten. Solchen auch augenscheinlichen Verdrängungstendenzen im Stadtbild zum Trotz werben Kommunal- und Landespolitiker/innen wie Feldmann und Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) für den Umzug der Londoner Bankenaufsicht nach Frankfurt.

Ziel ist es, vom Brexit zu profitieren und noch mehr Finanzdienstleister für den Finanzstandort Frankfurt zu gewinnen. Durch Insider aus der Immobilienbranche wird jetzt die Größenordnung der zu erwartenden Jobverlagerungen bekannt (3): 10 bis 15 Institute mit jeweils durchschnittlich 300 bis 400 Mitarbeitern erwarten Büro-Immobilienmakler-Firmen. Klar ist, dass diese Beschäftigten auf Wohnungssuche gehen werden und damit den Druck auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt erhöhen und den anhaltenden Trend zu möblierten Mikro-Appartments, Boardinghouses bis hin zu Luxuseigentum in Frankfurt noch verstärken werden. Diese Entwicklung erweitert zwar das Wohnangebot für eine besserverdienende Klientel, erhöht aber gleichzeitig den Druck auf den noch bestehenden Anteil an günstigem Mietwohnraum vor allem in Innenstadtlage. Die Deckelung der Bestandsmieten, Millieuschutz mit Umwandlungsverordnung sowie eine Ausweitung der Bemessungsgrundlage des städtischen Mietspiegels auf alle existierenden Mietwohnungen (4), sind daher dringende politische Aufgaben, die mit einer verlängerten Laufzeit des Mietspiegels auf vier Jahre kombiniert werden müssten.

(1)
http://www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=2855&_ffmpar[_id_inhalt]=31856424

(2)
http://www.netzwerk-mieten-wohnen.de/sites/default/files/MC3%B6sgen_Schipper_2016_Gentrifizierung%20Ostend.pdf

(3)
http://www.immobilien-zeitung.de/141870/brexit-scouts-sind-in-frankfurt-angekommen

(4) Momentan werden bei der Erstellung eines Mietspiegels nur Wohnungen berücksichtigt, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder geändert wurde.

Mieter helfen Mietern, Frankfurt am Main, den 03.07.2017

www.mhm-ffm.de