Gutes Leben in Frankfurt, auch für nicht priviligierte Minderheiten

erstellt von Netzwerk Care Revolution Rhein-Main — zuletzt geändert 2021-01-27T17:48:52+01:00
Anschreiben von Care Revolution Rhein-Main vom 11.01.2021 an die Frankfurter Kandidat:innen zur Kommunalwahl vom 14.03. 2021

Guten Tag,

Sie treten am 14. März 2020 bei den Kommunalwahlen an, um das Zusammenleben in Frankfurt in den kommenden 4 Jahren zu gestalten, falls Sie gewählt werden. Wir unterbreiten Ihnen eine Liste von Anliegen, die wir, als Aktive des Netzwerks Care Revolution für zentral erachten, damit in Frankfurt nicht nur privilegierte Minderheiten Bedingungen vorfinden, die ein gutes Leben möglich machen. Wir danken Ihnen schon im Voraus auf Ihre Ausführungen zu den gestellten Fragen. Wir werden sie auf unserem Blog veröffentlichen und so allen interessierten Wählern und Wählerinnen zugänglich machen.

1. Daseinsfürsorge gehört in öffentliche Hand

Corona hat gezeigt, wie zentral gut funktionierende öffentliche Infrastrukturen der Daseinsfürsorge sind. Was wollen Sie unternehmen, damit Kliniken, Pflegeheime, Kitas, Horte, usw... zwecks besserer Versorgungsplanung und Koordination als städtische Einrichtungen betrieben werden bzw. wie wollen Sie darauf hinwirken, dass sie wieder von der öffentlichen Hand übernommen werden?

2. „Systemrelevante“ Berufe müssen aufgewertet werden

Welche der in Corona als „systemrelevant“ erkannten Berufe, nämlich Pflege, Erziehung, Betreuung, Fahrdienste für Menschen mit Behinderung werden Sie tarifieren, das Tarifniveau entsprechend anheben und wie wollen Sie für eine ausreichende Personalbemessung sorgen? Sind Sie bereit, dafür zu sorgen, dass die Gewinne von privaten Pflegedienstleistern / kirchlichen Einrichtungen der Öffentlichkeit kommuniziert werden? (Welche Gewinne erzielten die Agaplesion gAG, die AWO, die Caritas, die Diakonie, etc… in den letzten 20 Jahren?) Wie wollen Sie dafür sorgen, dass öffentlich bekannt wird, ob die Angestellten dieser Unternehmen und Einrichtungen nach Tarif bezahlt werden und mit wem ein Tarifvetrag geschlossen wurde? Damit transparent wird, um wieviel Prozent die Bezahlung im Bezug zu einem verdi-Tarifvertrag differiert? welcher Prozentsatz des Personals dieser Unternehmen/Einrichtungen outgesourcet wird und um welches Personal es sich handelt?

Welche Handlungsstrategien haben Sie vor zu entwickeln, nach der Beantwortung dieser Fragen?

3. Familien mit Kindern brauchen Entlastung

Wie gedenken Sie Erwerbstätige und besonders Alleinerziehende zu unterstützen, wenn sie kranke Kinder – auch mal längerfristig - zu versorgen haben, die dann nicht in KiTas oder sonstige kollektive Betreuungseinrichtungen untergebracht werden können während die Eltern ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, (auch nach Corona)? Was wollen Sie unternehmen, um die Personalschlüssel in den Kinderbetreuungseinrichtungen zu verbessern?

4. Der Rückstand in Sachen Inklusion muss dringend abgebaut werden

Deutschland hat 2009 die UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung ratifiziert. Darüber hinaus ist die Grundrechtecharta der EU für Deutschland verbindlich Art. 26 der Grundrechtecharta der EU sagt: Die Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, damit diese Ansprüche verwirklicht werden? Konkret:

• Wohnen – Menschen mit Behinderung und Familien mit einem Angehörigen mit Behinderung (Kind oder Erwachsener) brauchen nicht nur barrierefreie sondern behindertengerechte Wohnungen. Der Bedarf an solchen Wohnungen übersteigt die zu Verfügung stehende Anzahl in Frankfurt. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um das zu verändern? Wir erwarten, dass neben anderen Wohnungsbaugesellschaften besonders die ABG diese Auflagen erfüllen müssen, gerade auch wenn Renovierungen anstehen. Auch gemeinschaftliche Wohnprojekte, die inklusiv ausgerichtet sind, sollten besonders gefördert werden.

• Zur Entlastung pflegender Angehöriger sind besonders mit Personal gut ausgestattete Pflegeheime notwendig. In Frankfurt gibt es kein Kinderpflegeheim. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, damit Familien, die schon so sehr belastet sind, nicht noch große Entfernungen aufgebürdet bekommen?

• Wie wollen Sie dafür sorgen, dass Inklusion in den Schulen verbessert und in allen Schulen verwirklicht wird?

• Wie wollen Sie sich einbringen, damit Frankfurt als Arbeitgeber den Anteil von Menschen mit Behinderung erhöht?

• Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, damit der öffentliche Raum (besonders der ÖPNV) barrierefrei gestaltet wird?

• Wie wollen Sie Pflegende Angehörige unterstützen, die sich – unbezahlt – ihren Angehörigen mit Behinderung widmen und damit die Gemeinschaft entlasten? Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um diesen Pflegenden Angehörigen eine ihrem Einsatz gebührende soziale Absicherung und Altersrente zu garantieren?

• Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, damit die Pflegenden Angehörigen entlastet werden in ihrem Kampf gegen einen wachsenden und immer undurchsichtigeren Bürokratiedschungel? Wir plädieren für eine wirkliche Einbeziehung und Mitbestimmung der Betroffenen, nämlich der Menschen mit Behinderung und der Pflegenden Angehörigen, bei der Ausarbeitung von Maßnahmen und Regelungen. Wie sehen Sie das?

5. Obdachlose und Frauen, die Gewalt erfahren, brauchen gerade in Pandemiesituationen sichere Unterkünfte

Welche Möglichkeiten werden Sie umsetzen, um Obdachlose und Wohnungssuchende, in Sammelunterkünften zusammengepferchte Menschen und um Frauen, die der Gewalttätigkeit ihrer Partner ausgesetzt sind, in nicht belegten Unterkünften, wie das Haus der Jugend, in nicht-ausgebuchten Hotels bzw. in leerstehenden Häusern menschenwürdig und pandemiegeschützt unterzubringen?

6. Wohngemeinschaft Bonameser Straße muss erhalten und ausgebaut werden

Werden Sie ein dauerhaftes Bleiberecht der BewohnerInnen und ihrer Nachkommen auf den gepachteten Parzellen garantieren und weitere Plätze dort wieder zur Pacht freigeben bzw. die Möglichkeit weiterer Pachtparzellen prüfen? Wir halten das angesichts geschichtlicher Verpflichtung (viele Bewohner:innen bzw. ihre Eltern wurden von den Nazis verfolgt), angesichts der dort entstandenen vorbildlichen Gemeinschaft und angesichts der Wohnungsnot für dringend geboten.

7. Der Wagenplatz Ostbahnhof braucht Unterstützung

Werden Sie die derzeitigen BewohnerInnen und ihre Wagen am Ostbahnhof dort unterstützen bzgl. Ver- und Entsorgung bis ein endgültiger Bebauungsplan verabschiedet ist und die Umsetzung beginnt? Werden Sie bis dahin weiter geeignete Gelände eruieren, die als Wagenstandplatz in Frankfurt dienen können? Die Wohnungsnot, die Pandemie und das gemeinschaftliche Engagement von WagenplatzbewohnerInnen und Fahrenden gebieten diese Lösung.

8. Demokratie lebt von der Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger

Wie würden Sie die Schaffung von Bürger:innen-Räten unterstützen in denen sich Betroffene zusammenschließen, um ihre Anliegen selbstbestimmt zu formulieren und gemeinsame Lösungen zu erarbeiten? Es gibt bereits einen Ernährungsrat und es könnte sich Ähnliches entwickeln in den Bereichen Gesundheit, Senioren, Kinder, Jugendliche, Menschen mit Behinderung, Obdachlose, Kultur, Freizeit. Welche Unterstützungs- und Versammlungsmöglichkeiten würden Sie flächendeckend in allen Stadtteilen aufbauen und zur Verfügung und Nutzung bereitstellen für

• Senioren (Treffs, Mittagstisch, Tagesaufenthalt, …)

• Kinder (Kitas, Spiel- und Sportplätze,.…)

• Jugendliche (Jugendhäuser und –cafes, Musikprobe- und -auftrittsräume, Sportplätze,…)

• Mütter (Treffs, Beratung, Hebammen, Babysitter,..…)

• Wasch- und Bademöglichkeiten, Schwimmbäder, Parks, Gesundheitszentren,..…

Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit und für die Zeit, die Sie sich nehmen, unsere Fragen zu beantworten.Mit freundlichen Grüßen

Netzwerk Care Revolution Rhein-Main, Januar 2021