Die Botschaft an die Stadt: Schluss mit der Unterbringung in Turnhallen!
Das gemeinsame Fest der Geflüchteten und Helfer von welcome-frankfurt war ein voller Erfolg, mehr als 700 Menschen aus den Notunterkünften kamen am vergangenen Sonntag zum DGB-Haus. Nachdem erstmal ausgiebig getanzt wurde, wurden Gesprächsrunden mit Übersetzern gebildet. Alle Probleme, Hoffnungen und Wünsche, alle offenen Fragen sollten auf den Tisch gebracht werden. Und das gelang auch. Drei wesentliche Forderungen wurden von allen aufgestellt: 1.) Keine Unterbringung mehr in den Turnhallen, 2.) Aufklärung über das weitere Verfahren, die Asylantragsstellung und ihre Rechte, 3.) Deutschkurse, Schulbesuch für die Kinder und Arbeit.
Schmutzig, laut, kalt - Turnhallen sind keine Lösung!
Die wichtigste Aussage war: Wir wollen nicht mehr länger in Turnhallen leben. Daraus ergibt sich die wichtigste Frage: Wie lange will die Stadt noch hunderte Menschen unter schlechten Bedingungen in Turnhallen einquartieren? Wie sehen die Planungen für die Unterbringung der Menschen aus? So lange die Menschen noch in den Turnhallen sind, wurde eine tägliche Sprechstunde mit Übersetzern und Verantwortlichen gefordert.
Bereits jetzt sind die Hallen morgens und nachts zu kalt, was insbesondere für die Kinder ein Problem ist, viele erkälten sich. Die Toiletten und Duschen sind nicht für hunderte Menschen ausgelegt, es kommt zu schlechten hygienischen Bedingungen. Die Stockbetten sind zum Teil dreistöckig, es gibt keinerlei Rückzugsmöglichkeit, es ist ständig laut und stressig, viele leiden unter Schlafstörungen. Die Bettwäsche ist schmutzig, nicht überall besteht die Möglichkeit zu waschen. Die Luft ist sehr schlecht und die Hallen können nicht richtig gelüftet werden.
Die gesundheitliche Versorgung ist mangelhaft. Kinder werden nicht geimpft, obwohl die Eltern das ausdrücklich verlangen. Bluthochdruck, taube Glieder, schwere Erkältungen werden unzureichend oder gar nicht behandelt. Außerdem werden Schwangere nicht regelmäßig untersucht und ihren Bedürfnissen entsprechend versorgt. Es gibt viel zu wenige Ärzte und oft fehlen Dolmetscher, um die Beschwerden mitteilen zu können. Viele beschwerten sich über mangelnde Beschäftigung. Ein Mensch sagte: „Wir leben dort wie Tiere - essen, schlafen und Toilette gehen. Sonst nichts.“
Keine Kommunikation, keine Aufklärung, viel Ungewissheit
Frauen leiden besonders unter der Unterbringung in Turnhallen, da sie keine ausreichende Privatsphäre haben, alleinerziehende Mütter sind überfordert und erhalten keine Hilfe. Ausgangspunkt für die schlechte Lage ist auch die noch nicht erfolgte Registrierung. Erst wenn das Asylverfahren begonnen hat, hat man Anspruch auf Krankenversicherung und auf Geldleistungen. Das ist ein weiteres großes Problem: Viele können nicht die Unterkunft verlassen, weil sie kein Geld haben für Bahntickets und auch nicht für andere Bedürfnisse. Die Kommunikation ist nicht möglich, weil kein Geld für Sim-Karten oder Internet-Cafés da ist. Dabei ist der Kontakt zu Familie und Freunden sehr wichtig. Vor allem da viele ihre Ehemänner oder -frauen vermissen, die auf der Flucht in einem anderen Land (Griechenland, Ungarn, Österreich) oder einer anderen deutschen Stadt verloren gegangen sind.
Die Ungewissheit über das weitere Verfahren ist eine große Belastung: Wann werden wir registriert? Wie lange sind wir noch in der Turnhalle? Wann beginnt das Asylverfahren? Was bedeutet das Interview mit dem BAMF? Es fehlen Dolmetscher in allen Sprachen in den Unterkünften. Manche Mitarbeiter der Security können bestimmte Sprachen, dadurch entsteht aber auch manchmal die Benachteiligung von anderssprachigen Menschen.
Deutsch lernen war eine der wichtigsten Forderungen in allen Gesprächsrunden. Es gibt zwar ehrenamtliche Deutschkurse in manchen Unterkünften, wofür sich viele auch bedankten. Aber diese reichen nicht aus, sie sind oft nur eine Stunde am Tag mit viel zu vielen Teilnehmern und oft nicht von qualifizierten Lehrkräften. Viele Menschen, insbesondere die Jugendlichen leiden unter der Langeweile. Sie wollen die Menschen, die Stadt und die Natur kennenlernen, mehr Freizeitmöglichkeiten, mehr Bücher (in Arabisch, Paschtu, Farsi), mehr Sport, mehr Spiele, mehr Beschäftigung.
Das Essen entspricht nicht den Gewohnheiten und den religiösen Vorschriften. Dies ist für viele ein großes Problem, da sie nicht gegen die Vorschriften verstoßen wollen. In einigen Gesprächsrunden wurde auch gesagt, dass es weiterhin zu wenig Essen gibt, insbesondere für die Jugendlichen. Wer Hunger außerhalb der Essenszeiten hat, bekommt kein Essen. In Frankfurt gäbe es mit Sicherheit genug Catering/Restaurant/Geschäfte, die Halal und nach den Gewohnheiten des Nahen und Mittleren Ostens Essen zubereiten können. Am besten wäre es aber, wenn die Menschen selbst kochen könnten.
Die Jugend leidet
Besonders leidet die Jugend unter den Bedingungen. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die durch den Träger VAE in einem United Hostel in der Frankfurter Innenstadt untergebracht sind, protestierten bereits am vergangenen Freitag. Dort sind mehr als 180 Jugendliche untergebracht - bis zu 12 in einem Zimmer. Es gibt kaum Betreuer, die zudem kaum Zeit haben. Die Langeweile ist ein sehr großes Problem. Manche von den Jugendlichen sind seit mehr als zwei Monaten im Hostel und haben weder einen Sprachkurs noch Schulunterricht. Die Lage im Bahnhofsviertel mit der Nähe zum Rotlichtmilieu ist dabei besonders problematisch. Die Jugendlichen wollen aus dem Hostel raus, sie wollen Betreuer und sie wollen zur Schule gehen, Deutsch lernen und sich frei bewegen können.
Auch in der Turnhalle der Philipp-Holzmann-Schule sind über 120 unbegleitete Jugendliche untergebracht. Die Unterkunft ist sehr beengt, es gibt kaum Angebote für die Jugendlichen und ihnen ist völlig unklar, wie es mit ihnen weiter geht. Die gesundheitliche Versorgung ist mangelhaft, manche haben nicht ausreichend Kleidung für die sinkenden Temperaturen.
Viele Menschen leiden unter den Folgen der Flucht. Einige zeigten die Verletzungen, die ihnen von der Polizei in Ungarn zugefügt wurden. Viele waren auf Booten, die fast gesunken wären, die meisten sind seit Monaten unterwegs und psychisch stark strapaziert. Insbesondere die Jugendlichen und Kinder leiden unter den Fluchterfahrungen und brauchen dringend psychologische Betreuung.
Forderungen an die Stadt, Aufruf an Helferinnen und Helfer
Wir werden weitere Versammlungen organisieren, damit die Menschen ihre Forderungen artikulieren können. Wir fordern die Stadt auf, sofort für andere Unterkünfte zu sorgen. Wir fordern das Jugendamt auf, endlich seiner Verantwortung gerecht zu werden und die das Kindeswohl gefährdende Situation im United Hostel zu beenden und die Jugendlichen ordentlich unterzubringen. Wir rufen alle Helferinnen und Helfer auf, den Geflüchteten zu helfen. Viele Menschen wünschten seich eine Patenschaft, also eine längerfristige Begleitung durch Helfer.
Bei den nächsten Versammlungen wollen wir organisieren, dass direkt Patenschaften geknüpft werden.