Keine Kompromisse beim Schutz von geflüchteten Kindern

erstellt von IPPNW — zuletzt geändert 2023-06-06T16:50:26+02:00
46 Kinder- und Menschenrechtsorganisationen warnen anlässlich des Treffens der EU-Innenminister*innen vor Entrechtung geflüchteter Kinder und Jugendlicher

Die Friedensnobelpreisträgerorganisation IPPNW und 45 andere Kinder- und Menschenrechtsorganisationen rufen die Bundesregierung dazu auf, beim bevorstehenden Treffen der EU-Innenminister*innen am 8. Juni keine Vereinbarungen einzugehen, die die Rechte und das Wohl geflüchteter Kinder und Jugendlicher gefährden. Deutschland muss konsequent gegen die Einführung von Grenzverfahren in Haftlagern, die Ausweitung sicherer Drittstaaten und die Absenkung von Verfahrensgarantien für geflüchtete Kinder und Jugendliche stimmen, so die gemeinsame Forderung.

Die Organisationen warnen vor einer massiven Entrechtung geflüchteter Kinder und Jugendlicher in der EU, sollten die vorgeschlagenen Reformen beschlossen werden. Bereits jetzt kommt es entlang der Fluchtrouten und an den Außengrenzen der EU jeden Tag zu Gewaltanwendung gegenüber Kindern. Die Reformpläne verstoßen nach Ansicht des Bündnisses gegen die UN-Kinderrechtskonvention und begünstigen weitere Kinderrechtsverletzungen. Die Bundesregierung darf diesen Weg nicht unterstützen. Die Wahrung der Menschenrechte und des Kindeswohls muss die Leitlinie der europäischen Politik sein, so der Appell.

Nach den bisher bekannten Plänen sind auch geflüchtete Kinder und Jugendliche von Inhaftierung oder haftähnlicher Unterbringung an den europäischen Außengrenzen betroffen. Dies verstößt gegen das in der UN-Kinderrechtskonvention verankerte Recht auf Schutz vor Folter und Freiheitsentzug. „Je länger Kinder in prekären Situationen gehalten werden, umso größer wird das Risiko der seelischen Erkrankung, Radikalisierung oder Resignation mit einer erhöhten Suizidalität", konstatiert das IPPNW-Mitglied Ernst-Ludwig Iskenius. „Insbesondere geflüchtete Kinder und Jugendliche benötigen frühzeitig Sicherheit und Perspektive für sich und ihre Familien", so der Kinderarzt. Nur auf diese Weise seien Kinder infolge von traumatisierenden Erfahrungen überhaupt in der Lage, zu einer kindgerechten Entwicklung zurückzufinden.

Die Organisationen ermahnen die Bundesregierung, der eigenen Ankündigung im Prioritätenpapier zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems vom 26. April treu zu bleiben und sicherzustellen, dass Minderjährige vom Grenzverfahren ausgenommen werden. Zudem sollen Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, sich wirksam gegen Entscheidungen von Behörden zu wehren. Unbegleitete Minderjährige sollen kindgerechte Unterstützung, Vormundschaft und Rechtsbeistand erhalten. Ohne effektiven Rechtsschutz und kindgerechte Verfahrensbegleitung können die Rechte und das Wohl von flüchtenden Kindern in der EU nicht gewahrt werden.

Auch durch die geplante Erweiterung des Konzepts der sicheren Drittstaaten drohen massive Auswirkungen auf den Schutz von Asylsuchenden in der EU: Wenn Kinder und Jugendliche in der EU ankommen, können ihre Asylanträge - gemäß den aktuellen Beschlüssen des Rates der EU-Innenminister*innen - als unzulässig abgelehnt werden, selbst wenn in einigen Regionen eines außereuropäischen Landes nur ein unzureichendes Mindestmaß an Schutz gewährleistet ist.

Weitere Informationen:
Der Appell in voller Länge (PDF): http://ippnw.de/commonFiles/pdfs/Soziale_Verantwortung/Kinderrechtlicher_Appell_Reform_des_gemeinsamen_europaeischen_Asylsystems.pdf

Unterzeichnende Organisationen:
Amadeu Antonio Stiftung, Amnesty International Deutschland e.V., Arbeitsgemeinschaft Migrationsrecht im Deutschen Anwaltverein, AWO Bundesverband e.V., Bordermonitoring.eu, Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - BumF e.V.,Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer - BAfF e.V., Bundesweite Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL, Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit e.V. (Bündnis KJG), Der Paritätische Gesamtverband, Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF e.V.), Deutsches Kinderhilfswerk e.V., Diakonie Deutschland, DISCOVER FOOTBALL, ECPAT Deutschland e.V., Equal Rights Beyond Borders e.V., Exil e.V., Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V., FORUM MENSCHENRECHTE – Netzwerk deutscher Menschenrechtsorganisationen, Frankfurter Arbeitskreis Trauma und Exil, Freizeit für junge Geflüchtete Exil e.V., GRIPS Werke e.V., IPPNW e.V. - Deutsche Sektion der Internationalen Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkriegs /Ärzt*innen in sozialer Verantwortung, International Rescue Committee IRC Deutschland, Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland, JUMEN e.V. - Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland e.V., Jugendliche ohne Grenzen e.V., Kindernothilfe e.V., KinderRechteForum (KRF), #LeaveNoOneBehind, Lesben- und Schwulenverband (LSVD), Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V., MISSION LIFELINE INTERNATIONAL e.V., National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention, Neue Richtervereinigung (NRV), Plan International Deutschland e.V., REFUGIO Thüringen - Psychosoziales Zentrum für Geflüchtete und Überlebende von Folter, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV), Save the Children Deutschland e.V., SOS Kinderdorf e.V., terre des hommes Deutschland, Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V., Wohnschiffprojekt Altona e.V., Worldvision Deutschland e.V., XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V., Zentrum ÜBERLEBEN

Pressemitteilung 6.6.2023