Milieuschutz für Stadtteile vor Spekulation erfordert den Einsatz aller Instrumente - Der Frankfurter Magistrat will das Münchener Modell nicht anwenden

Der Umgang des Magistrats mit den in Frankfurt relativ schwach ausgebildeten Erhaltungssatzungen zeigt, dass zurzeit kein politischer Wille für eine effektive Durchsetzung des Milieuschutzes besteht.

Angesichts des enormen Umwandlungsdrucks auf die innenstadtnahen Stadtteile müssten alle zur Verfügung stehenden Schutzinstrumente eingesetzt werden, um die „gesunde“ Mischung der Bevölkerung zu erhalten und der Tendenz des Abgleitens der Gebiete in anonyme Quartiere der Reichen mit überwiegend leer stehenden Zweit- und Drittwohnungen gegenzusteuern.

Dass Milieuschutz wirkungsvoll eingesetzt werden kann, zeigt das Münchener Modell. In München wurde mit Unterstützung der Stadt eine genossenschaftliche Immobilienagentur (GIMA) gegründet, die Wohnhäuser aufkauft und den Einzelgenossenschaften überträgt. Hiermit haben auch verkaufswillige Eigentümer, die Ihr Wohnhaus nicht den üblichen Spekulanten vermachen wollen, eine soziale Alternative. Dasselbe gilt für Mieter, die das vor dem Verkauf stehende Haus als Mietergenossenschaft erwerben wollen.

Außerdem hat die Stadt München ihre Erhaltungssatzungen mit einem wirkungsvollen Milieuschutz ausgestattet. Sie kann dadurch bei drohender Umwandlung oder Luxussanierung von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen und die Liegenschaften später an die GIMA veräußern. Die Eigentümer können den Vorkauf durch die Stadt abwenden, indem sie soziale Auflagen erfüllen (z.B. Verzicht auf Umwandlung und Umbau). Siehe hierzu auch: MIETERINFO 2010 unter http://www.mhm-ffm.de.

In der FR vom 18.01. begründet Planungsamtssprecher Gellert die gegenüber Milieuschutzsatzungen ablehnende Haltung mit einer Floskel: „Die Erwartungen sind höher als das, was in der Realität erreicht werden kann.“
Da auch das Planungsdezernat sicher nicht behaupten will, dass das Münchener Modell gescheitert ist, zeigt diese Aussage, dass sich der Magistrat mit dem Konzept inhaltlich nicht befassen will.  Normalerweise würde als Gegenargument die Kostenfrage vorgeschoben. Aber offenbar wird hier das Münchener Modell schon aus grundsätzlichen Gründen abgelehnt.

Das gegenwärtige Schicksal der Frankfurter Erhaltungssatzungen
Ausgehend von obigem Zitat „…was in der Realität erreicht werden kann“, stellt sich die Frage, ob das Planungsamt überhaupt versucht, das Instrumentarium der bestehenden Erhaltungssatzungen (zumeist ohne Milieuschutz) konsequent einzusetzen. Denn ohne politischen Willen ist sowohl das Münchener Modell als auch eine einzelne Erhaltungssatzung wertlos. Das Amt ist bei seinen Entscheidungen, ob es den Satzungszielen im Einzelfall Geltung verschafft oder hiergegen verstößt, weitgehend frei bzw. rechtlich nicht angreifbar.
Wir glauben, dass das Planungsdezernat selbst den derzeitigen relativ „weichen“ Erhaltungssatzungen keine Geltung verschaffen will – aus politischen Gründen.

Hinterhofverdichtungen
Dies zeigt sich überdeutlich an der amtlichen Argumentation zum Thema Hinterhofverdichtungen: „Nachverdichtung ist politisch gewollt und unumgänglich, da es kaum Erweiterungsflächen in der Stadt gibt.“ (Herr Kummer, Leiter der Bauaufsicht, FR v.14.1.11)

Zur Einschätzung dieses Arguments (einschließlich „Sickereffekt“) muss man sich ein paar Zahlen zu den Größenordnungen des Frankfurter Wohnungsnotstands vor Augen halten:
Vielleicht können durch Hinterhofbebauungen ca. 100 zusätzliche Wohnungen entstehen. Es fehlen aber über 50.000 Wohnungen. Bei gemischten Neubauprojekten für Wohnungen und Büros wird der Büroanteil immer noch zu groß ausgelegt – zu Lasten des Wohnraums (u.a. Campus Bockenheim, Barckhausstraße…), obwohl ca. 1 Millionen qm Büroraum aussichtslos leer stehen. Ein Teil der leer stehenden Büroflächen lässt sich in Wohnraum umwandeln (wozu auch das Planungsamt Initiativen ergriffen hat).
Die Richtlinie, dass beim Bau großer Bürogebäude ein entsprechender Anteil von Wohnraum ortsnah gebaut werden muss, wird fast nie im Bürogebäude oder der Nachbarschaft umgesetzt, sondern oft auf bereits langfristig für Wohnungsbau bereitgestellten Flächen (Europaviertel).
Ein großes neues Bürohochhaus schafft Flächen für mehr als 1.000 Arbeitsplätze.

Diese Überlegungen zeigen, dass es viele Bereiche gibt, wo neuer Wohnraum entstehen kann, und dass das Planungsamt für die Bereitstellung neuer Flächen nicht gezwungen ist, gegen die Erhaltungssatzungen zu verstoßen. Die Stadt bietet die Möglichkeiten, sich auf ganz andere Projekte mit weitaus größeren Maßstäben der Wohnraumversorgung zu konzentrieren.

MIETER HELFEN MIETERN Frankfurt e.V.
Große Friedberger Straße 16-20
(an der Konstabler Wache)
60313 Frankfurt am Main
Tel. (069) 28 35 48
http://www.mhm-ffm.de