Schützt die Behindertenhilfe vor der Auslieferung an den Wettbewerb des Marktes.

erstellt von Initiative politisch engagierter Gewerkschafter*innen in ver.di und GEW — zuletzt geändert 2019-01-11T10:48:38+01:00
Offener Brief von politisch engagierten Gewerkschafter*innen zum CeBeeF an den Oberbürgermeister und die Stadtpolitiker

Rettet den CeBeeF!

so lautet das Motto eines Offenen Briefs, mit dem sich zahlreiche Gewerkschafter*innen, Betriebsräte, Organisationen und Einzelpersonen an Oberbürgermeister Feldmann und die Sozialdezernentin Birkenfeld wenden. Sie fordern die Stadt auf, die Beschäftigten des CeBeeF (Club Behinderter und ihrer Freunde) in einen städtischen Eigenbetrieb zu überführen.

Hintergrund der Initiative sind die anhaltenden wirtschaftliche Schwierigkeiten des Trägers. Der CeBeeF wird seit 2016 im Rahmen einer Schutzschirminsolvenz geführt. Der Verein war unlängst in die Schlagzeilen geraten, nachdem erneut Liquiditätsengpässe auftraten und die Auszahlung des Weihnachtsgeldes an die Beschäftigten zum Teil gestundet werden musste.
Die Unterzeichner*innen des offenen Briefes befürchten schwerwiegende Folgen, sollte der Verein wie von Gläubigerausschuss und der Beratungsfirma geplant, anderen Trägern angeboten werden. Es drohe eine Aufteilung des CeBeeF und eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen unter das bisherige tarifliche Niveau.

„Es geht um eine gesellschaftlich und politisch gewollte Arbeit der Öffentlichen Daseinsvorsorge. Es kann nicht im Interesse der Stadtgesellschaft sein, ein bewährtes Instrument der Behindertenhilfe zu zerschlagen“ hält ver.di-Vertrauensmann Michael Altmann, Erstunterzeichner des offenen Briefes, diesen Plänen entgegen.

Die Fehler der Geschäftsführung sollten nicht zu Lasten der Beschäftigten und der Kund*innen des CeBeeF gehen:„ Eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führt auch zu Qualitätsverlusten in der täglichen Arbeit. Die Tarifbindung und die von der Belegschaft erkämpften Rahmenbedingungen müssen erhalten bleiben!“ so Maria Lüning, Kollegin aus dem Frankfurter Netzwerk der Sozialen Arbeit, welches gleichfalls den Offenen Brief unterstützt.

In der Überführung des CeBeeF in einen Städtischen Eigenbetrieb sehen die Unterzeichner*innen des Offenen Briefes die Gewähr, sowohl tariftreue Bezahlung als auch Kontrolle über die Verwendung öffentlicher Gelder zu garantieren.

Der Offene Brief mitsamt Unterschriften wird am Neujahrsempfang des DGB am 12. Januar 2019 an Oberbürgermeister Feldmann übergeben. Weitere Aktionen sind geplant.

Pressemitteilung, Frankfurt/ Main, den 11. Januar 2019

im Auftrag der Unterzeichner*innen:
Maria Lüning, Michael Altmann
(Vertrauensleute im ver.di Fachbereich 03 (Gesundheit und Soziales)
von ver.di Bezirk Frankfurt am Main und Region.

Offener Brief

an SPD-OB Peter Feldmann und Stadträtin Prof. Dr. Daniela Birkenfeld,
an die Fraktionen der Römer Koalition:

Rettet den Club Behinderter und ihrer Freunde (CeBeeF)!

Sehr geehrte Politiker*innen,

wir sozialpolitisch aktive Gewerkschafter*innen und politisch Engagierte sind in großer Sorge um die Versorgung und Betreuung der Menschen mit Behinderungen in unserer Stadt. Die Politik hat entschieden, dass zur Unterstützung und Assistenz dieser Menschen der Verein Club Behinderter und ihrer Freunde Frankfurt e.V. finanziert wird. Die Arbeit des CeBeeF entspricht dem politischen Willen der Bevölkerung.

Die Beschäftigten des CeBeeF erfüllen diesen politischen Willen durch ihre qualifizierte und engagierte soziale Arbeit. Sie sind dabei auch bereit, viele Überstunden zu machen. Um genügend Personal für diese Arbeit zu finden, die kontinuierlich und nachhaltig erbracht werden muss, hat die Politik den Kampf der Beschäftigten mit ihrer Gewerkschaft für die Anwendung des Tarifvertrags des Öffentlichen Dienstes durch die entsprechende zusätzliche Finanzierung unterstützt. Die Anwendung des TVöD entspricht dem Willen der Stadtverordneten, die 2012 einmütig den Tariftreuebeschluss entschieden hat (NR 241 von 2012), nach dem die Träger, die städtisch finanziert werden, ihre Beschäftigten „tariftreu“ bezahlen sollen. Dieser politische Wille der Stadt wurde durch die Koalitionsvereinbarung 2016 bis 2021 bestätigt:

Die freien Träger der Sozial- und Jugendhilfe erbringen eine Vielzahl von Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger im Auftrag der Stadt. Wir werden im Verlaufe der Wahlperiode dafür sorgen, dass sich die Tariferhöhungen in den Leistungen an die Träger wiederfinden. Wir werden wie bei anderen Zuschussempfängern sicherstellen, dass die vereinbarten Tariftreueverpflichtungen eingehalten …. (Koalitionsvertrag CDU + SPD + DIE GRÜNEN 2016-2021 vom Mai 2016, S. 22)

Leider müssen wir feststellen, dass dieser politische Wille unterlaufen wird, weil der Verein CeBeeF nicht in der Lage ist, den mit der Gewerkschaft frei abgeschlossenen Tarifvertrag einzuhalten. Anfang des Jahres 2016 hat der Träger eine „Schutzschirm-Insolvenz“ angemeldet. Das bedeutet, dass die von den Kolleginnen und Kollegen geleisteten Überstunden und tarifliche Zuwendungen beraubt wurden, weil diese in die Insolvenzmasse eingeflossen sind. Während des Insolvenzverfahrens hat sich die Unsicherheit in der Belegschaft sehr verstärkt. Die sogenannte „Schutzschirm“-Insolvenz führt nun dazu, dass die Geschäftsführung, die für die Insolvenz verantwortlich ist, weitere Maßnahmen in Zusammenarbeit mit dem Sachwalter und dem Gläubigerausschuss durchführt. So wird den Kolleg*innen ihr 13. Monatsgehalt erstmal vorenthalten, sie sollen es verzögert erhalten,– wahrscheinlich erst aus den Zuwendungen der Stadt aus dem neuen Haushaltsjahr.

Der Sachwalter, der Gläubigerausschuss und die Geschäftsführung werden von der Beratungsgesellschaft Baker Tilly Roelfs beraten. Sie sind bekannt durch „Restrukturierung von Pflegeheimen unter dem Schutzschirm“ (angekündigte Handelsblatt-Tagung am 8./9. Mai 2019 in Frankfurt am Main). Die Pläne zur Umstrukturierung sehen ein Filetieren des Vereins vor, indem er in verschiedene Arbeitsbereiche aufgeteilt und anderen Trägern angeboten wird. Wir befürchten, dass dadurch dem Berliner Pflegewerk ermöglicht werden soll, seinen Konzern auszuweiten und in Frankfurt Fuß zu fassen. Was mit den „defizitären“ Bereichen geschieht, ist unklar.

Jedenfalls sollen damit der sozial strukturierte und gewachsene Trägerverein und sein Angebot auf Kosten der Beschäftigten „marktgerecht“ strukturiert werden. Es kann nicht im Interesse der Stadtgesellschaft sein, ein bewährtes Instrument der Behindertenhilfe zu zerschlagen. Der Markt hat in der Sozialen Arbeit nichts zu suchen. Es geht um eine gesellschaftlich und politisch gewollte Arbeit der Öffentlichen Daseinsvorsorge. Sie muss nach sozialpädagogischen Prinzipien arbeiten können. Die Zuwendung kommt schon gegenüber Unterstützung, Assistenz und Pflege zu kurz.

Wie sehen die Stadtpolitik in der Verantwortung, über Strukturen der Öffentlichen Daseinsvorsorge zu entscheiden, das kann nicht den Trägern allein überlassen werden.

Wir fordern deshalb die sozialpolitisch Verantwortlichen der Stadt Frankfurt am Main auf:

Stellt sicher, dass die Besitzstände und Existenzgrundlagen der Beschäftigten in der Behindertenhilfe auf dem qualitativen Niveau und tariflich bezahlt gesichert werden: Dass die Beschäftigten ihre geleisteten Überstunden vergütet und ihre tarifvertraglichen Ansprüche erfüllt werden!

Wir fordern den Oberbürgermeister und die Stadtpolitiker auf: Schützt die Behindertenhilfe vor der Auslieferung an den Wettbewerb des Marktes. Stellt die solidarischen Grundlagen der Sozialpolitik wieder her.

Am besten wäre es - da die Freie Wohlfahrtspflege nicht in der Lage ist, ihre eigenen Ansprüche gegenüber dem Markt zu garantieren - die Beschäftigten des Vereins CeBeeF in einen städtischen Eigenbetrieb zu überführen. Damit wird auch die öffentliche Kontrolle dieser Arbeit und die Verwendung der öffentlichen Gelder garantiert.

Initiative politisch engagierter Gewerkschafter*innen in ver.di und GEW:

Kontakt: michael.altmann@gmx.net

Der hier dokumentierte offene Brief soll demnächst mit Stützunterschriften veröffentlicht werden, wer noch unterschreiben möchte, tue dies bitte per mail an unsere Kontaktadresse