Videoüberwachung an der Hauptwache

erstellt von dieDatenschützer Rhein Main — zuletzt geändert 2017-06-11T16:48:58+01:00
Offener Brief an den Frankfurter Polizeipräsidenten G. Bereswill.

Polizeipräsidium Frankfurt <ppffm@polizei.hessen.de>
Datum: 8. Juni 2017 um 00:24
Betreff: Videoüberwachung an der Hauptwache

Sehr geehrter Herr Bereswill,

die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main verfolgt mit Interesse die politischen Auseinandersetzungen um den von Ihnen wiederholt geforderten Ausbau der Videoüberwachung des öffentlichen Raums in Frankfurt. Ausweislich des Berichts der Frankfurter Neuen Presse (FNP) vom 15.05.2017 sprachen Sie beim Unterbezirksparteitag der SPD Frankfurt über die Sicherheitsarchitektur der Stadt. Die FNP berichtet, Sie wünschten sich „mehr Videoüberwachung, insbesondre an der Hauptwache… Deutschland sei ein Zielland für den Terrorismus. Die Frage eines Anschlags durch den ‚Islamischen Staat‘ (IS) sei keine Frage des Ob, sondern des Wie. Der Zerfall des IS erhöhe die Anschlagsgefahr noch. Frankfurt sei einer der Orte; die in Frage kämen. Am Hauptbahnhof und am Flughafen sei ein Anschlag schwierig auszuführen. Die Hauptwache indes sei nach dem Hauptbahnhof der zweitgrößte Verkehrsknotenpunkt mit großen Menschenansammlungen und zudem ein touristischen Ziel. Ein Anschlag dort würde das öffentliche Leben stark beeinträchtigen... Eine Videoüberwachung an der Hauptwache würde wertvolle Dienste leisten‘... Attentäter würden dadurch bei der Erkundung und Tatvorbereitung erkannt werden. Im Falle eines Anschlags könnten die Rettungsmaßnahmen besser koordiniert werden. Ein Sonderkommando könnte schneller und gezielter zum Einsatzort gelangen. Bereswill... betonte, ‚dass wir die Datenschutzbelange sehr ernst nehmen‘. Eine Speicherung der Daten von acht Wochen, wie gesetzlich möglich, müsse nicht sein. Auch bei Demonstrationen an der Hauptwache sicherte Bereswill die Einhaltung des Datenschutzes zu…“


Für die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main stellen sich auf Grund dieser Aussagen Fragen, um deren Beantwortung wir Sie bitten möchten:

  • Woher nehmen Sie die Sicherheit, dass durch „Videoüberwachung an der Hauptwache… Attentäter… bei der Erkundung und Tatvorbereitung erkannt werden“ würden?
  • Können Sie zusichern, dass die Monitore hinter allen geplanten Kameras ständig durch Polizeibeamte beobachtet werden ohne dass der Streifendienst in der Innenstadt dadurch reduziert wird?
  • Woher nehmen Sie die Sicherheit, dass „im Falle eines Anschlags…“ durch den Einsatz von Videokameras „die Rettungsmaßnahmen besser koordiniert werden“ könnten?
  • Woher nehmen Sie die Sicherheit, dass durch den Einsatz von Videokameras „ein Sonderkommando… schneller und gezielter zum Einsatzort gelangen“ könnte?
  • Mit welchen Vorkehrungen wollen Sie „bei Demonstrationen an der Hauptwache… die Einhaltung des Datenschutzes“ sicher stellen?

Darüber hinaus haben wir weitere Fragen an Sie:

  • Wenn Sie die Videoüberwachung der Hauptwache benennen: Welches Areal meinen Sie damit? Lediglich den Platz unmittelbar rund um die historische Hauptwache? Oder auch den Goetheplatz, den Platz vor der Katharinenkirche, den Rathenauplatz, den Roßmarkt, den Steinweg und den Stoltzeplatz?
  • Gibt es belastbare und für die interessierte Öffentlichkeit überprüfbare Daten, dass es an der Hauptwache ein erhöhtes Aufkommen von Drogen- und Kleinkriminalität, Diebstählen und Raubüberfällen gibt – also einen oder mehrere örtlich präzise abgrenzbare Kriminalitätsschwerpunkte?
  • Gibt es belastbare und für die interessierte Öffentlichkeit überprüfbare Daten, dass andere Mittel der Gewaltprävention und der Aufklärung von Straftaten an der Hauptwache nicht zur Verfügung stehen oder nicht geeignet sind, das gewünschte Ziel zu erreichen?
  • Gibt es belastbare und für die interessierte Öffentlichkeit überprüfbare Daten, dass die Videoüberwachung der Hauptwache die Probleme objektiv reduzieren kann?
  • Gibt es bereits ein Verfahrensverzeichnis zur geplanten Videoüberwachung an der Hauptwache?

Abschließend: Wir möchten uns bedanken, dass Mitglieder der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main am 23.05.2017 Gelegenheit hatten, Einsicht zu nehmen in die Verfahrensverzeichnisse der Kameraanlagen, die die Polizei in Zusammenwirken mit der Stadt Frankfurt, in einem Fall mit dem Generalkonsulat der USA, bereits betreibt. Ihre Mitarbeiter haben das Verfahren der Einsichtnahme freundlich und kooperativ gestaltet und informative Antworten auf Rückfragen gegeben.

Nicht verhehlen möchten wir aber unsere Irritationen, die dabei ausgelöst wurden. Zwei Beispiele sollen dies illustrieren:

In öffentlichen Diskussionen werden von Befürwortern der Videoüberwachung im öffentlichen Raum Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mit dem Argument „verkauft“, dass schwere Straftaten verfolgt werden sollten. So überraschte es uns nicht wenig, dass sämtliche Verfahrensverzeichnisse Ihrer Kameraanlagen auch den Zweck der „Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten“ beinhalten. Das bedeutet, dass diese Videodaten für jedes Falschparken, für jeden Lichtverstoß an Fahrrädern, einfach für jede erdenkliche Bagatelle genutzt werden dürfen. Ein so exzessiver Einsatz von Videoüberwachung ist unverhältnismäßig.

Den Vogel schießt aber das Verfahrensverzeichnis für Kameras an der Konstablerwache ab. Hier wird als Zweck der Überwachung die Erhöhung des Sicherheitsempfindens der Bürger angeführt. Dieses subjektive Sicherheitsempfinden rechtfertigt unseres Erachtens in keinem Fall einen Eingriff in Grundrechte. Weder bei der Überwachung selbst noch bei der Aufzeichnung von Videodaten.

Mit freundlichen Grüßen

dieDatenschützer Rhein Main (https://ddrm.de/)

gez. Uli Breuer

gez. Roland Schäfer

gez. Walter Schmidt