Vor 90 Jahren: Machtübertragung an den deutschen Faschismus

erstellt von FIR — zuletzt geändert 2023-01-27T15:12:06+01:00
Weltweit wird der 27. Januar, der Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee, als Gedenktag für die Opfer der nazistischen Barbarei begangen.

In Deutschland erklärte die VVN-BdA schon vor über 25 Jahren:
„Wer des 27. Januar 1945 gedenkt, muss auch den 30. Januar 1933 mitdenken. Ursachen und Herkunft des Faschismus sind notwendige Bestandteile jeder Erinnerungsarbeit. ... Das Gedenken an die Opfer muss verbunden sein mit der Erinnerung daran, wer die Täter waren. Das heißt: Benennung der Schuldigen und der Nutznießer an der Errichtung der nazistischen Herrschaft in Deutschland und an der Entfesselung des Krieges."

In diesem Sinne erinnert auch die FIR an die Machtübertragung an die Hitler-Regierung am 30. Januar 1933, mit der die Voraussetzungen geschaffen wurden, eine faschistische Herrschaft in Deutschland zu errichten, die im faschistischen Expansionskrieg und der millionenfachen Ermordung von Menschen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern mündete, also Auschwitz hervorbrachte.

In früheren Jahren wurde Hitler gern als „Betriebsunfall der Geschichte" angesehen und der Begriff „Machtergreifung" signalisiert, dass der 30. Januar „schicksalhaft" über das Land gekommen sei. Damit verdrängte man die Erkenntnis, welche gesellschaftlichen Kräfte ein Interesse an der Errichtung und Etablierung der faschistischen Herrschaft hatten. Tatsächlich waren es einflussreiche Gruppen der gesellschaftlichen Eliten – rechte Parteien, Großunternehmer und Bankiers, Großgrundbesitzer, Akademiker, Kirchen, Vertreter des Militärs, die ein Interesse an der Umgestaltung der Weimarer Republik im Sinne eines autoritären, antiparlamentarischen Herrschaftssystems hatten. Diese Machtgruppen hatten sich für die reaktionärste Variante bürgerlicher Herrschaft entschieden, die nun mit der Ernennung der Hitler-Regierung am 30. Januar 1933 umgesetzt werden sollte.

Mit dieser Machtübertragung wurden die Weichen für die Etablierung der faschistischen Herrschaft gestellt. Reichspräsident Paul von Hindenburg erließ Notverordnungen, die den Weg frei machten für Versammlungsverbote, Zeitungsverbote und Verhaftungen politischer Gegner. Am 4. Februar wurde der Reichstag aufgelöst. Bis zu Neuwahlen, die bereits unter illegalen Bedingungen stattfanden, agierte die Hitler-Regierung ohne parlamentarische Kontrolle. SA, SS und „Stahlhelm" wurden als „Hilfspolizei" eingesetzt. Die Ausweitung des staatlichen Verfolgungsapparates in den ersten Wochen der Hitler-Regierung schuf die Instrumentarien für den Terror und die Verfolgung politisch Andersdenkender. Insbesondere die Arbeiterbewegung – ihre Parteien, Gewerkschaften und Kulturorganisationen – wurde verfolgt. Massenverhaftungen von über 10.000 politischen Gegnern des Naziregimes nach dem inszenierten Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 waren der sichtbare Ausdruck der Errichtung einer terroristischen Herrschaft in Deutschland. Am 1. April fanden die ersten staatlich organisierten Boykottaktionen gegen jüdische Menschen statt.

Die FIR erinnert aber auch daran, dass deutsche Antifaschisten schon vor 1933 vor dieser faschistischen Barbarei gewarnt hatten. Trotz Verfolgung setzten sich von 1933 bis 1945 viele Frauen und Männer, bei Gefahr für ihre Freiheit, Gesundheit oder gar ihr Leben, für die antifaschistischen Überzeugungen, für aus politischen oder rassistischen Gründen Verfolgte und gegen die Vorbereitung des Krieges ein. Sie sind ein Ruhmesblatt in der deutschen Geschichte.

Wer heute an die Machtübertragung an die NS-Regierung erinnert, erinnert nicht nur an ein geschichtliches Ereignis. Auch heute stellt sich die Frage, wie die politisch und ökonomisch Mächtigen mit demokratisch–parlamentarischen Prinzipien umgehen. Das politische Erstarken der AfD und ihre Vorstöße zur Relativierung der NS-Verbrechen machen ebenfalls deutlich, dass die Erinnerung an den 30. Januar 1933 kein nur historisches Thema ist. Die Verteidigung der demokratischen und sozialen Freiheiten in Deutschland und Europa sowie der gesellschaftliche Widerstand gegen Rechtsentwicklungen, antidemokratische und rassistische Tendenzen und politische Kräfte, die diese Form faschistischer Krisenbewältigung und Herrschaft propagieren, bleiben aktuell. Die deutschen Antifaschisten haben dazu vor vielen Jahren die klare Losung formuliert: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!"

Im Sinne des Vermächtnisses der Überlebenden, wie es in dem Schwur der Häftlinge von Buchenwald vom 19. April 1945 heißt, wirken die FIR und ihre Mitgliedsverbände auch 90 Jahre nach dem Beginn der faschistischen Herrschaft in Deutschland für „die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln" und den „Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit".

FIR Newsletter 2023-04 dt. 27.1.2023