Wenn Widerstand zur Straftat wird... Der Protest gegen Stuttgart 21 und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit
Der Text des
auch als Druckvorlage zur Verfügung stehenden Flyers im Wortlaut:
Wenn Widerstand zur Straftat wird...
Der Protest gegen Stuttgart 21 und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit
Am Donnerstag, den 30. September ereignete sich in Stuttgart etwas, das viele Menschen nicht für möglich gehalten hätten:
In einem brutalen
Polizeieinsatz wurden hunderte friedlich protestierende "Stuttgart 21"
GegnerInnen, darunter Alte, Jugendliche, Behinderte und Mütter mit
Kindern mit Wasserwerfern, Reizgas und Knüppeln zum Teil schwer
verletzt. Der in zahlreichen Fotos und Videos dokumentierte
Polizeieinsatz wurde mit dem angeblichen Begehen einer Straftat
begründet.
Das Bündnis „Jugendoffensive
gegen Stuttgart 21“ hatte nachweislich Wochen vorher eine
Schülerdemonstration und Kundgebung im Schlossgarten angemeldet. Der
Einsatz der Polizei zu diesem Zeitpunkt war illegal.
Das Brokdorf Urteil
Versammlungen „enthalten ein
Stück ursprünglich - ungebändigter unmittelbarer Demokratie“, urteilte
das Bundesverfassungsgericht zu Sitzblockaden. Diese sind
verfassungsrechtlich als eine Versammlung nach Art. 8 des Grundgesetzes
anzusehen und nicht in jedem Fall als Nötigung.
Polizeieinsatz wegen Ordnungswidrigkeiten?
Ministerpräsident Mappus stellt
sich uneingeschränkt hinter das brutale Vorgehen der Polizei. Den für
den Einsatz verantwortlichen und massiv in die Kritik geratenen
Innenminister Heribert Rech nimmt er öffentlich in Schutz und
kriminalisiert die Demonstranten.
Die Regierung Mappus zeigt sich
trotz breiter Kritik selbst aus den Reihen von Befürwortern von
„Stuttgart 21“ uneinsichtig: "Entschuldigen muss man sich, wenn man
Fehler begangen hat."
Unser Bündnis macht dagegen
die Landesregierung verantwortlich für die eklatanten Verstöße gegen das
Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und fordert:
Treten Sie zurück Herr Rech!
Treten Sie zurück Herr Mappus!
Statt immer weiterer Einschränkung ist ein fortschrittliches Versammlungsrecht nötig!
Wir
brauchen ein Versammlungsrecht, das spürbare Proteste ermöglicht und
denen, gegen die protestiert wird, die Forderungen deutlich macht. Vor
einem solchen demokratischen Recht haben nur diejenigen Angst, gegen die
sich der Protest richtet.
Seit Jahren finden Einschränkungen des Versammlungsrechts statt:
•
Die Anfang der 80er Jahre in Zusammenhang mit den Protesten gegen die
Atomraketenstationierung vom späteren Bundespräsidenten Roman Herzog
eingeführte „Wegtragegebühr“.
• Die gewaltsame Räumung friedlicher
Sitzblockaden wie die vor der Kirche St. Eberhard im Zusammenhang mit
den Protesten gegen das öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr am 30. Juli
2010 in Stuttgart.
• Faktisches Demoverbot in der Königsstraße.
•
Schikanöse Auflagen, wie Breite von Transparenten, Beschallung von
Plätzen, Bezahlung von Absperrmaßnahmen durch die Veranstalter.
• Die willkürliche Ablehnung von Demoanmeldern.
• Das Filmen von Demonstrationen.
Statt dessen fordern wir:
• Abschaffung der „Wegtragegebühr“!
• Einstellung der Verfahren gegen Protestierende!
• Keine Einschränkung des Rechts auf Versammlungsfreiheit durch Polizei- und Stadtverordnungen.
•
Übernahme aller Kosten, die den Protestierenden durch juristische
Verfahren, Verdienstausfälle, medizinische Behandlung usw. entstanden
sind.
• Das Recht für alle, jederzeit und ohne Anmeldung an
demokratischen und antifaschistischen Protesten teilnehmen zu können und
diese auch organisieren zu dürfen.
• Schluss mit den Repressionen gegen die SchülerInnen und Lehrer und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die an den Protesten am 30. September teilgenommen haben.
„Ja zur Versammlungsfreiheit – Nein zur Verschärfung des Versammlungsgesetzes“ ist aktueller denn je.
Die Landesregierung versucht seit 2008 ein neues Versammlungsgesetz
durchzusetzen. Dies soll das Recht auf Versammlungsfreiheit erheblich
einschränken. Ihr Entwurf schafft bürokratische Hürden, sieht die
Registrierung, Überwachung und Erfassung der TeilnehmerInnen vor.
Gleichzeitig soll das neue Gesetz Polizei und Behörden die Möglichkeit
für willkürliche Erschwernisse, Eingriffe in die Versammlung und die
Rechte der Versammelten geben.
Dagegen hat sich im Oktober 2008
unser Bündnis gegründet, das inzwischen aus über 120 Organisationen und
zahlreichen Einzelpersonen besteht. Wir haben eine Großdemonstration am 6. Dezember 2008 mit weit über 5000
TeilnehmerInnen, diverse Veranstaltungen, Vortragsreihen und mehr
durchgeführt und stellen Demobeobachter auf.
Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit http://versammlungsrecht.info/neu/index.html