Wenn Widerstand zur Straftat wird... Der Protest gegen Stuttgart 21 und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit

erstellt von Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit — zuletzt geändert 2010-10-11T21:35:05+01:00
Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit hat anlässlich des Polizeieinsatzes am 30. September 2010 in Stuttgart einen neuen Flyer mit dem Titel "Wenn Widerstand zur Straftat wird... Der Protest gegen Stuttgart 21 und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit" veröffentlicht.

Der Text des auch als Druckvorlage zur Verfügung stehenden Flyers im Wortlaut:

Wenn Widerstand zur Straftat wird...

Der Protest gegen Stuttgart 21 und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit

Am Donnerstag, den 30. September ereignete sich in Stuttgart etwas, das viele Menschen nicht für möglich gehalten hätten:

In einem brutalen Polizeieinsatz wurden hunderte friedlich protestierende "Stuttgart 21" GegnerInnen, darunter Alte, Jugendliche, Behinderte und Mütter mit Kindern mit Wasserwerfern, Reizgas und Knüppeln zum Teil schwer verletzt. Der in zahlreichen Fotos und Videos dokumentierte Polizeieinsatz wurde mit dem angeblichen Begehen einer Straftat begründet.

Das Bündnis „Jugendoffensive gegen Stuttgart 21“ hatte nachweislich Wochen vorher eine Schülerdemonstration und Kundgebung im Schlossgarten angemeldet. Der Einsatz der Polizei zu diesem Zeitpunkt war illegal.

Das Brokdorf Urteil
Versammlungen „enthalten ein Stück ursprünglich - ungebändigter unmittelbarer Demokratie“, urteilte das Bundesverfassungsgericht zu Sitzblockaden. Diese sind verfassungsrechtlich als eine Versammlung nach Art. 8 des Grundgesetzes anzusehen und nicht in jedem Fall als Nötigung.

Polizeieinsatz wegen Ordnungswidrigkeiten?
Ministerpräsident Mappus stellt sich uneingeschränkt hinter das brutale Vorgehen der Polizei. Den für den Einsatz verantwortlichen und massiv in die Kritik geratenen Innenminister Heribert Rech nimmt er öffentlich in Schutz und kriminalisiert die Demonstranten.
Die Regierung Mappus zeigt sich trotz breiter Kritik selbst aus den Reihen von Befürwortern von „Stuttgart 21“ uneinsichtig: "Entschuldigen muss man sich, wenn man Fehler begangen hat."

Unser Bündnis macht dagegen die Landesregierung verantwortlich für die eklatanten Verstöße gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und fordert:

Treten Sie zurück Herr Rech!
Treten Sie zurück Herr Mappus!

Statt immer weiterer Einschränkung ist ein fortschrittliches Versammlungsrecht nötig!

Wir brauchen ein Versammlungsrecht, das spürbare Proteste ermöglicht und denen, gegen die protestiert wird, die Forderungen deutlich macht. Vor einem solchen demokratischen Recht haben nur diejenigen Angst, gegen die sich der Protest richtet.

Seit Jahren finden Einschränkungen des Versammlungsrechts statt:
• Die Anfang der 80er Jahre in Zusammenhang mit den Protesten gegen die Atomraketenstationierung vom späteren Bundespräsidenten Roman Herzog eingeführte „Wegtragegebühr“.
• Die gewaltsame Räumung friedlicher Sitzblockaden wie die vor der Kirche St. Eberhard im Zusammenhang mit den Protesten gegen das öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr am 30. Juli 2010 in Stuttgart.
• Faktisches Demoverbot in der Königsstraße.
• Schikanöse Auflagen, wie Breite von Transparenten, Beschallung von Plätzen, Bezahlung von Absperrmaßnahmen durch die Veranstalter.
• Die willkürliche Ablehnung von Demoanmeldern.
• Das Filmen von Demonstrationen.

Statt dessen fordern wir:

• Abschaffung der „Wegtragegebühr“!
• Einstellung der Verfahren gegen Protestierende!
• Keine Einschränkung des Rechts auf Versammlungsfreiheit durch Polizei- und Stadtverordnungen.
• Übernahme aller Kosten, die den Protestierenden durch juristische Verfahren, Verdienstausfälle, medizinische Behandlung usw. entstanden sind.
• Das Recht für alle, jederzeit und ohne Anmeldung an demokratischen und antifaschistischen Protesten teilnehmen zu können und diese auch organisieren zu dürfen.

• Schluss mit den Repressionen gegen die SchülerInnen und Lehrer und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die an den Protesten am 30. September teilgenommen haben.

„Ja zur Versammlungsfreiheit – Nein zur Verschärfung des Versammlungsgesetzes“ ist aktueller denn je.

Die Landesregierung versucht seit 2008 ein neues Versammlungsgesetz durchzusetzen. Dies soll das Recht auf Versammlungsfreiheit erheblich einschränken. Ihr Entwurf schafft bürokratische Hürden, sieht die Registrierung, Überwachung und Erfassung der TeilnehmerInnen vor. Gleichzeitig soll das neue Gesetz Polizei und Behörden die Möglichkeit für willkürliche Erschwernisse, Eingriffe in die Versammlung und die Rechte der Versammelten geben.

Dagegen hat sich im Oktober 2008 unser Bündnis gegründet, das inzwischen aus über 120 Organisationen und zahlreichen Einzelpersonen besteht. Wir haben eine Großdemonstration am 6. Dezember 2008 mit weit über 5000 TeilnehmerInnen, diverse Veranstaltungen, Vortragsreihen und mehr durchgeführt und stellen Demobeobachter auf.

Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit http://versammlungsrecht.info/neu/index.html