Will die NATO einen Krieg herbeireden?

Mit Sorge verfolgt die FIR die propagandistische Eskalation der Angriffe der Ukraine und der NATO gegen die russische Föderation mit der Behauptung, Russland bereite einen Krieg gegen die Ukraine vor.

Rechtzeitig vor der NATO-Tagung im Baltikum behauptete der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij im November 2021, die russischen Streitkräfte bereiten einen Überraschungsangriff in den kommenden Tagen vor. Nicht ohne anzukündigen, man werde in absehbarer Zeit die Krim zurückerobern. Nun lassen „ungenannte" US-Geheimdienste über die „Washington Post" die „Erkenntnis" verbreiten, dass der russische Angriff Anfang 2022 erfolgen solle. Begründet wird diese Behauptung mit angeblichen russischen Truppenaufmärschen entlang der ukrainischen Grenze.

Man könnte dies alles für Propagandagetöse halten, wenn nicht die Repräsentanten der NATO, der USA und verschiedener westeuropäischer Staaten diese Behauptungen zum Anlass nähmen, Drohungen gegen Russland auszusprechen und militärische Aufrüstung in Richtung russische Grenze anzukündigen. Außerdem verstärkt die NATO ihre militärische Präsenz im Schwarzen Meer. Sie macht also genau das, was die russische Regierung den westlichen Staaten seit Jahren vorwirft, ihre militärische Infrastruktur in »unverantwortlicher Weise bis an die russischen Grenzen voranzutreiben«. Außerdem – so die Kritik Russlands – habe die Aufrüstung des ukrainischen Militärs durch die USA und andere NATO-Staaten Kiew ermutigt, die Minsker Vereinbarungen zu unterlaufen.
Eine Bestätigung dieser russischen Sorge liefert der Auftritt von EU Außenbeauftragter Josep Borrell, der als „Diplomatie" der EU die „starke Unterstützung der Ukraine" bezeichnet. Rückendeckung erfährt er von den baltischen Republiken und Polen, die die EU zu weiteren Sanktionen und „Abschreckungsmaßnahmen" gegen Russland auffordert, vorgeblich um damit Russland von möglichen militärischen Schritten abzuhalten. Gleichzeitig bemüht man an der Grenze zu Belarus den „äußeren Feind" in der Form der Flüchtlinge, gegen die sich Europa auch militärisch zur Wehr setzen müsse.

Zurzeit ist noch nicht erkennbar, wie diese propagandistische Eskalation gestoppt werden kann. So gab es zwar ein Treffen des russischen Außenministers Sergej Lawrow mit dem US-Außenminister Antony Blinken Ende November am Rande einer Konferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in Stockholm. Nach allen darüber bekannt gewordenen Informationen hat dieses Treffen nur zur Klärung der unterschiedlichen Vorstellungen zwischen beiden Seiten geführt, jedoch noch nicht zu einer Entspannung beitragen können. Der russische Außenminister warnte in aller Deutlichkeit vor der „alptraumhaften Aussicht auf eine militärische Konfrontation", während der US-Außenminister den Eindruck vermittelte, dass die USA einen Krieg durchaus in Kauf zu nehmen bereit sei. Bei Antony Blinkens Auftreten konnte man den Eindruck gewinnen, dass er die Illusion hat, ein solcher Krieg sei auf Europa begrenzt und die USA sei daher der eigentliche Nutznießer. Das Video-Gespräch von US-Präsident Biden und Russlands Präsident Putin war als wichtiger Schritt zur Verständigung geplant, konnte aber nach den bekannt gewordenen Ergebnissen nicht überzeugen. In der Sprache der Diplomatie heißt es, man werde gemäß der besonderen Verantwortung für die Aufrechterhaltung der internationalen Sicherheit und Stabilität den Dialog und die notwendigen Kontakte fortsetzen. Gleichzeitig wiederholten die USA ihre Vorwürfe, ohne dass es erkennbar Schritte des Dialogs gegeben habe.

Die FIR fordert daher Russland, die Ukraine und die Vereinigten Staaten, sowie alle Regierungen in Europa dazu auf, sich aktiv für eine Deeskalation der Situation einzusetzen. Niemand darf eine militärische Eskalation zulassen, die die Gefahr eines großen Krieges verstärkt. Das Desaster des Afghanistan-Einsatzes hat gerade in aller Deutlichkeit gezeigt, dass durch Militäraktionen zwar Territorien und Staaten zerstört werden können, aber keine Lösungen für politische Konflikte entstehen. Eine Lösung der Ukraine-Krise ist nur auf der Grundlage der Minsker Vereinbarungen möglich, nicht durch Militärabenteuer. Wenn sich die westlichen Staaten als Verbündete der Ukraine betrachten, dann müssen sie dies der ukrainischen Regierung auch deutlich machen.

aus: Newsletter 2021-49 dt, 10.12.2021