Wir brauchen eine Luftbrücke für Afghanistan!

erstellt von Pro Asyl — zuletzt geändert 2022-02-02T13:20:16+01:00
Anlässlich der heute beginnenden Afghanistan-Gespräche im Europäischen Parlament und des informellen Treffens der EU-Innenminister*innen am 3. und 4. Februar fordert PRO ASYL die EU-Länder auf, ihre Zusagen zur Aufnahme schutzbedürftiger Afghan*innen einzuhalten und die Zahl der Aufzunehmenden substanziell zu erhöhen. Neue Erkenntnisse der Vereinten Nationen zeigen die Dringlichkeit dessen auf.

Die Taliban haben einem UN-Bericht zufolge seit ihrer Machtübernahme im August 2021 mehr als hundert ehemalige Regierungsmitarbeiter*innen und Ortskräfte der internationalen Truppen in Afghanistan getötet. In dem Bericht, der der Nachrichtenagentur AP in einer Vorabversion vorliegt, wird auch darauf hingewiesen, dass "Menschenrechtsverteidiger und Medienschaffende weiterhin Angriffen, Einschüchterungen, Schikanen, willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen und Tötungen ausgesetzt [sind]". Angesichts dessen appelliert PRO ASYL an die Innenminister*innen der EU, die Aufnahme gefährdeter Afghan*innen bei ihrem informellen Treffen am 3. und 4. Februar weit oben auf die Agenda zu setzen.

"Die EU und ihre Mitglieder müssen die neuen Erkenntnisse der Vereinten Nationen ernst nehmen und endlich handeln“, fordert Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. „Europa muss bedrohten Menschen aus Afghanistan schnell und unbürokratisch Schutz bieten. Ihre Aufnahme stockt schon viel zu lange – es darf keine weitere Zeit verloren werden.“ Stattdessen scheint es so, als ob die EU nur auf Grenzabwehr an ihren Außengrenzen setzt. Die Schutzbedürftigen sitzen in Afghanistan in der Falle.

Die politische und humanitäre Situation in Afghanistan spitzt sich rapide zu. Das Zeitfenster, um gefährdeten Afghan*innen die Aus- und Einreise nach Europa zu ermöglichen, droht sich zu schließen. Doch der Aufnahmeprozess stockt auf mehreren Ebenen. Die EU sollte sich deshalb nach Ansicht von PRO ASYL dafür stark machen, Flüge aus Kabul in europäische Städte zu ermöglichen. „Wir brauchen eine doppelte Luftbrücke: Auf dem Hinflug sollten die Flugzeuge humanitäre Hilfsgüter liefern, auf dem Rückflug bedrohte Menschen mitnehmen und in Sicherheit bringen“, erläutert Burkhardt. Darüber hinaus ist es essentiell, dass die EU mit Afghanistans Nachbarländern praktische Lösungen findet, besonders in Hinblick auf erforderliche Dokumente wie Pässe oder Visa.

PRO ASYL: „Aufnahmezusagen müssen der Realität angepasst werden“

Die am 31. Januar
bekannt gewordenen Erkenntnisse der UN decken sich mit den Berichten von Afghan*innen, die PRO ASYL vorliegen, sowie mit aktuellen Einschätzungen der Europäischen Asyl-Behörde EASO. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse und die konkreten Erfahrungsberichte von Afghan*innen müssen zu einer verstärkten Aufnahme bedrohter und verfolgter Männer, Frauen und Kinder aus Afghanistan führen, fordert PRO ASYL. Die Zahl der tatsächlich Gefährdeten sei in den vergangenen Monaten künstlich heruntergerechnet worden, so die Menschenrechtsorganisation.

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hatte Mitte Dezember
mitgeteilt, dass 15 EU-Staaten rund 40.000 Menschen aus dem Land aufnehmen wollen. Deutschland hatte allein 25.000 Plätze zugesagt. „Wir erwarten von den EU-Innenminister*innen, dass die Aufnahmezusagen der Realität angepasst werden und sich nach der tatsächlichen Bedrohungslage richten“, sagt Burkhardt. „Solange mutige Frauenrechtsaktivistinnen, kritische Journalisten und andere Menschenrechtler in Afghanistan akut in Lebensgefahr sind, darf ihnen die Aufnahme nicht mit dem Argument verwehrt werden, die Zahl von 40.000 sei bereits erreicht“, präzisiert er. 

Pro Asyl, Presseerklärung, 1. Februar 2022