Wohngemeinschaft Bonameser Straße

erstellt von SPD im Ortsbeirat 9 — zuletzt geändert 2019-12-03T16:21:35+01:00
Stadt verweigert Dialog im Runden Tisch mit Bewohnern des Wohnwagenstandplatzes

Das Amt für Bau und Immobilien des Dezernats Schneider hat in der Stellungnahme ST 2121 jegliche Bereitschaft zur Einrichtung eines Runden Tisches zur Wohngemeinschaft Bonameser Straße verneint. Die SPD Fraktion im Ortsbeirat 9 ist entsetzt, dass hier nicht nur die Bewohner vertrieben werden sollen, sondern dass auch jeglicher Dialog verweigert wird.
Donna Ochs, Ortsbeiratsmitglied, erklärt dazu: Wir haben für diese repressive Haltung kein Verständnis. Gerade im historischen Kontext der Verfolgung der Bewohner durch die Nationalsozialisten und der anhaltenden Ausgrenzung Reisender fordern wir die Stadt Frankfurt zu einem sensibleren Umgang auf. Wir möchten, dass der Wohnwagenstandplatz erhalten bleibt und geregelter Zuzug wieder möglich wird. Die Bewohnerinnen, seit Jahrzehnten Bürger*innen Eschersheims, werden in ihrem Anliegen vom Ortsbeirat 9 über alle Fraktionen hinweg unterstützt.
Heute noch, im Jahr 2019, kämpfen die nachfolgenden Generationen der von den Nazis als „Asoziale“ diskriminierten Menschen (z. B. Obdachlose, Wanderarbeiter, Bettler, „Arbeitsscheue“ oder „Landstreicher“) um Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus (https://www.change.org/p/deutscher-bundestag-anerkennung-von-asozialen-und-berufsverbrechern- als-opfer-des-nationalsozialismus/u/25369637) .
Die Familien der Schausteller, Zirkusleute und Altmetallhändler, deren Angehörige 1953 auf das abgelegene Gelände der „Wohngemeinschaft Bonameser Straße“ im Norden Frankfurts zwangsumgesiedelt wurden, waren ebenfalls auf Grund ihrer Lebensweise im Nationalsozialismus von Verfolgung, Ermordung und Zwangssterilisation betroffen.
Wie erst in den letzten Jahren durch die wegweisende Forschung von Dr. Sonja Keil klar geworden ist, wurde die Diskriminierung der Bevölkerungsgruppe der „ambulanten Gewerbetätigen“ in Frankfurt ganz bewusst in den Nachkriegsjahren fortgesetzt und von höchster Stelle sanktioniert. Die für die nationalsozialistische Politik der Verfolgung und Vernichtung der Sinti und Roma verantwortlichen Robert Ritter und Eva Justin traten nach 1945 in den Dienst der Stadt Frankfurt ein. In den 1960er Jahren wurde Eva Justin sogar direkt im Wohnwagenlager eingesetzt. Sie wurden vom NSDAP-Mitglied Rudolf Prestel, später CDU, gefördert, der nach 1945 das Amt des Sozialdezernenten bekleidete und offen eine repressive Politik gegenüber der Bewohner*innen des Wohnwagenlagers in der Bonameser Straße vertrat.
In der kürzlich veröffentlichten Stellungnahme ST 2121 2 hat die Stadt die Bemühungen der Bewohner*innen und des Ortsbeirats um Wiedergutmachung und einen Neubeginn zunichte gemacht. Die darin enthaltenen fehlerhaften Darstellungen der Tatsachen und Vorverurteilungen werden genutzt, um die Verantwortung für dieses dunkle Kapitel der Frankfurter Geschichte, die bis heute handfeste Auswirkungen für die verbleibenden 80 Bewohner*innen des Wohnwagenstandplatzes hat, zurückzuweisen.
Entgegen der Behauptungen in der Stellungnahme sieht der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung von 1983 an keiner Stelle die mittel- bis langfristige Schließung des Platzes vor. Es wird auch unterschlagen, dass die Altlasten auf dem Gelände zum allergrößten Teil von der Abfallentsorgung der Alliierten sowie von der schwermetallhaltigen Schlacke der Müllverbrennungsanlage, die in den 1960er und 1970er Jahren mit Genehmigung der Stadt Frankfurt dort deponiert wurden, stammen. Auch die erwähnte „Zuzugsperre“ verhindert keineswegs nicht nur die Ansiedlung neuer Bewohner, sondern macht die Kinder der Bewohner*innen, die 1983 mit der Wohnheim GmbH einen Nutzungsvertrag abschließen durften, zu illegalen Nutzern, die der Zwangsräumung ausgesetzt werden und keine Chance auf eine Legalisierung ihrer Wohnverhältnisse haben.
Nicht einmal die Unschuldsvermutung wird den Bewohner*innen zugestanden: die Stellungnahme verstärkt das Vorurteil der Kriminalität und die Position der Bewohner*innen als Bürger zweiter Klasse („Der Umstand, dass danach [nach 2014] keine Kontrollen mehr stattgefunden haben, lässt aus Sicht des Magistrats nicht den Schluss zu, dass derzeit keine umweltrechtlichen Probleme mehr bestehen.“).
Die SPD-Fraktion im Ortsbeirat 9 wehrt sich gegen die anhaltende Diskriminierung dieser gesellschaftlichen Minderheit, die mit dieser Stellungnahme offenbar in Frankfurt auch auf kommunaler Ebene gelebt wird.
SPD - Fraktion im Ortsbeirat 9
Dornbusch – Eschersheim – Ginnheim
Pressemitteilung, 2. Dezember 2019