Zur Tötung von Amin F. im Frankfurter Bahnhofsviertel

erstellt von Bewohner*innen des NiKa Hausprojekts — zuletzt geändert 2022-08-19T09:52:42+02:00
In unserer Nachbarschaft ist am 2. August Amin F., ein junger wohnungsloser Mann, in einem Hotel in der Moselstraße von der Polizei erschossen worden. Seitdem sind die Angaben der Polizei über den Verlauf des Einsatzes in der Presse immer wieder korrigiert worden:

"Zunächst hieß es, der Mann sei auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. Inzwischen steht fest: Er starb nach einem gezielten Kopfschuss." (taz, 07.08.2022) "Bei der Obduktion stellt sich heraus, dass der 23-jährige fünf Mal getroffen wurde, immer in die obere Körperhälfte, einmal davon in den Kopf. F. war sofort tot [...]" (hessenschau, 15.08.2022).

Uns macht einiges skeptisch und wütend an den polizeilichen Darstellungen dieser Erschießung: Nicht nur die nachträgliche Klarstellung, sondern auch das wiederholte Narrativ vom gefährlichen, bereits polizeibekannten, mit Messern und Drogen hantierenden Schwarzen Migranten. Wir haben erstmal keine Veranlassung, den Verlautbarungen der Polizei zu glauben, schließlich ist der Verdacht berechtigt, dass die Polizei häufig unmittelbar nach der Tat Sachverhalte konstruiert, um sich zu legitimieren, wie im Fall Christy Schwundeck im Gallus oder bei Soner A. in Griesheim.
Zu oft wiederholen sich die Vorgänge und immer wieder wird der erschossene Mensch hinterher als Person markiert, die entweder quasi selbst schuld an ihrer eigenen Tötung sei und /oder als Person, um die es eigentlich nicht schade sei. Dabei gibt es auch in dem Fall eines "Kriminellen" keinen einsehbaren Grund einer Tötung durch die Polizei. Wie unsäglich ist erst die kürzliche Tötung des 16-jährigen Jungen in Dortmund per Maschinenpistole?

Für uns stellen sich Fragen:

- SEK-Beamte sind mit die bestausgebildeten Polizisten Hessens, die selbstverständlich auch darauf trainiert werden sollten, Gefahrensituationen deeskalierend zu entschärfen. Wieso fällt ihnen in einer Situation, in der sie einen (möglicherweise) aggressiven Menschen außer Gefecht setzen wollen, nur ein, ihn zu töten?

- Welchen Anteil an diesem Vorgehen hatte das Bild, das sie von dem schwarzen Wohnungslosen schon in den Einsatz mitbrachten? Hätten sie genauso gehandelt, wenn sie einen weißen Menschen vor sich gehabt hätten?

- Welcher Mensch und welches Schicksal stehen hinter dem polizeilich gezeichneten Bild des 23-jährigen Erschossenen?

- Wie wird dieser Vorfall jetzt eigentlich recherchiert? Welche unabhängigen Stellen können aufklären?

- Frankfurt hat seit Kurzem einen neuen Polizeipräsidenten, der im Bahnhofsviertel mehr Druck machen will. Inwieweit hängt dieses tödliche Verhalten der Polizei mit der angekündigten neuen Politik des neuen Polizeipräsidenten im Bahnhofsviertel zusammen?

- Wie weit soll die ohnehin schon immense Polizeipräsenz im Bahnhofsviertel noch gesteigert werden? Welche Probleme sollen damit tatsächlich gelöst werden?

Neben unserer Forderung nach Aufklärung der Tötung eines jungen Menschen, möchten wir als Bewohner*innen und Teil des Bahnhofsviertels verdeutlichen, dass die Probleme die hier existieren über andere Ansätze als die Steigerung einer ohnehin immensen Polizeipräsenz gelöst werden müssen. Wir fordern langfristige Lösungswege ohne Vertreibung, zum Beispiel über Streetwork, Wohnraum, Druckräume, Echtstoffzugänge und Sanitäranlagen.

Pressemitteilung 18.08.2022