Heftkritik diskus: Für das Recht auf Abtreibung

erstellt von Diskus. Frankfurter Student_innen-Zeitschrift — zuletzt geändert 2019-02-15T14:44:45+02:00
Wir freuen uns, mit Euch über unser Heft 2/2018 "We can't believe we still have to protest this shit!" zu sprechen.
  • Wann 20.03.2019 ab 20:00 Uhr (Europe/Berlin / UTC100)
  • Wo Studierendenhaus, Mertonstr. 26-28, diskus-Raum (1. OG)
  • Termin zum Kalender hinzufügen iCal

Aus dem Vorwort des Bündnis für körperliche Selbstbestimmung Frankfurt:

Wir, das Bündnis für körperliche Selbstbestimmung Frankfurt, produzieren diese Ausgabe in Kooperation mit der Studierendenzeitschrift diskus. Wir haben das Bündnis im November 2017 anlässlich der Verurteilung der Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel gegründet und eine Demonstration unter dem Motto "Für die Abschaffung aller Anti-Abtreibungsparagraphen" in Frankfurt organisiert. Hänel wurde von Anti-Abtreibungsaktivisten angezeigt, da sie auf der Homepage ihrer Praxis darüber informierte, dass sie Abtreibungen vornimmt und welche Methoden sie anwendet. Begründet wurde das Urteil damit, dass eine gesellschaftliche Normalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen verhindert werden solle.

Am 24.11.2017 veröffentlichten wir als Bündnis die Pressemitteilung "Skandalurteil gegen Kristina Hänel – § 218 ff . StGB abschaffen – jetzt!"
Darin schrieben wir: "Ein Schwangerschaftsabbruch ist ein ganz normaler medizinischer Eingriff und sollte auch so behandelt werden. Schwangere müssen selbst bestimmen können, was mit ihrem Körper passiert. Frauen sind mündige Bürgerinnen und brauchen niemanden, der ihnen höchstpersönliche Entscheidungen abnimmt. Gleichzeitig unterstützen wir sehr wohl die Forderung nach freiwilligen, leicht zugänglichen, kostenfreien Beratungsangeboten für Schwangere, die sie begleiten und unterstützen – egal ob sie ein Kind gebären wollen oder nicht."

Der Fall Kristina Hänel war für uns der Anlass uns allgemein mit dem Themenkomplex Schwangerschaftsabbruch zu beschäftigen. Von Anfang an stand für uns dabei fest, dass das Recht auf körperliche Selbstbestimmung insbesondere für ungewollt Schwangere kein kontroverses Thema sein kann, hier gibt es nichts abzuwägen. Staatliche Institutionen sollen kein Zugriffsrecht auf die Organisation der Reproduktion haben und keine schwangere Person darf dazu genötigt werden, ein Kind auszutragen, wenn sie das nicht möchte.

Die Frauenbewegung in Deutschland hatte zwar bereits in der Weimarer Republik sowie in den 70er und 80er Jahren überzeugend erklärt: Jede Schwangere muss einen kostenfreien und legalen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen als Instrument der Reproduktionskontrolle haben. Jedoch sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland immer noch stigmatisiert, was sich unter anderem in der aktuellen Gesetzeslage zeigt: Abtreibungen werden immer noch als illegale aber unter bestimmten Umständen straffreie Rechtsverstöße eingestuft. Die verdruckste Debatte um die Streichung des §219a StGB zum ›Werbungs‹-verbot zeigt, dass klassische feministische Forderungen wie die Streichung aller Paragraphen, die Abtreibungen als Straftatbestand fassen, nicht mehr präsent, sondern im Gegenteil sogar tabuisiert sind.

Wir hatten den Eindruck mit unserem Protest gegen die Verurteilung Kristina Hänels an einen Kampf zu erinnern, der eigentlich schon gekämpft sein sollte.
Jede von uns ging ganz selbstverständlich davon aus, im Falle einer ungewollten Schwangerschaft, die Entscheidung über Abbruch oder Nicht-Abbruch frei und selbstbestimmt treffen zu können. Auch der Pflichtbesuch in einer Beratungsstelle, um einen Beratungsschein zu erhalten, erschien uns dabei eher als Formalität.
Bei einer intensiveren Beschäftigung fiel uns allerdings auf, dass auch wir vom juristischen Rahmen und der tatsächlichen medizinischen Durchführung einer Abtreibung wenig Ahnung hatten. Über Schwangerschaftsabbrüche und alles, was damit verbunden ist, wird kaum privat oder öffentlich geredet. Wissen über Abtreibung ist bei potenziell Betroffenen kaum vorhanden.

Proteste gegen die gesetzliche und gesellschaftliche Stigmatisierung sind heute genauso wichtig wie damals.
Eigentlich sollte das Bündnis für körperliche Selbstbestimmung Frankfurt nur ein einmaliger Zusammenschluss sein, um den Prozess gegen Kristina Hänel zu begleiten. Wir entschieden uns
jedoch, unsere Aktivität noch etwas zu verlängern, um gemeinsam mit der Studierendenzeitschrift diskus eine Vortragsreihe zu organisieren. In dieser wollten wir aus ganz verschiedenen Blickwinkeln und Zugängen über Schwangerschaftsabbrüche sprechen und uns informieren. Wir nannten die Reihe "We Can’t Believe We Still Have to Protest this Shit!", um zu verdeutlichen, dass zum Thema Schwangerschaftsabbrüche eigentlich schon alles gesagt ist.

In diesem Heft dokumentieren wir einen Großteil der Vorträge – ergänzt um einige zusätzliche Texte.