Stadt der Zukunft: Brexit, Immobilien, Grundsteuer und die Zinsen

- Chancen und Herausforderungen für Frankfurt. Podiumsdiskussion mit Prof. Privatdozent Dr. Fabian Thiel (FH), Dr. Nargess Eskandari-Grünberg (Bündnis 90/Die Grünen), Janine Wissler (Die LINKE), Peter Feldmann (SPD).

Wann

29.01.2018 von 19:30 bis 21:30 (Europe/Berlin / UTC100)

Wo

Kunstverein Familie Montez, Honsellstraße 7

Termin zum Kalender hinzufügen

iCal

Am 25.02.2018 findet in Frankfurt die Oberbürgermeister-Wahl statt. Im Mittelpunkt steht das Thema "Bezahlbarer Wohnraum".

Die Initiative Finanzplatz Frankfurt (IFiF, www.ififfm.de) führt aus diesem Anlass eine Podiumsdiskussion durch, die durch einen Impulsvortrag des Experten für Bau- und Bodenrecht Prof. Privatdozent Dr. Fabian Thiel, Frankfurt University of Applied Sciences, eingeleitet wird.

Hajo Köhn (Vertreter des Bündnisses IFiF) moderiert die anschließende Podiumsdiskussion mit Prof. Privatdozent Dr. Thiel und den Kandidatinnen und dem Kandidaten. Zugesagt haben: Dr. Nargess Eskandari-Grünberg Bündnis 90/Die Grünen /Janine Wissler Die LINKE/ Peter Feldmann SPD.

Frankfurt braucht mehr Wohnraum ...
Seit zehn Jahren wächst die Einwohnerzahl Frankfurts auf mittlerweile 740 Tausend und nur der Mangel an Wohnraum verhindert eine noch stärkere Zunahme. Zwar wurden in den letzten 15 Jahren neben einer kontinuierlichen Nachverdichtung zwei große Neubaugebiete, das Europaviertel und der Riedberg, sowie mehrere kleinere Neubaugebiete ausgewiesen und erschlossen, doch der Druck auf den Frankfurter Wohnungsmarkt hat eher noch zugenommen.

Nicht nur dass sich im Zuge der Digitalisierung und Internetwirtschaft die Berufsbilder ständig weiter ausdifferenzieren und für Unternehmen nur noch Städte mit einer gewissen Größe und sehr guter Verkehrsanbindung als Standort eignen. Auch die Menschen wollen heute lieber in der Stadt oder stadtnah wohnen, statt auf dem Land, wo schon ein eigenes Auto benötigt wird, um nur zum nächsten Lebensmittelgeschäft oder Arzt zu gelangen.

Nun hat die Stadtverordnetenversammlung beschlossen, einen „politisch gewollten neuen Stadtteil“ im Frankfurter Nordwesten „ergebnisoffen“ zu prüfen. Zugleich blockierte Planungsdezernent Mike Josef Nachverdichtungen wie z.B. auf dem Ex-Biologie-Campus Siesmayerstraße zwischen Miquelallee, Grüneburgpark und Palmengarten. Ebenso wurden Vorschläge, statt eines extensiven neuen Stadtteils auf der grünen Wiese, vor allem stadtnah unzureichend genutzte Flächen wie z.B. das Rebstockareal vollständig zu bebauen, „aus politischen Gründen“ abgelehnt, wie es Architekt Karl Richter im FR Interview am 19. Dezember formulierte. Daher entsteht nach wie vor das Bild, dass sich die Stadt und ihre Repräsentanten schwer tun, den knappen Frankfurter Boden effizient zu nutzen.

Abgesehen vom Ort stellt die von Karl Richter vorgeschlagene Blockrandbebauung auf dem Rebstock nicht nur eine dichtere Bebauung im Vergleich zu den Vorplanungen des neuen geplanten Stadtteil dar, sondern ginge auch mit niedrigeren Unterhalts- und Betriebskosten
einher. Doch es gibt in der Stadtverwaltung zurzeit keinen Fokus auf die Schaffung von Wohnungen mit niedrigen Unterhalts- und Betriebsnebenkosten. Statt ein hinreichendes Angebot an guten und günstigen Wohnungen für die Mittelschicht zu fördern, um den Wohnungsmarkt auch für Geringverdiener nennenswert zu entlasten, fokussiert sich die Stadtpolitik vor allem auf die aktuellen (Miet-)preise und versucht z.B. mit Bauauflagen den geförderten Wohnraum in Wohnhochhausprojekten per Bauauflage auf 30% oder 40% festzulegen. Doch allein die hohen Betriebskosten dieser letztlich im Luxussegment angesiedelten Wohnhochhäusern können nur schwach den inneren Widerspruch dieser Förderpolitik kaschieren.

Langfristig wird damit der Bestand an günstig zu unterhaltenden Wohnungen eher verringert und das Wohnungsproblem nicht gelöst. Die hohen laufenden Kosten werden bei einem sich entspannenden Mietmarkt oft eher den Abriss der Häuser als die Vermietung unterhalb der laufenden Kosten an Geringverdiener betriebswirtschaftlich sinnvoll erscheinen lassen.

Die Lage, der Boden und die niedrigen Zinsen …
Doch auch wenn sich die Stadt zielgerichteter um günstiges Bauen kümmern würde: Bauland in Frankfurt ist knapp und mit Grundstücken lässt sich erfolgreich spekulieren und hohe Gewinne erzielen. Die hohen Mieten oder Kaufpreise speisen sich zwar schon jetzt zum Teil aus den steigenden Herstellungs- und Betriebskosten, werden aber zurzeit vor allem durch die hohen Gewinne der Grundstücksbesitzer und Investoren getrieben.

Entscheidend neben der allgemeinen Knappheit ist – wie nicht anders zu erwarten – die Lage. Ein Baugrundstück für Bürogebäude im Westend ist ein vielfaches eines gleich großen Grundstücks in Sindlingen wert. Doch neben der ungebremsten Nachfrage sind die Grundstückspreise auch aufgrund der niedrigen Zinsen gestiegen, denn der Wert eines Grundstücks errechnet sich aus den künftigen Erträgen, die mittels der (erwarteten künftigen) Zinsen auf den heutigen Tag „abdiskontiert“ werden. Sprich: Je niedriger die Zinsen, desto höher schlagen sich erwartete künftige Einnahmen z.B. aus Vermietung oder Verpachtung in den Grundstückspreisen heute nieder.

Daher ist es allgemein üblich geworden, die EZB und im speziellen Mario Draghi persönlich für die niedrigen Zinsen und somit für die hohen Grundstücks- und Wohnungspreise verantwortlich zu machen. Doch so richtig und zentral dieser Aspekt ist, dass niedrige Zinsen die Grundstücks- und Häuserpreise in die Höhe treiben, so unzureichend bleibt das so gezeichnete Gesamtbild. Die Gesamtverschuldung aller „Nicht-Finanziellen Sektoren“ liegt nach wie vor so hoch, dass schon ein EZB-getriebener Zinsanstieg auf drei Prozent direkt in die nächste Finanzkrise führen dürfte. Zwar ist die Gesamtverschuldung in vielen Staaten der Eurozone seit dem Start der Niedrigstzinsphase 2014 leicht gesunken (gegenteilige Behauptungen sind schlicht falsch), dennoch kann die nächste Finanzkrise nur wenige Zinserhöhungen von heute entfernt liegen. Die EZB kann nicht einfach die Zinsen erhöhen, um die Vermögenspreise inklusive der Boden- und Häuserpreise wieder zu senken: In Spanien oder den Niederlanden würden die Privaten Haushalte en masse in die Insolvenz getrieben, in Italien der Staat, in Belgien und Frankreich die Unternehmen, und in Deutschland würden die Forderungen gegenüber dem Ausland, die sich zwangsläufig aus den Exportüberschüssen ergeben, zum zweiten Mal seit 2007 in nennenswertem Maße abgeschrieben.

Wer hohen Zinsen als Lösung der Problems der hohen Immobilienpreise das Wort redet, verdrängt absichtlich oder unabsichtlich die Frage, wer denn die dann wieder wachsenden Zinslasten der Unternehmen, Staaten und Privatleute zahlen soll. Nicht ohne Grund diskutieren weltweit führende Makroökonomen wie Kenneth Rogoff oder Marvin Goodfriend, was vorbereitend getan werden müsste, damit sich in der nächsten Rezession die Zinsen deutlich in den negativen Bereich absenken ließen. Die Problematik der steigenden Grundstückspreise muss auch bei niedrigem Zinsniveau gelöst werden können.

Von der Grundsteuer zur Bodenwertsteuer als neuer Hebel der Boden- und Planungspolitik
Doch die steigenden Vermögenspreise hängen nicht nur an den niedrigen Zinsen. Sie können nur entstehen, wenn Boden- und Monopolrenten als sicheres leistungsloses Einkommen in großem Stile überhaupt möglich sind. Werden z.B. Infrastrukturunternehmen oder städtischer Grund- und Boden erst gar nicht privatisiert bzw. zurückgekauft, lassen sich diese ansonsten privat angeeigneten ökonomischen Renten (nicht durch eigene Risikobereitschaft oder Leistung geschaffene Einkommen) für die Allgemeinheit wieder nutzbar machen. Ein Großteil der städtischen Grundstücke lässt sich jedoch nicht zurückkaufen – selbst wenn es dafür ein nennenswertes Budget geben sollte.

In den nächsten Jahren muss jedoch die Grundsteuer B überarbeitet werden, da die bisher für der Grundsteuer zugrundeliegenden Einheitswert veraltet sind. Mit dem Vorschlag der Umstellung der Grundsteuer auf eine reine Bodenwertsteuer, die rein den Bodenwert einschließlich Lage und nicht länger die darauf stehende Bebauung besteuert, liegt ein zeitgemäßer, sprich dem Umfeld niedriger Zinsen angemessener Vorschlag auf dem Tisch, der neben einer gerechteren und effizienteren Besteuerung, den Kommunen wieder mehr Handlungsspielräume bei der Stadtplanung geben würde. Dieser Vorschlag wird mittlerweile von vielen Verbänden und Bürgermeistern unterstützt und wir fordern die OB-Kandidaten auf, den Ansatz einer Bodenwertsteuer ebenfalls aktiv zu unterstützen. (mehr Informationen unter: www.grundsteuerreform.net)

"Boden als Ware - zwischen lokaler Flächennutzung und globalen Investments"
Der Impulsvortrag auf der Veranstaltung von Prof. Privatdozent Dr. Thiel wird auf Spannungsfelder, Kollisionen und Querlagen internationaler Herausforderungen für die bauliche Kommunalpolpik aufmerksam machen. Leitschnur soll der nach wie vor obskure Leitsatz "Eigentum verpflichtet" (Art. 14 Abs. 2 GG) liefern. Es sollen lokal wirkende Flächennutzungsansprüche deutlich gemacht und zur Diskussion angeregt werden: Bodenmärkte, Nachverdichtung von Frankfurt, Grundstücksvergabe und Bodenpolitik sowie das internationale Investitionsrecht (CETA), was überraschende Auswirkungen auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) haben könnte. Welche Konsequenzen ergeben sich für Frankfurt, berücksichtigen alle OB-Kandidatinnen und der OB-Kandidat diese Gesichtspunkte?

Initiative Finanzplatz Frankfurt (IFiF, www.ififfm.de)