Wessen „Freund und Helfer“? - Das Problem heißt Rassismus!

erstellt von Bündnis Kein Schlussstrich Hessen — zuletzt geändert 2019-01-23T12:07:36+02:00
Kundgebung: Solidarität mit Seda Başay-Yıldız und allen Betroffenen von rassistischer und rechter Polizeigewalt!
  • Wann 25.01.2019 von 17:00 bis 18:00 (Europe/Berlin / UTC100)
  • Wo vor dem 1. Polizeirevier, Zeil 33
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Fast wöchentlich weitet sich der Skandal um die rechtsextremen Umtriebe innerhalb der hessischen Polizei weiter aus. Mittlerweile erhielt die Frankfurter Rechtsanwältin und NSU-Nebenklagevertreterin Seda Başay-Yıldız einen zweiten Drohbrief, in dem ihr und ihrer Familie erneut mit dem Tod gedroht wurde. Wie bereits der erste Brief, war auch dieser unterzeichnet mit dem Kürzel „NSU 2.0“. Zuletzt wurden Ermittlungen gegen drei weitere hessische Polizist*innen aufgenommen, die aktuelle Zahl der Fälle steigt damit auf elf an. Die stetig neuen Vorfälle und Erkenntnisse erfüllen uns mit Angst und Wut.

Letzten Endes unterstreichen diese jedoch nur, worauf von Rassismus betroffene Personen und Initiativen schon seit Jahren versuchen aufmerksam zu machen: die deutsche Polizei hat ein strukturelles Rassismusproblem. Denn bei all den Vorfällen der letzten Wochen und Monate handelt es sich nicht um Einzelfälle. Sie reihen sich ein in die rassistischen Ausschreitungen von Chemnitz, die erst durch die Laissez-faire-Mentalität der sächsischen Polizei ermöglicht wurden, sowie die anschließenden Verharmlosungen und Verschwörungstheorien des mittlerweile entlassenen Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen oder die Enttarnung eines rechtsextremen Netzwerkes in der Bundeswehr mit weitreichenden Verbindungen und Kontakten zu staatlichen Strukturen. Die Liste ließe sich noch lange fortführen.

All diese Fälle verdeutlichen die strukturelle Kontinuität des NSU-Komplexes innerhalb staatlicher Institutionen und den mangelnden Aufklärungswillen der deutschen Behörden. Solange sich rechte Akteur*innen bei der Polizei und anderen Institutionen offensichtlich pudelwohl fühlen, ist die Aufarbeitung des NSU-Komplexes gescheitert!

In den 11 Jahren der Mord- und Anschlagsserie durch den NSU wurden Betroffene und Angehörige der Mordopfer durch die Sicherheitsbehörden kriminalisiert, durch die Medien diffamiert und von der weißen bundesdeutschen Öffentlichkeit ignoriert, statt den Betroffenen zuzuhören und ihr migrantisch situiertes Wissen um die rassistischen Motive zu würdigen. Diese Zustände haben noch immer Kontinuität. Es passiert schon wieder.

Wir müssen mit Entsetzen feststellen, dass die gleichen Mechanismen wieder greifen. Wo ist der öffentliche Aufschrei? Wo sind die Entlassungsforderungen der politisch Verantwortlichen? Wo ist die Skandalisierung des Verhaltens von Innenminister Beuth und des Ministerpräsidenten Volker Bouffiers?

Wenn der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft dann auch noch ernsthaft versucht, diese rechten Umtriebe seiner hessischen Kolleg*innen mit der Überlastung und dem hohen Arbeitsstress des Polizeialltags zu relativieren, können wir nur mit dem Kopf schütteln. Wie wir es bereits im Nachgang des rassistisch motivierten Anschlags auf vermeintliche Migrant*innen in Bottrop erlebt haben, wird hier der Versuch unternommen, rassistische und rechte Motive zu einer persönlichen Betroffenheit umzudeuten und damit die Täter*innen zu den eigentlichen Opfern zu stilisieren. Das lassen wir uns nicht gefallen und bleiben dabei: das Problem heißt (institutioneller) Rassismus!

Deshalb lasst uns diesen Tag gemeinsam nutzen, um auf die Stimmen derer aufmerksam zu machen, für die die Polizei kein „Freund und Helfer“ ist, sondern eine alltägliche Bedrohung. Zeigen wir unsere Solidarität mit Seda Başay-Yıldız und allen anderen Betroffenen von rassistischer und rechter Polizeigewalt.

Als das Bündnis Kein Schlusstrich Hessen fordern wir die umfassende Aufklärung rechtsextremer Netzwerke innerhalb der hessischen Polizei und anderen staatlichen Behörden. Darin sehen wir auch die Notwendigkeit eines neuen parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufarbeitung der NSU-Morde und ihrer ideologischen Kontinuität. Weiter fordern wir eine unabhängige Kontrollinstanz zur Dokumentation und Untersuchung von Polizeigewalt. Besonders in Frankfurt sind Schwarze und migrantisierte Menschen in ihrem Alltag immer wieder mit Schikanierungen bis hin zu gewalttätigen Übergriffen von Seiten der Polizei konfrontiert. Zuletzt fordern wir deshalb euch auf, eure Solidarität auch im Alltag zu zeigen. Wenn ihr Zeug*in von rassistischer Polizeipraxis werdet: schreitet ein, sprecht mit den Betroffenen und zeigt euch solidarisch! Unterstützt solidarische und antirassistische Projekte und Initiativen, fragt kritisch nach, schaut nicht weg!