1. Mai 2003 - Der Naziaufmarsch fand nicht statt!

<p>Gestern versuchten Nazis zum dritten Mal hintereinander, am 1. Mai in Frankfurt aufzumarschieren. Die Behörden der Stadt hatten ihnen dafür im zweiten Jahr in Folge den Stadtteil Frankfurt Fechenheim zugewiesen.

Um es vorwegzunehmen: es fand kein Aufmarsch der Nazis statt. Der von der Stadt als Anmelder der Demonstration widerspruchslos akzeptierte Faschist Steffen Hupka erschien nicht zu Demonstration. Von seinen insgesamt 11 angereisten Gesinnungsfreunden wurden zwei umgehend wieder nach Haus geschickt, weil ihr Outfit nicht den Genehmigungsauflagen der Stadt entsprach - ebenso sechs weitere, mehr oder minder alkoholisierte Jugendliche. Drei Demonstranten verzichteten dann lieber auf die Demonstration, zumal diese in Abwesenheit des Versammlungsleiters nicht eröffnet werden konnte.

Im Stadtteil Fechenheim hatten sich bereits seit drei Uhr am Morgen GegendemonstrantInnen versammelt, deren Zahl zum Schluss etwa bei 700 lag. Die Polizei sprach bereits ab drei Uhr zahlreiche Platzverweise auf, stellte Personalien fest und verhielt sich, besonders in den frühen Morgenstunden, ausgesprochen provokativ, wobei sich Hauptkommissar Rohde vom 7. Polizeirevier durch besonders rüde Umgangsformen und rüpelhaften Ton hervortat. Insgesamt ließ die Polizei keinen Zweifel an ihrem Willen aufkommen, dass sie die genehmigte Nazidemonstration durch Fechenheim unbedingt durchsetzen wollte..

Hierzu wäre sie auch in der Lage gewesen, wenn denn nur DemonstrantInnen der Nazis erschienen wären. So aber kam alles ganz anders.

Nach Bekanntwerden des Scheiterns der Nazi-Demonstration führten die GegendemonstrantInnen auf der vom Ordnungsamt der Stadt genehmigten Route der Faschisten nun ab 13 Uhr eine eigene, spontane Demonstration zum S-Bahnhof Mainkur durch, vor die die anwesenden mehreren Hundert Polizisten im Bereich Alt-Fechenheim, darunter bayerische Sondereinheiten, in Absprache mit der Demo-Leitung der GegendemonstrantInnen, den geordneten Rückzug antraten. Zu der sich anschließenden antifaschistischen Abschlusskundgebung auf dem S-Bahnhof Mainkur waren dann etwa 1000 GegendemonstrantInnen anwesend. Diese Abschlusskundgebung auf dem ursprünglich für die Faschisten vorgesehenen Aufmarschgelände war ein Moment des Triumphs und der Genugtuung für die Bevölkerung Fechenheims und für die anwesenden antifaschistischen DemonstrantInnen, wie er in den letzten Jahren nicht oft vorkam.

In drei Redebeiträgen wurde festgestellt:

Es ist ein Erfolg der langfristigen antifaschistischen Zusammenarbeit verschiedener Gruppierungen in Frankfurt, vor allem der Anti-Nazi-Koordination und der Antifa, die trotz Meinungsverschiedenheiten in vielen Fragen in den letzten drei Jahren immer klarer miteinander aufgetreten sind, dass sich in diesem Jahr die Faschisten erst gar nicht nach Frankfurt hineingetraut haben. Andererseits schätzen wir ein, dass in diesem Jahr unsere Kräfte nicht stark genug gewesen wären, einen Naziaufmarsch wirklich zu verhindern. Die Polizei hatte offenbar die Anweisung, einen solchen unbedingt durchzusetzen.

Dass Steffen Hupka zur von ihm angemeldeten Demonstration nicht erschien, sollte den Behörden der Stadt zu denken geben. Ihre Politik des Akzeptierens und Tolerierens eines so zweifelhaften Anmelders mit offen faschistischen Positionen hat sie dazu veranlasst: einen hohen materiellen und politischen Aufwand betreiben zu müssen, um gegen den Willen eines ganzen Stadtteils und der demokratischen Öffentlichkeit in Frankfurt eine Demonstration durchsetzen zu wollen, die dann gar nicht stattfand in Konsequenz dieser Politik einen ordnungsgemäß angemeldeten Ökumenischen Gottesdienst mit jüdischer, islamischer, evangelischer und katholischer Beteiligung massiv zu behindern. Hierzu werden wir uns noch detailliert äußern. Schon hier aber danken wir den VertreterInnen der vier Gemeinden sehr herzlich für den Gottesdienst, der bei den Anwesenden große Zustimmung fand! Die Voraussetzung der verfehlten kommunalen Politik war der bereits im Januar diesen Jahres gefällte Beschluss des "Viererbündnis" aus SPD, CDU, FDP und GRÜNEN, diesmal keinen Verbotsantrag gegen die Nazidemonstration zum 1. Mai zu stellen, sowie ihre Politik des Verschweigens dieser Entscheidung vor der gesamten demokratischen Öffentlichkeit der Stadt. Auf der Basis dieser Position wurde es in diesem Jahr auch auf Betreiben der Stadtverwaltung (und nicht etwa der Polizei!) unterlassen, neutrale DemonstrationsbeobachterInnen zu benennen.

Diese Politik hat der Stadt heute hohe materielle, moralische und politische Kosten verursacht. Wir fordern, dass sie mit dem heutigen Tag ein für alle Mal beendet wird.

Wir fordern, dass faschistische Anmeldungen von Demonstrationen und Veranstaltungen künftig frühzeitig veröffentlicht werden, weil sie in besonderem Maß die Gefahr beinhalten, dass Zusammenleben der Menschen dieser Stadt zu gefährden.

Wir fordern, dass die Stadtverordnetenversammlung beschließt, gegen entsprechende Anmeldungen künftig regelmäßig Verbotsanträge zustellen.

Wir fordern, dass für den Fall letztinstanzlicher Genehmigungen von Nazidemonstrationen in Frankfurt künftig alle Schikanen gegen antifaschistische Gegenaktionen unterlassen sowie regelmäßig neutrale DemonstrationsbeobachterInnen benannt werden.

2. Mai 2003
Marie-Luise Leberke - Hans Christoph Stoodt - Klaus Willkomm-Wiemer Sprecherin / Sprecher

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Antifa