40 gewalttätige Neonazis marschieren dank Polizei-Einsatz durch das Ostend

<p>Dank tätiger Mithilfe der Frankfurter Polizei ist es 40 zum Teil anscheinend bewaffneten und gewalttätigen Neonazis unter ihrem "Führer" Christian Worch gelungen, am Samstag, 4. Mai auf einer stark verkürzten Demonstrationsroute durch das Ostend zu marschieren. Etwa 1000 GegendemonstrantInnen aus einem gegenüber dem 1. Mai zuvor politisch noch weiter in die Breite gewachsenen Aktionsbündnis, im Lauf von nur zwei Tagen mobilisiert, versuchten 9 Stunden lang im strömenden Regen, in großer Einheit und Disziplin, den Nazi-Aufmarsch in einem für seine jüdische Vergangenheit berühmten Frankfurter Stadtteil an verschiedenen Stellen und ohne jede Gewaltanwendung zu blockieren. Sie waren darin insoweit erfolgreich, als es ihnen durch mindestens einen Blockadepunkt auf der Demonstrationsroute der Nazis gelang, diese drastisch zu verkürzen.

Ohne die Mithilfe der Polizei für die Nazis hätten sie niemals ihre Demonstration durchführen können. Der noch am 1. Mai in der Presse beschworene Nimbus der kooperativen und "cleveren" Frankfurter Polizei dürfte damit für lange Zeit dahin sei. Im Zusammenhang mit den antifaschistischen Aktionen kam es zu einem klaren Fall von Zensur gegen den Sender Radio X.

Der folgende Bericht aus Sicht der Anti-Nazi-Koordination erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, stellt aber aus unserer Sicht die wesentlichen Ergebnisse dieses Tages zur Diskussion.

Die Phase der Mobilisierung
Seit Donnerstag, 2. Mai, 10 Uhr vormittags war klar, dass der Frankfurter Ordnungsbehörde eine Anmeldung Christian Worchs für eine Demonstration am 4. Mai, 12 Uhr vom Hauptbahnhof zum Frankfurter Bankenviertel vorlag. Mitglieder der Anti-Nazi-Koordination traten daraufhin mit der Antifa und dem Deutschen Gewerkschaftsbund in Kontakt, alarmierten die Telefonkette gegen Rechts und veröffentlichten die Anmeldung der Nazis durch eine Pressemeldung, in der nach Absprache mit den genannten Bündnispartnern zu einer Platzbesetzung des Hauptbahnhofvorgeländes für Samstag, 10 Uhr sowie zu einer Aktionsberatung für den folgenden Tag, 16 Uhr in der Katharinenkirche aufgerufen wurde.
Schon wenige Stunden später rief der DGB Region Rhein-Main über seine gesamten Informationskanäle zur Beteiligung an dieser Aktion auf. Die noch vom 1. Mai bewährte organisatorische Infrastruktur, besonders die Infotelefonnumern im Büro der Frankfurter IG Metall, wurden im Lauf des folgenden Tages wieder in Kraft gesetzt und funktionierte. Eine für den Aktionstag entscheidenden Hilfe war in dieser Phase, dass der SPD-Ortsverein Ostend von sich aus im Lauf des 2. Mai "auf Verdacht" den Danziger Platz, die Weseler Werft, den Parlamentsplatz und den Alfred-Brehm-Platz im Ostend für eigene Veranstaltungen beantragte - wie sich später herausstellte, war zu diesem Zeitpunkt der Danziger Platz allerdings von den Nazis bereits ersatzweise für den Hauptbahnhofsvorplatz beantragt worden.

Aktionsvorbereitung / Aktionsberatung
Die sich durch vielfältige Absprachen im Lauf des 3. Mai herauskristallisierende Planung für den 4. Mai sah vor, die Mobilisierung für eine Platzbesetzung des Hauptbahnhofs zugunsten einer Besetzung der sich im Lauf des Tages als immer wahrscheinlicher abzeichnenden "Ersatzroute" durch das Ostend aufzugeben. Für den Hauptbahnhofbereich war nur noch ein Infopunkt vorgesehen, von dem aus zwischen 10 und 12 Uhr hierher kommende Gegendemonstranten über die aktuellen Orte der Gegenaktionen informiert werden sollten. Die Auflagen der Ordnungsbehörde sahen zu dieser Zeit (Freitagnachmittag) noch vor, dass die Nazis vom Ostbahnhof aus sich am Danziger Platz versammeln sollten, dessen Besetzung Ziel der Gegenaktionen sein sollte. Nachdem wir durch einen Kontakt mit einem Rechtsanwalt der Bunten Hilfe im Lauf des nachmittags erfuhren, dass der Alfred-Brehm-Platz von der SPD zu einer Veranstaltung angemeldet worden war, beschlossen wir, sofort diesen Platz für 12 Uhr als Treffpunkt für alles weitere zu veröffentlichen und auch über das Infotelefon der IG Metall bekannt zu geben.
Bei einer Aktionsberatung um 16 Uhr in der Katharinenkirche wurde von den etwa 70 Anwesenden, darunter Peter Gingold, Harald Fiedler, etlichen am 1. Mai als offizielle DemonstrationsbeobachterInnen akkreditierte Menschen, vielen Mitgliedern der Anti-Nazi-Koordination und der Antifa der Plan einer Besetzung der zu diesem Zeitpunkt detailliert bekannten Demonstrationsroute gebilligt, der Treffpunkt für die Aktion aber auf 11 Uhr korrigiert (weshalb der DGB, dessen Informationen zu diesem Zeitpunkt bereits veröffentlicht war, für 12 Uhr, die Anti-Nazi-Koordination für 11 Uhr zum Treffen aufrief). Informationen über die Situation im Ostend, die im Lauf des späten Abends und über Nacht gesammelt werden konnten besagten, dass es im gesamten Bereich des Ostends zu weiträumigen Absperrungen durch die Polizei kommen würde.

Der Verlauf der Aktionen im Ostend
Der Tag begann mit der Nachricht, dass der VGH in Kassel die von der Stadt verfügten Auflagen für die Nazis in skandalöser Weise gelockert hatte: den Nazis war nun eine Demo-Zeit von 15 - 20 Uhr (vorher: 15 - 17 Uhr) eingeräumt, das Marschieren im Gleichschritt sowie das Mitführen von Trommeln ausdrücklich erlaubt worden. Außerdem war die Demonstrationsroute deutlich verlängert worden und kam nun dem Alfred-Brehm-Platz im Bereich der Strasse "Am Tiergarten" sehr nahe.
Zwischen 9 und 10 Uhr waren das Infotelefon der Antifa, das Infotelefon der IG Metall mit drei KollegInnen sowie einem Vertreter der Antifa, der Infopunkt am "Kaisersack" vor dem Hauptbahnhof mit drei KollegInnen der IG Metall und einigen Mitgliedern des "Linksruck" besetzt. In diesem Zeitraum gelang es einer Gruppe von "Falken", sich mit einem mit Lautsprecheranlage ausgestatten LKW nur 50 Meter von der Demoroute im Bereich Habsburger Allee - Rhönstrasse zu platzieren, wo sich aber zu diesem Zeitpunkt nur wenige GegendemonstrantInnen einfanden. Die Falken wurden etwa eine Stunde später von der Polizei ultimativ zum Verlassen dieses Blockadepunktes aufgefordert, hatten keine Chance, sich dieser Aufforderung zu entziehen, wenn sie sich nicht einkesseln lassen wollten und trafen etwa um 11 Uhr unter Polizeibegleitung am Alfred-Brehm-Platz ein, wo sich ab etwa 10.15 ein LKW des DGB mit Lautsprecher befand. Ab 11 Uhr sammelten sich dort zunächst etwa 300 Personen. Aus dem Bereich der Innenstadt kam bis ca. 11.45 ein am Hauptbahnhof zusammengestellter spontaner Demonstrationszug von etwa 300 Menschen ein, darunter zahlreichen GewerkschafterInnen und des "Linksruck". Die Zahl der GegendemonstrantInnen wuchs wenig später auf insgesamt etwa 1000 Menschen an. Eine Besichtigung des Situation vor Ort ergab als einzige erkennbare Chance, die Demoroute zu erreichen und zu besetzen, durch die Hölderlinstrasse und Hanauer Landstrasse die Zobelstrasse zu erreichen und zu blockieren. In diesem Sinne sprachen sich auch während der Eröffnung der Veranstaltung auf dem Alfred-Brehm-Platz hinter der Bühne Menschen aus dem ganzen Spektrum der Gegenaktionen über das weitere Vorgehen ab. Nachdem Harald Fiedler (DGB) die Versammlung eröffnet hatte hielt Peter Gingold (Kommunist aus jüdischer Familie, antifaschistischer Widerstandskämpfer und Mitglied der Résistance) eine kämpferische Rede. Spontan ging dann eine Gruppe von Menschen in die abgesprochene Richtung los, der binnen Minuten alle anderen folgten. Der gesamte Zug traf kurz hinter der Einmündung der Hölderlinstrasse auf die Hanauer Landstrasse in östlicher Richtung auf eine zu diesem Zeitpunkt (etwa 12.15 Uhr) noch nicht besonders starke Polizeikette, die aber in kürzester Zeit durch Absperrgitter, weitere PolizistInnen mit Helmen und Schilden, einem Wasserwerfer und einem "Lautsprecherteam" verstärkt wurde. An dieser Stelle wäre es durch höhere Geschwindigkeit und Entschlossenheit möglich gewesen, ein ganzes Stück näher an die Demonstrationsroute der Nazis heranzukommen (Zobelstrasse, etwa 200 Meter entfernt).
So aber hielt der ganze Zug an dieser Stelle. Verhandlungen mit der Polizei bis in die Polizeiführung hinauf führten zu nichts: uns wurde wieder und wieder erzählt, die Polizei sei gehalten, das Abstandsgebot zwischen Nazis und uns zu realisieren. Gefragt, auf welche Meterzahl sich das beliefe, erhielten wir zur Antwort, das sei etwa Steinwurfweite - angesichts des Abstands zur Zobelstrasse also durchaus verhandlungsfähig. Dennoch war die Polizei auch im Gespräch mit Lisa Abendroth, Franz Frey und Harald Fiedler direkt an der Absperrung nicht bereit, auch nur einen Meter zurückzuweichen. Nun versuchten von hier verschiedene etwa 50 bis 100 Menschen große Gruppen, koordiniert untereinander und durch das Infoteam im Büro der IG Metall, dezentral Blockadepunkte auf der Demoroute zu erreichen, was, mit der einzigen oben erwähnten Ausnahme im Bereich Ostbahnhofstrasse - Hanauer Landstrasse, nicht gelang.
Es war die ganze Zeit über ziemlich kalt und regnete unablässig, was aber der Stimmung keinen Abbruch tat. Mitglieder der Baptistischen Gemeinde (Am Tiergarten) stellten ihre Kirche zum Aufwärmen bereit und verteilten Kaffee. (Später "beschallten" sie die vorüber ziehende Nazidemo mit Gospelmusik und der Bergpredigt!) Für diese spontane Hilfe herzlichen Dank und auf hoffentlich weiterhin gute Zusammenarbeit!

Inzwischen entwickelte sich im ganzen Bereich rund um die Demonstrationsroute der Nazis an mehreren Stellen eine neue Situation: an zwei Stellen der Sonnemannstrasse, in der Waldschmidtstrasse, in der Höderlinstrasse/Hanauer Landstrasse sowie Hanauer Landstrasse / Hagenstrasse und an etlichen anderen Stellen standen sich GegendemonstrantInnen und Polizei gegenüber. Dadurch wurde es immer schwieriger, den Danziger Platz zu erreichen, wo zwischen 14 und 15 Uhr sich ganze 20 Nazidemonstranten eingefunden hatten und wie gehabt von der Polizei sorgfältig gefilzt wurden. Nachdem wir durch DemobeoachterInnen am Danziger Platz erfahren hatten, dass sich Christian Worch noch nicht dort eingefunden hatte, beschlossen wir, durch möglichst vollständige Blockierung aller Zugangswege zum Danziger Platz zu verunmöglichen, dass der große "Führer" rechtzeitig zu seiner eigenen Veranstaltung kommen könnte - letztlich ein Spiel auf Zeit mit Abpfiff um 20 Uhr. Diese Planung ging zunächst auf und nach einiger Zeit gab es für Worch keine Möglichkeit mehr, an den Danziger Platz zu kommen.

Worch war inzwischen in der Nähe eingetroffen und fuhr in einem roten Auto mit Hamburger Kennzeichen, gefolgt von etwa sieben weiteren PKW mit Nazis hektisch in der Gegend herum auf der Suche nach einem Durchkommen zum Danziger Platz. Am Alfred-Brehm-Platz kam es dabei nach Augenzeugenberichten zu der unglaublichen Szene, dass Worch in unmittelbarer Nähe einer Gruppe jugendlicher GegendemonstrantInnen aus dem Auto sprang und diese mit einem Fahrrad-Stahlbügelschloss oder einer Eisenstange angriff. Bei anderen Nazis sollen Baseballschläger im Auto gesichtet worden sein. Worch wurde in kürzester Zeit von GegendemonstrantInnen umringt, dann aber von der Polizei "befreit", die sich anschließend bei den GegendemonstrantInnen dafür bedankte, dass sie "Führer" Worch nichts getan hatten.
Sowie Worchs Angriff auf DemonstrantInnen bei uns bekannt geworden war, nahmen wir Kontakt mit Polizeirat Michael Hallstein auf und berichteten ihm das. Hallstein versicherte, er werde Worch, sollte er mit entsprechenden Gegenständen angetroffen werden, aus dem Verkehr ziehen. Nichts dergleichen geschah später, sondern das genaue Gegenteil (s.u.)!

Inzwischen wurden die etwa 20 Nazidemonstranten auf dem Danziger Platz ohne ihren Chef nervös und bedrohten Polizeibeamte mit Dienstaufsichtsbeschwerden, sollte Worch nicht zu ihnen durchgelassen werden.

In dieser Situation, die in kurzen Abständen immer wieder mithilfe von Megafondurchsagen an den Absperrstellen allen GegendemonstrantInnen bekannt gemacht wurde, kam es dann zu einem Blockadedurchbruch - aber nicht etwa durch GegendemonstrantInnen an einer Polizeiabsperrung, sondern genau umgekehrt. Der Autokonvoi mit Worch an der Spitze wurde im Bereich Ostparkstrasse Richtung Danziger Platz nach mehreren Augenzeugenberichten von Polizeibeamten mit Knüppeln eskortiert und mithilfe heftigen Schlagstockeinsatzes durch eine dort stehende Blockadestelle hindurch "geleitet", so dass er nun auf den Danziger Platz gelangen konnte. Schnell entwickelte sich dabei eine heftige Prügelei zwischen Polizei und GegendemonstrantInnen, in deren Gefolge etwas über 20 Menschen festgenommen wurden.

An allen Blockadepunkten rings um die Demoroute verschärfte sich auf diese Nachricht hin die Stimmung erheblich. Wir verlangten an der Hanauer Landstrasse / Hölderlinstrasse erneut, zur Zobelstrasse vorgelassen zu werden, um dem nun zu befürchtenden Naziaufmarsch wenigstens direkt unsere Wut ausdrücken zu können, was natürlich nicht nur abgelehnt, sondern auch provokatorischer Weise durch das Verlesen der aktuellen Fußballergebnisse vom Lautsprecherwagen der Polizei beantwortet wurde.
Die Wut der DemonstrantInnen wurde noch größer, als in diesem Augenblick bekannt wurde, dass Radio X, von wo aus den Tag über aktuelle Infos über den Stand der Dinge gesendet werden sollten, von der Polizei mit einem Zwangsgeld von € 5000,- bedroht worden war, sollte es damit fortfahren.

Beides, dieser Eingriff in die Pressefreiheit unmittelbar nach dem "Tag der Pressefreiheit" sowie die groteske Situation, dass die Polizei, die uns den ganzen Tag über mit Helmen auf dem Kopf und Knüppeln in der Hand immer wieder zur Gewaltfreiheit aufgefordert hatte, nun aber den inzwischen in Gestalt von Worch direkt gewalttätig gewordenen Nazis die Möglichkeit, ihre Veranstaltung beginnen lassen zu können, mit einem von den DemonstrantInnen und ihrem disziplinierten Verhalten in keiner Weise provozierten Knüppeleinsatz durchgesetzt hatte, sollte dem Mythos von der Frankfurter Polizei, die es im vergangenen Jahr und am diesjährigen 1. Mai eigentlich gewesen sei, die die Naziaufmärsche verhindert habe, und die in der Presse dafür gefeiert worden war, ein Ende bereiten.
Am 4. Mai 2002 steht trotz aller Lobhudelei zB. in der "Frankfurter Sonntagszeitung" für alle FrankfurterInnen sichtbar fest: die zu diesem Zeitpunkt etwa 30 Nazis am Danziger Platz hätten ohne direkte Knüppelhilfe durch die Polizei ihre Veranstaltung noch nicht einmal eröffnen können! Wir verurteilen diesen Umstand entschieden und fordern Auskunft darüber, wieso es Sache der Polizei ist, einer am selben Tag gewalttätig aufgetretenen Gestalt wie Worch, die es nicht schafft, rechtzeitig zu einer von ihm angemeldeten Versammlung zu kommen, dies doch noch zu ermöglichen!

Auf dem Danziger Platz spielte sich inzwischen die gleiche Szene ab, wie am 1.Mai an der Mainkur in Fechenheim. Dann, nach der peniblen und zeitaufwendigen Personenkontrolle schickten sich etwa 40 Nazis an, ihre genehmigte Demo durch das Ostend mit seiner reichen jüdischen Tradition, seinem heute hohen MigrantInnenanteil an der Bevölkerung und in unmittelbarer Nähe der Grossmarkthalle, von wo aus während des Faschismus etwa 12.000 Jüdinnen und Juden ins Gas abtransportiert worden waren, abzulatschen - ihnen gegenüber etwa 1000 GegendemonstrantInnen, die von mindestens ebenso vielen PolizistInnen auf Abstand gehalten werden mussten. Ihre Demoroute wurde verkürzt, denn die Blockadestelle auf der ursprünglichen Route im Bereich Ostbahnhofstrasse / Hanauer Landstrasse wurde nach Zusage durch die Polizeiführung nicht abgeräumt.

Während der Nazidemo selber wurde in mindestens einem Bereich ein Versuch, die Polizeisperre im Bereich Waldschmidtstrasse zu durchbrechen, abgebrochen, nachdem bekannt geworden war, dass der Naziaufmarsch inzwischen den Ostbahnhof erreicht hatte.

Wir trafen uns dann noch auf dem Alfred-Brehm-Platz zu einer improvisierten Abschlusskundgebung, auf der Harald Fiedler für den DGB und Hans Christoph Stoodt für die Anti-Nazi-Koordination unterschiedliche Akzente für die Auswertung des Tages setzten.

Auswertung / Perspektiven
Als erstes Ergebnis bleibt festzuhalten, dass wir unser Ziel, die Nazidemonstration zu verhindern, nicht erreicht haben. Im Unterschied zur Situation am 1. Mai in Fechenheim haben wir es nicht geschafft, frühzeitig einen zentralen, am Anfang gelegenen Punkt der Demoroute der Nazis zu besetzen und in Verhandlungen mit der Polizei durch hinreichend vorhandene Kräfte auch zu halten bzw. es für die Polizei und ihr Image unattraktiv erscheinen zu lassen, uns von einem solchen Punkt zu räumen.

Hierfür gibt es beim ersten Hinschauen zwei Gründe:
a) wir waren zu spät da - von heute aus gesehen hätte unsere einzige Chance darin bestanden, die Demoroute schon in der Nacht oder am frühen Morgen zu besetzen - ziemlich aufwendig angesichts des verfügten Demo-Endes der Nazis um 20 Uhr. Das hätte bedeutet, einen oder mehrere Blockadepunkt für etwa 20 Stunden lang halten zu müssen;
b) als wir eine gewisse Chance gehabt hätten, auch gegen den Willen der Polizei die Demoroute der Nazis zu erreichen, haben wir uns damit nicht durchgesetzt.

Dieser Tatsache stehen aber auch positive Ergebnisse gegenüber. Die antifaschistische Bewegung in Frankfurt ist breiter, größer und handlungsfähiger geworden, als sie vor einem Jahr war. Es bahnt sich eine regelmäßige Zusammenarbeit zwischen Anti-Nazi-Koordination, DGB und Antifa an, die bei voller Unabhängigkeit und zum Teil großen politischen Unterschieden aller Teile dieses Spektrums im Kern inzwischen in dem einen Punkt einig ist, Nazi-Auftritte aller Art in Frankfurt nicht zuzulassen, sondern direkt zu behindern, wenn möglich zu verhindern. Dieser aktionsorientierte Ansatz scheint sich zu bewähren und sollte von uns weiter verfolgt werden.

In der praktischen Arbeit haben wir inzwischen fast schon so etwas wie eine Routine der Zusammenarbeit und der Mobilisierung entwickelt, die mit verhältnismäßig einfachen Mitteln gut funktioniert und uns während der Aktion auch gegenüber Polizei und Medien aktiv auftreten lässt. Das wird sich im Lauf der Zeit auszahlen, besonders dann, wenn es uns gelingt, Kontakte zu MedienvertreterInnen auszubauen. Diese Frage ist von politischer Bedeutung, weil wir es nur so schaffen können, das immer wieder veröffentlichte Stereotyp von "gewalttätigen" AntifaschistInnen aufzuweichen und schließlich dahingehend zu korrigieren, dass regelmäßig nicht wir es sind, von denen Gewalt bei Aktionen gegen Nazis ausgeht.

Unsere im gesamten Spektrum der beteiligten Strömungen gesehen sicherlich unterschiedlich effektive Mobilisierungsfähigkeit hat sich positiv entwickelt. Nach dem 1. Mai hätten viele lieber etwas Schöneres getan, als sich noch mal für Stunden in den Regen zu stellen und kamen trotzdem, von Kirchengemeinden über die SPD, und DGB-GewerkschafterInnen (letztere beide mit zum Teil hochrangigen FunktionsträgerInnen), Jugendorganisationen, dem gesamten Spektrum der Anti-Nazi-Koordination, der Antifa bis hin zur anarchistischen Linken.
Und man muß sehen: am 1. Mai waren 1500 Faschisten angekündigt - es kamen 400 und wir waren 2000 - 3000. Nur drei Tage später waren 200 angekündigt - es kamen 40 und wir waren 1000. Wenn das so weitergeht, kommt Worch demnächst allein. Und wenn ihn dann die Polizei nicht wie diesmal schützend auf die Demoroute geleitet...

Und damit wären wir abschließend bei den beiden großen Skandalen dieses Tages - der Bedrohung von Radio X und dem Knüppeleinsatz für Worch, der es ihm überhaupt erst ermöglicht hat, seine großartige Demo durchzuführen, die mit seiner der Polizei voll und ganz bekannten Amokfahrt durch das Ostend einschliesslich eines bewaffneten Angriffs auf Jugendliche begonnen hatte. Zu erklären, warum die Polizei trotz der Kenntnis dieser Tatsachen Worch den Weg durch einen Blockadepunkt freigeräumt hat, müssen wir in den kommenden Tagen durch hartnäckiges Nachfragen zu ihrem Problem machen.

Und ansonsten gilt weiter: je bunter, einiger und entschiedener wir auftreten, desto weniger braun geht es in Frankfurt zu!

Klaus Jung - Hans Christoph Stoodt - Karin Ruck, Sprecherin/Sprecher
Anti-Nazi-Koordination Frankfurt, 6. Mai 2002

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