“Runder Tisch Prostitution” in Frankfurt/Main - eine Zwischenbilanz von Doña Carmen -

<p>Auf seiner 10.Sitzung vom 26. Februar 2002 hat der seit nunmehr über 14 Monaten tagende “Runde Tisch Prostitution” einen Zwischenbericht vorgelegt und verabschiedet. Er ist mit Ausnahme von zwei stilistischen Veränderungen identisch mit den Ihnen hier vorgelegten “Zwischenergebnissen des Runden Tisches Prostitution – Stand 18.02.2002 – Entwurf”.<br> Dieser “Zwischenbericht” wird Ihnen in Kürze wohl von Vertretern des “Runden Tisches Prostitution” präsentiert werden. Wir tun es schon heute zusammen mit Anmerkungen unsererseits. Wir werden unseren Kommentar in dieser Woche sämtlichen Stadtverordneten zuleiten, damit diese sich umfassend informieren und den “Zwischenbericht” von profile besser beurteilen können.<p> Die Stellungnahme von Doña Carmen hinsichtlich des vom “Runden Tisch Prostitution” verabschiedeten “Zwischenberichts” kommt zusammenfassend zu folgenden Schlussfolgerungen:<p>

(1) Zwischenbericht
Der vorgelegte 15-seitige Zwischenbericht ist insofern als eine Zumutung zu bezeichnen, als er im März 2002 der Öffentlichkeit Zwischenergebnisse von 5 Projektgruppen mit Stand vom “29.Oktober 2001” präsentiert. Mit Ausnahme einer 2-seitigen (!) “Bestandsaufnahme” zur Situation der Prostitution in Frankfurt und weiteren 7 Seiten, auf denen sich der Runde Tisch vornehmlich mit seiner eigenen Entwicklung befasst, ist der vorliegende “Zwischenbericht” weitgehend identisch mit den bereits im Dezember 2001 veröffentlichten Angaben im Magistratsbericht B 1018. So entsteht der Eindruck, dass nicht mehr ganz taufrische “Zwischenergebnisse” zu verschiedenen Anlässen gleich mehrfach recycelt werden und die Öffentlichkeit für dumm verkauft wird.

(2) Bestandsaufnahme
Die nunmehr neu eingefügte “Bestandsaufnahme” ist inhaltlich in mehrfacher Hinsicht unzureichend und dürftig. Sie verzichtet ohne triftigen Grund auf die Analyse wichtiger Aspekte der Realität von Prostitution in Frankfurt. Sie ist einseitig tendenziös und parteilich im Sinne des mit der Auftragsvergabe und Abwicklung betrauten Ordnungsdezernats der Stadt Frankfurt. Die “Bestandsaufnahme” bedient in ihrer Selektivität zu allem Überfluss das althergebrachte Klischee, Prostituierte seien vornehmlich Opfer, und rückt insbesondere ausländische Prostituierte in die Nähe organisierter Kriminalität.

(3) Empfehlungen
Die im Zwischenbericht sich abzeichnenden “Empfehlungen” an Stadt und Behörden sind entweder noch gar nicht konkretisiert, zeugen von geringer Sachkenntnis, sind überflüssig oder in ihrer tendenziösen Einseitigkeit problematisch. In ihrer Zusammenstellung bestechen sie durch substanzlose Beliebigkeit. Man hat sich nicht auf das Wesentliche konzentriert, Wichtiges steht neben Unwichtigem, eine Rangfolge der Dringlichkeit fehlt.
Die “Empfehlungen” bedienen unter dem Strich einseitig die Kontrollbedürfnisse hiesiger Behörden und sind ein Persilschein für eine weiter auf polizeiliche Lösungen setzende Strategie in der Frage des Umgangs mit der Prostitutionsmigration. Sie setzten tendenziell auf eine schärfere Überwachung der Bordellbetreiber – so als wären diese das eigentliche Problem -, statt auf eine Kooperation mit ihnen.

(4) Illegale Prostitutionsmigrantinnen
Als wesentliches Fazit lässt sich feststellen: Das Ausgangsproblem – der Umgang mit den illegalen Prostitutionsmigrantinnen - kommt in den “Zwischenergebnissen” nur noch am Rande vor. Die betroffenen Frauen werden damit im Regen stehen gelassen und so zu individuellen Lösungen ihrer Problematik getrieben. Ein zentrales Motiv und ein wesentlicher Aspekt des dem “Runden Tisch” zugrundeliegenden Stadtverordnetenbeschlusses v (5) Kosten-Leistungs-Verhältnis
Die vorliegenden “Zwischenergebnisse des Runden Tisches Prostitution” unter der Leitung von “profile” sind aus unserer Sicht als dürftig und beschämend einzustufen. Die für September diesen Jahres vorgesehene Verabschiedung des “Endberichts” lässt nach dem bisherigen Procedere keine großen Erwartungen mehr zu. Mit einem Kostenaufwand von 349.000 DM für 2001 und weiteren 145.000 DM für 2002 wird für viel heiße Luft somit rund 500.00 DM (= 255.646 €) aus dem Stadtsäckel gezahlt.

(6) Politische Verantwortung
Die anfangs mit hohen Erwartungen begleitete Einrichtung eines “Runden Tisches Prostitution” ist - nach dem bisherigen Stand der Dinge zu urteilen - erfolgreich in den Sand gesetzt worden. Die politische Verantwortung dafür trägt Ordnungsdezernent Edwin Schwarz. Mit seinen vollmundigen Ankündigungen gegenüber dem Frauenausschuss im August vergangenen Jahres: “Der Runde Tisch bekomme alle Zeit, die er braucht”, “Allein durch sein Vorhandensein habe sich die Arbeits- und Lebenssituation der Prostituierten bereits verbessert.” (vgl. FR, 15.8.2001), wurde stets so getan, als sei das Verfahren alles, weniger die Ergebnisse, die es bringen soll. Die Vertröstung der Öffentlichkeit nach dem Motto, es ginge zunächst um die Schaffung einer konstruktiven Arbeitsatmosphäre, bevor Beschlüsse und Empfehlungen im Konsens möglich seien, erweist sich in Anbetracht der dürftigen “Zwischenergebnisse” als ein ungedeckter Scheck, der jetzt platzt.

(7) Notwendige Korrekturen jetzt
Die vorliegenden “Zwischenergebnisse” dokumentieren das Scheitern des von “profile” geleiteten “Runden Tisches Prostitution”. Um den an den “Runden Tisch Prostitution” geknüpften Erwartungen dennoch gerecht zu werden, hält Doña Carmen jetzt eine Veränderung der Zusammensetzung und eine Veränderung des inhaltlichen Verfahrens für unabdingbar.

“Zwischenergebnisse des Runden Tisches Prostitution”

- Kritische Anmerkungen von Doña Carmen -

A. “Bestandsaufnahme”

(1) Unzureichende Daten zu Umfang und Verteilung der Prostitution in Frankfurt/Main
(2) Auf Wohnungsprostitution nicht eingegangen
(3) Tendenziöse Darstellung der Arbeits- und Lebenssituation der Prostituierten
(4) Verzicht auf kritische Auseinandersetzung mit Polizei- und Ordnungsbehörden
(5) Verzicht auf Städtevergleich

B. “Ergebnisse und Empfehlungen”

(1) Empfehlung eines juristischen Gutachtens zur Konzessionierung von Bordellen
(2) Empfehlung zum Inhalt des Passeintrags der Behörden bei der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen für ausländische Prostituierte
(3) Feststellung eines “örtlichen Bedürfnisses” an Prostitutionsmigrantinnen wird geprüft
(4) Empfehlung für “Städtebaulichen Wettbewerb zur Erhöhung der Attraktivität des Bahnhofsviertels”
(5) Empfehlungen zur Gestaltung der Arbeitssituation von Prostituierten
(6) Handlungsempfehlungen für den Bereich des Straßenstrichs

C. Fazit

(1) “Bestandsaufnahme” und “Empfehlungen” des Runden Tisches sind der Sache nach dürftig und geprägt von einseitiger Parteinahme zugunsten von Polizei- und Ordnungsbehörden
(2) Thema verfehlt: Keine Lösungen für illegale Prostitutionsmigrantinnen

D. Forderungen von Doña Carmen

Nach 14 Monaten seiner Existenz legt der “Runde Tisch Prostitution” erstmals “Zwischen-ergebnisse” vor. Wir wollen diese darstellen und bewerten. In den 15-seitigen “Zwischen-ergebnissen des Runden Tisches Prostitution” beschäftigt sich dieser auf 2,5 Seiten mit einer sog. “Bestandaufnahme und ersten Analysen der Situation”, auf 6 Seiten mit “Umsetzungs-schritten” und der Entwicklung von “Empfehlungen” sowie auf 7 Seiten mit sich selbst und seiner “eigenen Entwicklung”.

A. “Bestandsaufnahme”

Die Bestandaufnahme ist nicht nur ihrem Umfang, sondern auch ihrem Inhalt nach mager.

1. Unzureichende Daten zu Umfang und Verteilung der Prostitution in Frankfurt/Main
Hier begnügen sich die Zwischenergebnisse mit “groben Schätzungen” und teilen mit, dass eine “umfassende Erhebung” bislang “nicht unternommen worden” sei. Tatsächlich ist eine objektive Datenerhebung mit Verweis auf die Illegalität vieler Frauen von vornherein als “fraglich” eingestuft und deshalb auch nie in Angriff genommen worden. Folglich werden zum Umfang der Prostitution Zahlen präsentiert, die hinsichtlich der Bordellprostitution durch vorliegende Studien bereits hinlänglich bekannt sind, hinsichtlich der Straßenprostitution als maßlos übertrieben erscheinen (250 Prostituierte und 400 Männer auf dem Straßenstrich!) und hinsichtlich der Wohnungsprostitution völlig unpräzise sind.

2. Auf Wohnungsprostitution nicht eingegangen
Besonders peinlich hierbei ist der Verzicht auf eine Analyse der Wohnungsprostitution im Rahmen der bisherigen Bestandsaufnahme: “Die Bereiche Wohnungsprostitution und Hostessendienste werden zurzeit nicht betrachtet.” (S.7) So steht es lapidar in den Zwischenergebnissen, obwohl die Abdrängung von Bordellprostituierten in die Wohnungsprostitution und in die Stadtteile infolge der Razzien ein öffentliches Streitthema war und die SPD in ihrem Antrag zum Runden Tisch seinerzeit ausdrücklich “Konzepte” forderte, “die die Probleme nicht nur verlagern”. (Antrag der SPD-Fraktion Nr. 1074)
Dieser gravierende Mangel der vorgelegten “Bestandsaufnahme” beruht auf einer anderen Fehlentscheidung des Runden Tisches: Eine genaue Untersuchung der Veränderungen durch die massiven Polizeirazzien mittels einer “Vorher-Nachher-Analyse” wurde seitens der Moderation und von Behördenvertretern am Runden Tisch von vornherein unterbunden.

3. Tendenziöse Darstellung der Arbeits- und Lebenssituation der Prostituierten
Die wenigen zusammengestellten Daten sind einseitig und selektiv. Problematische Praktiken (Geldzahlung bei Verlust des Zimmerschlüssels) werden unzulässig verallgemeinert. Einnahmen der Frauen werden runter-, ihre Ausgaben hingegen heraufgerechnet. Angaben zu den monatlichen Gesamteinnahmen der Frauen fehlen im Zwischenbericht, während sie in empirischen Studien dokumentiert sind. Prostitutionsmigrantinnen werden in bekannter Manier durch Nennung horrender, astronomischer Vermittlungsgebühren, die in der Realität nur in seltenen Ausnahmefällen verlangt und gezahlt werden, in Gänze als beklagenswerte Opfer von Ausbeutung und Menschenhandel präsentiert. Dass die Mehrzahl der Frauen ihre Einstiegskosten in kürzester Zeit abbezahlen können, bleibt unerwähnt. Ebenso bleibt die Tatsache der Pendlermigration, dass Frauen immer wieder mehrfach nach Frankfurt kommen, völlig unbegriffen. Denn im Falle von Menschenhandel dürfte dies eigentlich nicht so sein.

Die Bestandsaufnahme der “Zwischenergebnisse” bedient die Strategie der Entmündigung der Frauen, stellt sie interessegeleitet in den Kontext “organisierte Kriminalität” und legitimiert so das behördliche Interesse an fortgesetzten Kontrollen und Polizeiinterventionen ebenso wie die staatliche Alimentierung von Beratungsorganisationen, deren bevorzugte Sichtweise dem gesellschaftlich verbreiteten Vorurteil von “Zwangsprostitution” entspricht. Die Präsentation der Frauen als Opfer maßloser Ausbeutung, nicht aber als Opfer maßloser Polizeischikanen, folgt zudem der altbekannten Logik, die Mehrzahl der Frankfurter Bordellbetreiber an den Pranger zu stellen, um sie zukünftig – siehe Empfehlungen – via Konzessionsvergabe weiteren Pressionen auszusetzen.

Peinlich in diesem Kontext ist die Feststellung, dass “insbesondere zum Innenleben der Bordelle, deren Ausstattung etc. ... zunächst keine systematischen Informationen vor(lagen)” und erst im Herbst 2001 Berater/innen und Streetworker nach ihren “Kenntnissen und Einschätzungen” (S.11) extra befragt werden mussten, um diese “Einschätzungen” in die “Zwischenergebnisse” einfließen zu lassen. Bei Beratungsorganisationen, die jahrelang von der Stadt alimentiert wurden, hätte man eigentlich erwarten dürfen, dass systematische Informationen zum Innenleben der Bordelle vorliegen, zumal man sich öffentlich über deren miese Ausstattung immer wieder erregt hat.

Befremdlich ist auch die Tatsache, dass eine “Auswertung der Berichte des Stadtgesund-heitsamts zur gesundheitlichen Situation der Prostituierten” (S.12) bislang nicht stattgefun-den hat.

4. Verzicht auf eine kritische Auseinandersetzung mit Polizei- und Ordnungsbehörden
Eine völlig unzulängliche “Statistik der polizeilichen Maßnahmen” – gemeint sind die menschenverachtenden Razzien und die permanenten Polizeikontrollen - tritt an die Stelle einer kritischen Auseinandersetzung mit der bis heute beibehaltenen, umstrittenen Strategie der Polizei- und Ordnungsbehörden hinsichtlich Polizeikontrollen, Razzien, Ausweisungen und Abschiebungen. Die angegebene Zahl von rund 850 “Überprüfungen in der Zeit von Januar 2000 bis Oktober 2001” ist nach unseren Recherchen korrekt. Aber – um nur einige offene Probleme zu benennen - :

(1) Es fehlen Angaben zur absoluten Zahl der ausgewiesenen, abgeschobenen und wieder untergetauchten Frauen.
(2) Es fehlen sämtliche Daten, welchen unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichen Status die bei den Razzien aufgegriffenen Frauen hatten, (z.B. wie viele von ihnen sich hier legal aufhielten, aber keine Arbeitserlaubnis besaßen).
(3) Es fehlen jegliche Angaben zur Doppel- und Mehrfachüberprüfung der betroffenen Frauen im Bahnhofsviertel und innerhalb der Bordelle.
(4) Es fehlen Angaben zur Zahl der bei Polizeirazzien verhafteten Frauen und die Dauer ihrer Inhaftierung.
(5) Es fehlt jede Auseinandersetzung mit den der Polizei und den Ordnungsbehörden zustehenden Ermessensspielräumen.
(6) Es fehlen jegliche Klärungen hinsichtlich des zukünftigen Umgangs mit Nicht-EU-Frauen, die beispielsweise eine Aufenthaltserlaubnis für Spanien besitzen sowie Klärungen bezüglich der Zugangsvoraussetzungen für die selbständige Ausübung der Prostitution durch ausländische Frauen
(7) Es fehlt jegliche Auseinandersetzung mit den rechtlichen Grundlagen für die Konfiszierung beträchtlicher Geldsummen von Prostituierten während der Polizeirazzien.
(8) Es fehlt jegliche Angabe über die Höhe dieser konfiszierten Geldbeträge und deren Verwendung.
(9) Es fehlt jede kritische Beleuchtung der polizeilichen Videoaufnahmen während der Razzien.
(10) Es gibt keine Klärung der Frage, ob bei den Ordnungsbehörden Dateien über ausländische Prostituierte geführt werden.
(11) Es fehlen jegliche Daten zur “hohen Begleitkriminalität”, die angeblich mit der Prostitution im Bahnhofsviertel einhergeht, z.B. konkrete Angaben zur Zahl der Fälle und Opfer von Menschenhandel in Frankfurt/Main bzw. zur Höhe von Geldsummen, die dabei als Vermittlungsprovision geflossen sind.
(12) Es gibt keine Aufklärung über Sinn, Zweck und Kompetenzen der “AG Rotlicht” bei der Polizei.

Obwohl in der 2. Sitzung des Runden Tisches am 30.1.2001 die Projektgruppe mit dem Titel “Behördliche Alternativen” und “Stopp der Razzien” in der von den Mitgliedern des Runden Tisches zusammengestellten Prioritätenrangliste den 1. und 3. Rang einnahmen, hieß es im Protokoll der 3. Sitzung des Runden Tisches vom 6.3.2001: “Die Projektthemen “Stopp der Razzien” und “Behördliche Alternativen” konnten aus Zeit- und Ressourcengründen nicht vorbereitet werden.”!! Ordnungsdezernent Schwarz kann sich als Auftraggeber bei der von ihm eingesetzten Beratungsfirma “profile” dafür bedanken, dass genannte Projektthemen durch die interessierte Untätigkeit der Moderation nicht wieder eingesetzt und damit das gesamte Anliegen im Verlaufe der weiteren Tagungen des Runden Tisches gleichsam in der Versenkung verschwunden ist.

5. Verzicht auf Städtevergleich:
Auf einen durchaus sinnvollen Städtevergleich hinsichtlich des Umgangs mit Prostitution hat der Runde Tisch verzichtet mit der Begründung, dass er zu “keinen weiterführenden Erkenntnissen führt, da die Situation im Bereich Prostitution zu ortspezifisch ist.” (S.11) Diese “Begründung” ist wirklich absurd. Städtevergleiche machen gerade deshalb Sinn, weil die Situation in anderen Städten anders, eben ortspezifisch ist. Wäre sie überall gleich, bräuchte man sie auch nicht zu vergleichen. Auch die wirklich interessierende Frage, was eigentlich in welchem Ausmaße und warum in puncto Prostitution “ortspezifisch” ist, wurde nicht behandelt. So lebt etwa die Bundeshauptstadt Berlin seit Jahr und Tag ohne eine Sperrgebietsverordnung. Die Beantwortung der Frage, ob dies auf Frankfurt übertragbar wäre, hat sich der Runde Tisch durch seinen Verzicht auf einen Vergleich wenigstens ausgewählter Städte von vornherein geschenkt. Dies wird die Behördenvertreter am Runden Tisch sicher freuen.

B. “Ergebnisse” und die “Entwicklung von Empfehlungen”

Es zeichnen sich 6 Komplexe ab, zu denen möglicherweise “Konzepte” erarbeitet oder “Empfehlungen” an die Stadtverordnetenversammlung gegeben werden sollen:

(1) Empfehlung eines juristischen Gutachtens zur Lizenzierung und Konzessionierung der Bordelle (S.9/10)
(2) Empfehlung zum Inhalt des Passeintrags der Behörden bei der Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen für ausländische Prostituierte (S. 9/10)
(3) Feststellung eines “örtlichen Bedürfnisses” an Prostitutionsmigrantinnen: wird geprüft (S.10)
(4) Empfehlung für einen “Städtebaulichen Wettbewerb zur Erhöhung der Attraktivität des Bahnhofsviertels” (S.11)
(5) Empfehlungen zur Gestaltung der Arbeitssituation von Prostituierten (S.11/12)
(6) Handlungsempfehlungen für den Bereich des Straßenstrichs (S.13)

Zu keinem dieser sechs Bereiche liegt auch nur entfernt irgend etwas Konkretes vor. Die Dürftigkeit dieser Bilanz hinsichtlich der Empfehlungen entspricht der Dürftigkeit der Bestandsaufnahme und kann nur die enttäuschen, die sich immer noch Illusionen über die dem Runden Tisch zugedachte Rolle machen. Dessen “Erfolg” besteht nämlich vornehmlich in der Einbindung und Unterordnung unterschiedlicher Interessen unter die der hiesigen Behördenvertreter und somit in seiner puren Existenz, was jetzt schon – ohne dass auch nur ein einziges konkretes Ergebnis vorliegt - bundesweit als “Modell” für einen gelungenen gesellschaftlichen Dialog zum Thema Prostitution verkauft wird. Die bereits begonnene Vermarktung des bislang Erreichten als “Modell” ist heiße Luft und letztlich nichts anderes als die im Politbussines zur Norm gewordene Schaumschlägerei.

Bezeichnend für diese Schaumschlägerei ist der Umgang mit dem Forderungskomplex “Modellbordell”, mit dem man vorzeitig an die Öffentlichkeit getreten ist und zu dem Behördenvertreter auf der letzten Sitzung am Runden Tisch erklärten, sie hätten kein Mandat, darüber überhaupt zu diskutieren oder zu befinden! So diktieren Machtverhältnisse, was letztlich als konsensfähig gilt. Das öffentlich lancierte Thema “Modellbordell” erweist sich damit als eine längst geplatzte Seifenblase. Schon früh war absehbar, “dass ein solches Konzept nicht von allen Mitgliedern auf der Grundlage der gegenwärtigen Situation mitgetragen werden kann.” (S. 9) Die Debatten um das Luftschloss “Modellbordell” werden so zur Spielwiese und Beschäftigungstherapie für die am Runden Tisch beteiligten Beratungsorganisationen. Handfeste Qualitätsstandards für die hier und jetzt bestehenden Bordellbetriebe, wie sie Doña Carmen seinerzeit mit Frankfurter Bordellbetreibern ausgehandelt hat, haben die Mitglieder des Runden Tisches bislang noch nicht vorgelegt.

Die verbleibenden Empfehlungen möchten wir nun im einzelnen kommentieren:

1. Juristisches Gutachten zur Konzessionierung der Bordelle
Konkrete Gründe für eine Veränderung der Konzessionierung von Bordellen gehen aus den “Zwischenergebnissen” nicht hervor. Die Empfehlung ergibt sich allerdings konsequent aus dem einseitigen Tenor der Bestandsaufnahme, alle Probleme im Zusammenhang der Prostitution auf Seiten der Bordellbetreiber, nicht aber im behördlichen Umgang mit Prostitution zu sehen. Ziel ist die Optimierung der Kontrolle über die in der Prostitution tätigen Frauen. Bedient wird das Klischee von den außerhalb aller Gesetze agierenden Bordellbetreibern, die verstärkter Kontrolle bedürfen.

Indirekt werden mit dieser Empfehlung sämtliche Frankfurter Bordellbetreiber erneut unter Generalverdacht gestellt. Ignoriert werden damit deren Bemühungen im Zusammenhang der Erarbeitung von Qualitätsstandards für Bordelle (2000), zur umfassenden Sanierung ihrer Liegenschaften (bereits seit 1999), ihre Bereitschaft zur kooperativen Zusammenarbeit im Zusammenhang des “Runden Tisches Prostitution” (2000 – 2002), ihre Bemühungen zur Herstellung einer größeren Transparenz durch öffentliche Bordellführungen im Rahmen des Kirchentages (2001).

2. Passeintrag bei der Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung für ausländische Prostituierte
Es ist eine Schande, dass sich das Thema “behördliche Alternativen”, das einstmals auf Rang 1 der Themenliste des Runden Tisches stand, bei den “Empfehlungen” auf diesen einzigen Punkt reduziert hat. Das tut den Behörden nicht weh und wird deshalb sicherlich zu einer einvernehmlichen Einigung führen.

3. Feststellung eines “besonderen örtlichen Bedürfnisses” hinsichtlich der selbständigen Prostitutionsausübung durch Migrantinnen
In dieser zentralen Frage konnte sich der Runde Tisch in den 14 Monaten seiner Existenz noch nicht einmal zu einer “Empfehlung” durchringen. Völlig abwegig ist dabei die Überlegung, anstatt der IHK nun der Kommune hinsichtlich der Überprüfung eines solchen “örtlichen Bedürfnisses” die Zuständigkeit zu übertragen, wie es der Runde Tisch erwägt. (S.10) Zum einen widerspricht dies der bereits von der IHK übernommenen Zuständigkeit (FAZ, 6.2.2002), zum anderen entspräche diese Überlegung einer Fortsetzung der hergebrachten diskriminierenden Sonderbehandlung gegenüber Prostituierten, die ihnen durch die Einschaltung politischer Instanzen erneut den Status eines normalen Gewerbes vorenthält. Im übrigen widerspricht diese unausgegorene Überlegung der gegenwärtigen Rechtslage: So hat der Magistrat erst am 8.1.2002 im Magistratsbericht B 31 “Prostitution Legalisierung” festgestellt, dass die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit durch Ausländerinnen in der Prostitution einer individuellen Prüfung bedarf, die “nicht durch eine parlamentarische Entscheidung... ersetzt werden” kann. Offenbar nimmt die federführende Moderation “profile” solche Feststellungen nicht zur Kenntnis.

4. Städtebaulicher Wettbewerb fürs Bahnhofsviertel
Mit Empfehlungen für einen “städtebaulichen Wettbewerb” fürs Bahnhofsviertel hat der Runde Tisch schlicht das ihm gestellte Thema verfehlt. Es war nicht die Aufgabe des Runden Tisches Prostitution “Empfehlungen zu entwickeln, damit die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen ein Wohn- und Arbeitsviertel vorfinden, dass ihren jeweiligen Bedürfnissen entspricht.” (S.10) Soll der “Runde Tisch” nun etwa auch noch das Problem der Drogenabhängigen stemmen, wo er doch gerade beweist, dass er nicht einmal mit der Frage der Prostitution zurechtkommt?

Eine solche Empfehlung lenkt davon ab, dass die Stadt Frankfurt in diesem Viertel schon seit langem ihre Hausaufgaben nicht macht. Als erstes wären so elementare Dinge wie eine Straßenreinigung in kürzeren Abständen sowie die Einrichtung und regelmäßige Wartung öffentlicher Bedürfnisanstalten angesagt, bevor man sich mit städtebaulichen Wettbewerben die Zeit vertreibt. Im übrigen: Was nutzt es den betroffenen Prostituierten, wenn nach dem Motto: “Unser Bahnhofsviertel soll schöner werden” das Quartier umstrukturiert, der prekäre Umgang mit illegalen ausländischen Prostituierten im Grunde genommen aber beibehalten wird?

5. Gestaltung der Arbeitssituation von Prostituierten
Da dem Runden Tisch zum Innenleben der Bordelle “keine systematischen Informationen” vorlagen, die Berichte des Stadtgesundheitsamts zur gesundheitlichen Situation der Prostituierten in 14 Monaten noch nicht ausgewertet werden konnten und die Auswertung der Befragung von Beratern/Streetworkern offensichtlich nicht so ergiebig war, beabsichtigt man die “Ableitung von Empfehlungen unter Berücksichtigung weiterer Informations-materialien”! Offensichtlich war dies bislang, wo sich der Runde Tisch unter Federführung der Moderation hauptsächlich mit sich selbst beschäftigte, nicht machbar. Ein Trauerspiel!

6. Empfehlungen für den Straßenstrich:
Konkrete “Empfehlungen” liegen auch hier nicht vor. Handlungsempfehlungen sollen dabei – wie es heißt - “unter Berücksichtigung der Sperrgebietsverordnung” (S.13) entwickelt werden. Sollte diese in der bisherigen Form beibehalten werden, zeichnet sich bei den Mitgliedern des Runden Tisches auch in dieser Frage ein Kotau vor umstrittenen polizeilichen Kontrollmechanismen ab, die sich wesentlich gegen die freie Ausübung des Prostitutionsgewerbes richten.

C. Fazit:

(1) “Bestandsaufnahme” und “Empfehlungen” des Runden Tisches sind der Sache nach dürftig und geprägt von einseitiger Parteinahme zugunsten von Polizei- und Ordnungsbehörden

Die vom Runden Tisch in seinen “Zwischenergebnissen” skizzierte “Bestandsaufnahme” ist in mehrfacher Hinsicht unzureichend und dürftig, blendet wichtige Teile der Realität von Prostitution unbegründet aus, verzichtet ohne triftigen Grund auf den Vergleich mit der Situation in anderen Städten, dramatisiert die Situation der Frauen in der Bordellprostitution, rückt ausländische Prostituierte in die Nähe organisierter Kriminalität und bedient das Klischee, sie seien vornehmlich Opfer.

Die Bestandsaufnahme ist zudem einseitig und parteilich im Sinne seines unmittelbaren Auftraggebers, des Ordnungsamts der Stadt Frankfurt, insofern Bordellbetreiber tendenziell an den Pranger gestellt werden, während die eigentlich umstrittenen Polizeipraktiken gegenüber Prostituierten mit keinem Wort thematisiert, geschweige denn kritisch gewürdigt werden.

Die angeblich “neutrale” Moderation entpuppt sich als willfähriges Instrument ihres Auftraggebers, des Frankfurter Ordnungsdezernenten Schwarz. Diese Parteinahme sowie die insgesamt problematische Verengung der Sichtweise schlägt sich auch in den “Umsetzungsschritten” und der “Entwicklung von Empfehlungen” des Runden Tisches Prostitution nieder.

Die vorgelegten “Empfehlungen” sind entweder unkonkret, überflüssig oder in ihrer Einseitigkeit problematisch. In ihrer Zusammenstellung bestechen sie durch substanzlose Beliebigkeit. Sie bedienen einseitig die Kontrollbedürfnisse hiesiger Behörden und sind ein Persilschein für eine weiter auf polizeiliche Lösungen setzende Strategie in der Frage des Umgangs mit der Prostitutionsmigration. Sie setzten auf eine schärfere Überwachung der Bordellbetreiber – so als wären diese das eigentliche Problem -, statt auf eine Kooperation mit ihnen.

Diese Art der “Bestandsaufnahme” und der “Empfehlungen” diskreditieren das Projekt eines “Runden Tisches Prostitution” und lassen es keineswegs als bundesweit zu empfehlendes “Modell” erscheinen.

(2) Thema verfehlt: Keine Lösungen für illegale Prostitutionsmigrantinnen

Der Stadtverordnetenbeschluss vom Juni 2000 verlangte eine Analyse der “aktuellen Situation der Prostitution in Frankfurt, insbesondere auch im Bezug auf den hohen Anteil von Migrantinnen ohne Aufenthaltserlaubnis” und forderte darauf bezogen die Erarbeitung von Konzepten. Die “Zwischenergebnisse des Runden Tisches” zeigen: Diesem Auftrag ist nicht entsprochen worden. Und es ist auch nicht absehbar, dass ein Endbericht dem Auftrag entsprechen wird.

Es ist bezeichnend, dass die Bezugnahme der “Zwischenergebnisse” auf besagten Stadtverordnetenbeschluss (S.1) dessen klare und eindeutige Erwartungshaltung dadurch relativiert, dass all jene Themenfelder in den Vordergrund gerückt werden, die gar nicht den Kernpunkt des Stadtverordnetenbeschlusses ausmachen, sondern in Punkt 4 desselben seinerzeit dem Magistrat lediglich “zur Prüfung und Berichterstattung” überwiesen wurden.

Für das eigentliche Ausgangsproblem, den gesellschaftlichen, rechtlichen und behördlichen Umgang mit Prostitutionsmigrantinnen, werden überhaupt keine akzeptablen Lösungen angeboten. Der Runde Tisch beschäftigt sich mehr mit der Prostitution im allgemeinen und seinen eigenen Problemen damit als mit den Problemen der Prostitutionsmigrantinnen:

hinsichtlich der Feststellung eines “örtlichen Bedürfnisses” an Prostitutions-migrantinnen hält man sich schön bedeckt und bleibt in “Überlegungen” stecken, die zudem rückwärtsgewandt und realitätsfremd sind andere Formen einer Legalisierung von Prostitutionsmigrantinnen – etwa die Green Card für ausländische Prostituierte, die auf dem Verordnungswege über das Bundesarbeitsministerium leicht zu realisieren wäre – werden mit peinlichem Schweigen übergangen und eignen sich offenbar nicht als “Empfehlung” für das Stadtparlament, obgleich eine große Zahl von Mitgliedern des Runden Tisches sich diese Forderung seinerzeit durchaus zu eigen gemacht hatte. ebenso fehlt jegliche Empfehlung einer Amnestie der durch die Ausweisungs- und Abschiebepraxis deportierten Frauen, die durch eine Befristung von Ausweisungs-verfügungen erreichbar wäre.

Beinahe alles, was am Runden Tisch Prostitution angedacht wird, ist bereits wesentlich durchdachter entweder schon vor Bestehen des Runden Tisches oder außerhalb desselben öffentlich dargelegt und angeregt worden. Mit den in den “Zwischenergebnissen” angedeute-ten, insgesamt problematischen “Empfehlungen” ist bislang weder der gesellschaftliche Umgang mit dem Frankfurter Prostitutionsgewerbe, noch mit den betroffenen ausländischen Frauen in der Bordellprostitution einen Schritt vorangekommen.

Im Gegenteil: Das permanente Zuwarten des Runden Tisches, der seine bürokratische Behäbigkeit bereits als “Modell” für ganz Deutschland anpreist, hat die Frauen im Regen stehen lassen. Sie werden damit zu individuellen “Lösungen” des ungelöst bleibenden Problems der Prostitutionsmigration und damit weiter in die Kriminalisierung getrieben. Auch auf diese Weise können sich die Vertreter der Polizei- und Ordnungsbehörden darin bestätigt fühlen, dass nur ein repressiver Ansatz in dieser Frage hilft.

D. Forderungen von Doña Carmen

Doña Carmen fordert aus Anlass der vorgelegten “Zwischenergebnisse” als erstes eine Veränderung der Zusammensetzung des Runden Tisches Prostitution

durch Einbeziehung der Vertreter aller im Stadtparlament vertretenen demokratischen Parteien durch Abschaffung des gegenwärtig erdrückenden Übergewichts der Vertreter von insgesamt 11 Behörden, Ämtern und Dezernaten durch gezielte Einbeziehung externen Sachverstandes (z.B. Gewerkschaftsvertreter, Wissenschaftler, unabhängige Juristen, Stadtplaner) durch Einbeziehung von Vertretern der Bordellbetreiber an den Runden Tisch durch Rückkehr von Doña Carmen an den Runden Tisch

In dieser Neuzusammensetzung muss eine kritische Bilanz der bisherigen Arbeit erfolgen sowie eine Überprüfung der bislang praktizierten Verfahren, einschließlich des Prinzips, ob Konsensgespräche und vertrauliche “Runde Tische” hinter verschlossenen Türen für die Aushandlung sachangemessener Ergebnisse wirklich förderlich oder möglicherweise ein Hindernis sind. Eine solche Bilanzierung bildet den Hintergrund für eine Entscheidung über Verbleib oder Ablösung der Moderationsfirma profile.

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