Der shooting star vom Jobcenter West

Interessante Internas und Vorgehensweisen des Frankfurter Jobcenter West konnte man am 2. November 2006 der FAZ entnehmen.

Interessante Internas und Vorgehensweisen des Frankfurter Jobcenter West (aka "Rhein-Main Jobcenter GmbH") konnte man am 2. November 2006 der FAZ entnehmen. Leistung muss sich ’mal wieder lohnen. Vielleicht nicht für die Arbeitslosen, aber doch wenigstens für Herrn Christian Aakipogu-Gutermilch . Herr Aakipogu-Gutermilch ist nicht Pressesprecher der BA, wie man vermuten könnte, Herr Aakipogu-Gutermilch ist auch nicht Leiter des Jobcenter West, Herr Aakipogu-Gutermilch ist Sachbearbeiter beim Jobcenter West in Frankfurt. Und wie man lesen kann, ist seine Stelle bei der ArGe bis 2008 befristetet. Und da möchte er natürlich gerne übernommen werden:

„Die meisten finden es völlig normal, daß sie in ein Amt kommen, ein Formular ausfüllen und dann nur noch die Hand aufhalten. Das ist ihnen anerzogen worden. Wir müßten aber eigentlich alle Gesunden direkt unten bei der Anmeldung abfangen und sofort in eine Maßnahme stecken oder ihnen einen Job vermitteln. Sie sollen sich daran gewöhnen, daß der Weg zum Arbeitsamt auch zu Arbeit oder zumindest Beschäftigung führt - nicht nur zum Bezug von Geld.“

Herr Aakipogu-Gutermilch ist auch nicht Minister für Arbeit und Soziales, wie man meinen könnte, Herr Aakipogu-Gutermilch ist auch nicht ausgewiesener Experte für Beschäftigungspolitik, aber Herr Aakipogu-Gutermilch scheint ein Freund der Methoden des Reichsarbeitsdienstes zu sein merkwürdige Ansichten zu haben. Selbstverständlich wurde ihm das Zitat der „Front des Sozialstaats“ in dem Artikel untergeschoben. Deshalb versucht er systematisch seine „Kunden“ entweder zum Ärztlichen Dienst zu zitieren, oder in irgendwelche „Maßnahmen“ (sprich 1 Euro Job = EEJ) zu vermitteln. Nach Meinung seiner Kunden nutzt er dazu jedes Mittel, um die Arbeitslosen zu erniedrigen, unterbricht nach Belieben in Ihrer Rede oder diagnostiziert auch gerne selbst schon einmal eine Arbeitsunfähigkeit:

„Für einen Teil bleibt nur der Weg in eine Erwerbsunfähigkeitsrente oder in die „Ü58“-Regelung (wer älter als 58 Jahre ist, kann Hartz IV bekommen, ohne sich weiter vermitteln lassen zu müssen). „Immerhin sind sie dann aus der Statistik.““

(O-Ton: „Immerhin sind sie dann aus der Statistik.“)

Dieser Satz für sich genommen ist schon ein Skandal. Er gibt unumwunden zu, dass die Arbeitslosen notfalls aus der Arbeitslosenstatistik zurück auf die Sozialämter gedrängt werden sollen, indem sie gesundheitlich und fachlich diskreditiert werden. Es ist natürlich schon aufwendiger, sich das Profil des Arbeitslosen wirklich durchzulesen und sich Gedanken darüber zu machen, wo man ihn einsetzen könnte. So wurde einem HE (Hartz IV-Empfänger) ernsthaft vorgeschlagen, Schlüsselqualifikationen im Lebenslauf zu unterschlagen, damit er für einfache Arbeiten nicht überqualifiziert erscheine - worüber auch die potentiellen Arbeitgeber nicht erfreut sein dürften. Eine gewisse Fachkenntnis und Kontakte zu Arbeitgebern wären schon nötig, damit man weiß wie deren "Denke" bei der Jobvergabe funktioniert. Da müsste man vielleicht mal sein Büro verlassen oder sich mit den verbliebenen Möglichkeiten des Arbeitsmarktes auseinandersetzen.

"Eine seiner Vorgaben lautet, daß jeder bis dahin (Ende 2006, Anm. des Autor) mit einer „Maßnahme“ versorgt sein muß. Das kann ein Sprach-, EDV- oder Alphabetisierungskurs sein, eine überbetriebliche Ausbildung, ein Existenzgründer-Seminar, ein Ein-Euro-Job, eine Aushilfstätigkeit oder Zeitarbeit. Das ist ihm bisher nur in zehn oder fünfzehn seiner 266 Fälle gelungen.“

Behauptete die BA vor kurzem nicht steif und fest, dass jeder Sachbearbeiter für maximal 75 (später 90) Kunden zuständig sein darf, da sonst eine Betreuung gar nicht möglich sei? Ein vernünftig bezahlter Job im ersten Arbeitsmarkt taucht in dieser Liste gar nicht mehr auf – scheinbar sind ordentliche Arbeitsverhältnisse nicht Gegenstand seiner Betrachtung.

„Wenn auch ihre ökonomische Lage ähnlich ist, etwas Wesentliches unterscheidet Aakipogu-Gutermilch von seinen Kunden: Er sitzt auf der anderen Seite des Schreibtisches. Er hat Macht.“

“Er hat Macht.“ - das fiel der Redakteurin auch auf. Diese Attitüde wurde ebenso von mehreren „Kunden“ stark wahrgenommen. Sicherlich ist dieser motivierte, junge dynamische Mensch mit dem "interessierten, optimistischen Blick", guten Zeugnissen, vielseitig interessiert, weltoffen, flexibel, belastbar, entwicklungsfähig und zu größeren Aufgaben fähig und ist viel zu schade für einen derart schlecht bezahlten Job ("netto etwa 70 Euro mehr, als ihm nach Hartz IV zustünde") als mächtiger Sachbearbeiter im Jobcenter. Ackermann ließe sich diese Ämterhäufung (“Detektiv, Richter, Psychologe“) wenigstens bezahlen.

Es ist doch schon erstaunlich, mit welchen Unterstellungen die öffentliche Meinung in der FAZ angeheizt werden soll. Wie viel Prozent der Langzeitarbeitslosen betrügen tatsächlich und wie viele machen von einem gesetzlich garantierten Recht gebrauch, weil sie jahrelang völlig regulär Beiträge in die gesetzliche Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben? Und wie hoch ist der Anteil der Jobcenter-"Kunden", die zu psychologischen und arbeitsmedizinischen Untersuchungen einbestellt werden, bis sie entkräftet aufgeben und freiwillig in die Erwerbsunfähigkeit gehen? So ist es einfach, Arbeitslose mit allen Mitteln aus dem System zu ekeln.

Insgesamt bedient der Artikel und seine simplifizierende Darstellung komplexer Probleme reaktionäre Vorurteile.

Quelle: Zum Artikel „Job-Berater im Arbeitsamt Detektiv, Richter, Psychologe“ von Uta Rasche erscheinen am 2. Nov. 2006 in der FAZ.

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