Die Würde des Alters ist .... ein Geschäft?

Die Deutsche Krankenhaus-Landschaft ist in Bewegung geraten wie noch nie zuvor und es ist in den Geschäftsführungsetagen der sich zusammenballenden neuen Klinik-Großkonzerne wie der Hessischen AGAPLESION Aktiengesellschaft (Frankfurter Diakonie-Kliniken und Elisabethenstiftung Darmstadt) ein wilder Kampf um den Kuchen entbrannt, der da neu verteilt wird.

Eine kleine aber mächtige Clique von betriebswirtschaftlich orientierten ManagerInnen hat hier das sagen. Im Fall von „Agaplesion“ ist es aber eher ein einziger Mann der die Fäden mehr oder weniger Trickreich zieht, sich nicht gern öffentlich in die Karten schauen läßt, seine Partner gerne im Ungewissen läßt, Arbeitnehmerbeteiligung an Entscheidungsprozeßen bewußt niedrig hält, eine „Scheib‘chenweise Informationspolitik“ innerhalb des Konzern betreibt, seinen leitenden MitarbeiterInnen ja nach Bedarf seine „Gunst“ entzieht oder schenkt, wenn es in sein Kalkül paßt sie auch unter Druck setzt - alles wie einst in dunkelsten Feudalzeiten - und dabei ist einen Konzern aufzubauen, der nur noch an Wachstum orientiert ist und diesem Ziel jede Menschlichkeit bereitwillig opfert. Doch er und nicht nur er, hat ein Problem! Das künftige Fallpauschalengesetz stellt die Finanzierung von Krankenhausaufenthalten auf eine völlig neue Grundlage. Über 600 Einzelpauschalen für Diagnosen, Neben- und Unterdiagnosen schaffen einen Dschungel von Abrechnungsmodalitäten, die alle bundesdeutschen Kliniken in Zukunft zwingen werden , wirtschaftlich und strukturiert, daß heißt miteinander und nicht wie bisher in den einzelnen Abteilungen aneinander vorbei zu arbeiten. Mit der Verschwendung von Mitteln wie bisher, die nicht allein dem ärztlichen oder pflegerischen Personal anzulasten ist, sondern genauso den Krankenhaus-Bossen (die ich so nennen will, weil sie sich so gebärden) die bislang ziemlich aus dem Vollen schöpfen konnten, ist es in den Krankenhäusern dann vorbei. Die Verweildauer von PatientInnen wird sich dramatisch verkürzen. Gewiss, ein Horrorszenario und ein enormer Umdekungsprozeß für Ärzte und Pflegende, gleichzeitig aber die Stunde jener Manager und Betriebswirte in den Krankenhäusern, die jetzt allein das Sagen haben wollen. Der Konflikt zwischen beiden ist vorprammiert und wird kommen. Es geht um Ehtik und das medizinisch Vertretbare gegen reine Wirtschafts- und Wachstumsinteressen. In der Altenarbeit haben wir lange geglaubt unabhängig von solchen Entwicklungen im Krankenhausbereich zu sein. Vor allem in Frankfurt haben wir im Laufe der Jahrzehnte ein Wohnortnahes System aufgebaut. Die neu auf den Altenpflegenmarkt drängenden Konzernbosse machen sich daran dies zu zerschlagen. Das Frankfurter Forum für Altenpflege – ein lockerer Zusammenschluß der fast vierzig Heimleitungen aus allen Trägerorganisationen und Wohlfahrtsverbänden von AWO über Caritas bis zu den privaten Trägerorganisationen, den sogenannten Beratungs-und Vermittlungsstellen, der Liga der freien Wohlfahrtspflege und übergreifender städtischer Einrichtungen im Sozialamt, wie die zentrale Heimvermittlungsstelle, garantierten den Auftrag des SGB XI (Pflegeversicherungsgesetz), daß pflegebedürftige alte Menschen einen Pflegeheimplatz in der Nähe ihres Lebensortes erhalten. Dies ist nun in akuter Gefahr. Die Fachleute haben das Problem noch nicht in seinen Auswirkungen erkannt. Die Altenarbeit in Frankfurt, aber auch anderswo, könnte von einer Entwicklung überrollt werden, die jenes Prinzip der Stadtteilorientierten und Wohnortnahen Altenpflege erheblich in Frage stellt und rein wirtschaftlichen Interessen der Krankenhausmanager weicht. Auf der Bürgerversammlung im Frankfurter Römer zu der die Stadtverordnetenversammlung am 21.November 2002 geladen hatte, habe ich in einer kurzen Rede auf diese Problematik hingewiesen. Ich will es aber auch an dieser Stelle nicht versäumen klar zu sagen, daß Kooperationen zwischen Altenpflegeheimen und Kliniken oder Klinikbetreiber als Träger von Altenhilfeeinrichtungen nicht in Bausch und Bogen Übles zu bedeuten haben müssen. Auch hier, wie sonst überall, ist es eine Frage der tatsächlichen Haltung, die hinter dem Unternehmensziel und dessen Management steht. Es ist auch eine Frage von Bereitschaft auf die Bedürfnisse der Altenarbeit einzugehen und besonders eine Frage hoher gesellschaftlicher Verantwortung. Tenor meiner Ausführungen ist deshalb: „Wehret den Anfängen“ Mit der Verkürzung der Verweildauer in den Klinken werden die alten Menschen zuerst betroffen sein von den Bestrebungen so mancher Klinikleitung schnelle und für den Träger kostengünstige Heimunterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Alles andere macht für Klinikbetriebe in diesem Zusammenhang keinen Sinn. Diametral entgegengesetzte Interessen zwischen Altenpflege und Klinikbetrieb werden den alten Menschen noch mehr entwurzeln und seine Grundrechte erheblich in Frage stellen und einschränken. In Frankfurt wurde das System der geriatrischen Versorgung daraufhin schon vor Jahren in Blick auf die massiven Veränderungen in der Krankenhausfinanzierung verändert. Das Diakonissen-Krankenhaus und neuerdings auch das Mühlberg-Krankenhaus (Teileinrichtungen der Frankfurter Diakonie-Klinken) werben mit dem Slogan: „Fit machen für das Leben“. Das wir in Frankfurt eine flächendeckende geriartrische Versorgung erreichen wollen und hierfür geriatrische Klinikstandorte in vier Bezirken der Stadt anstreben wird dabei unbestritten eine Errungenschaft für jene alten Menschen sein, die nach einer Erkrankung oder einer vorübergehenden Pflegebedürftigkeit zurückkehren in die eigene vier Wände. Trotz alle dem aber bleibt die Forderung bestehen, daß auch diese Einrichtungen für jene alten Menschen offen stehen müssen, die- auch heute noch und Zukunft vielleicht noch mehr- viel zu schnell in Pflegeheime abgeschoben und austherapiert werden. Hier ist in der augenblicklichen Kosten-Situation- vor allem vor dem Hintergrund der von der Bundesregierung verordneten „Spartherapie“ für den Gesundheitsbereich nicht‘s zu verdienen. Krankenhausträger und Kostenträger sitzen da in einem Boot. Für alle anderen alten Menschen und hier vorwiegend die Dementen, jene die für die Autokraten in unserem Gesundheitssystem sozusagen nicht mehr „therapiewert“ sind, benötigen die Krankenhäuser in Zukunft raschen Zugriff auf Pflegebetten mit steigender Tendenz. Die demographische Entwicklung weißt auf eine Überalterung unserer Gesellschaft hin. Eigene Pflegeheime sind für die Kliniken die konfortabelste Lösung. Zunutze machen sich die Strategen in den Geschäftsführungsetagen hier vor allem die Hilflosigkeit vieler Betroffener alter Menschen und ihrer Angehörigen, die oft händeringend und sprichwörtlich „auf die letzte Minute“ einen Pflegeplatz suchen, für die völlig verwirrte Mutter oder den schwerstpflegebedürftigen Ehemann, der nicht mehr allein mit ambulanter Hilfe von der selbst oft alten und überforderten Ehefrau gepflegt werden kann. Da spielt es für die Bosse in den Kliniken keine Rolle mehr, ob der alte Mensch sein Leben lang in Bornheim, in Sachsenhausen oder wo auch immer gelebt hat. Es wird aus den Krankenhäusern direkt in das eigene Heim vermittelt. Zunutze machen sie sich die vermeindliche Hilflosigkeit vieler und vom „Burn out“ gebeutelter Pflegenden und Mediziner, denen es nicht selten an kritischem Bewußtsein gegenüber dem Tun und Handeln mancher Träger und ihrer Repräsentanten fehlt. Aber auch- und das ist noch viel schlimmer- denen es am kritischen Bewußtsein gegenüber dem eigenen Handeln unter sich immer mehr verschärfenden Bedingungen in Heimen und Krankenhäusern mangelt. Ich selbst wurde als Heimleiter aus der Geschäftsführung heraus dazu angehalten, Heimverträge auch von Verwandten unterschreiben zu lassen, selbst wenn diese keine Vollmachten oder Betreuung haben, Damit könne man Druck auf die Angehörigen ausüben bei etwa ungeklärten Kostenfragen und BewohnerInnen aufnehmen bevor eine Kostenentscheidung des Sozialhilfeträgers beispielsweise vorliege. Es wurde als Heimleiter von mir verlangt, daß ich 56 schwerstpflegebedürftige und demente BewohnerInnen mit dem gleichen Personal wie mit 50 BewohnerInnen pflege. Alles was in irgendeiner Weise Kosten verursachte und nicht über die Pflegesätze wieder rein kommt (Veranstaltungen, Honorarkräfte, Mitarbeiterpräsente zu den Feiertagen) u.v.a.m. wird gestrichen. Die BewohnerInnen in diesen Heimen werden eine „bleierne Zeit“ des sinnlos und anspruchslos Dahin-dämmerns erleben. Der Tagesablauf richtet sich nur nach nach dem Aufstehen, Essen und Zubettgehen. Welch ein Horrorszenario in einer Zeit in der in der Altenarbeit alles aufbricht und alle Beteiligten über völlig neue und Bedarfsorientierte Altenhilfemodelle nachdenken. Wer die Kritik äußert, wird aus dem System entfernt. Widerspruch wird nicht geduldet. Das sehr erfolgreiche, Zukunftsweisende und modellhafte (Frankfurter) System der wohnortnahen Unterbringung im gewohnten Stadtteil wird auf solche Art zugunsten der Belegungsquote untergraben und am Ende zunichte gemacht. Das hat zur Folge: das die dort lebenden BewohnerInnen immer weniger Besuch von ihren Verwandten, Freunden und Bekannten erhalten, kaum noch soziale und gesellschaftliche Ansprache haben - die selbst den verwirrten Geist noch ein wenig rege halten- das die BewohnerInnen in der Regel keine freie Arztwahl mehr haben, das sie alle ihre sozialen Bezüge verlieren, resignieren und verfrüht sterben. Die neu auf den Altenheimsektor drängenden Krankenhausträger wissen in der Regel nichts von der Idee die hinter dem Profil moderner Altenpflege steht, der Idee, daß Leben im hohen Alter und unter schwerer Gebrechlichkeit trotzdem bis zum Tod Lebenswert zu erhalten. Einer Idee, mit der wir in der Altenarbeit seit Jahrzehnten mit den Kostenträgern um Mark Und Pfennig um Euro und Cent kämpfen. Das kostet auch weiterhin große personelle und strukturelle Anstrengungen, erfordert neue Konzepte und neue Bedingungen, erfordert Investitionen und vor allem die Bereitschaft für die Überwindung des Anstaltscharakters den wir zum großen Teil in den heutigen Heimen noch vorfinden und der zum Entsetzen der Fachleute auch von den Krankenhausträgern weiter gepflegt wird. Angesichts dieser Entwicklung in der Altenarbeit der Stadt Frankfurt und auch anderenorts die das Gegenteil will, muß gegen gesteuert werden. Vor allem sollten die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung sich im Klaren darüber werden, ob sie mit einer solchen Entwicklung die katastrophale personelle Situation die auch wir in Frankfurt in den Pflegeeinrichtungen zu beklagen haben, durch eine weitere Minderung der Lebensqualität künftiger und zum Teil schon heutiger HeimbewohnerInnen weiter verschärfen wollen. Das solche Träger, die im Krankenhausbereich bereits seit langer Zeit eine fachliche Arbeit leisten und nun auf die neuen politischen Bedingungen reagieren mag legitim sein und keinesfalls unseriös. Unseriös ist es allerdings schon, wenn sie nunmehr auf die Altenpflege zugreifen wollen, ohne sich an der Diskussion, dem Wissen und an den Entwicklungen in diesem Bereich, die ganz klar ein Wegrücken von den „Verwahranstalten“ klassischer Prägung bedeutet, beteiligen. Unseriös ist es auch, wenn sie Bettenburgen bauen, um des wirtschaftlichen Profites wegen und des politischen Einflusses auf das Gesundheitswesen insgesamt. Wir brauchen daher in Frankfurt und anderswo eine breite öffentliche Diskussion zu diesem Thema: „Die Würde des Alters ist .... ein Geschäft?“ und klare Vorgaben der Städte und Kommunen als Kostenträger der Altenhilfe. Kommunale Standards für die Altenhilfe sind hier das Stichwort. Sie sollten mit den Trägern der Altenhilfe als ein Minimum an kommunaler Altenhilfequalität vereinbart werden. Die Stadtteilorientierung und wohnortnahe Unterbringung von pflegebedürftigen alten Menschen muß als Bestandteil solcher kommunaler Standards als Kernbereich erhalten bleiben. Die drei Hessischen Fachhochschulen, Frankfurt, Fulda und Darmstadt an denen Pflege gelehrt wird, haben sich mit ihrem neu gegründeten Institut für Pflegeforschung mit Sitz in Frankfurt jetzt zusammengeschlossen und geben allen die sich gegen solche notwendigen Normen wenden damit ein klares Signal. Auch sie haben die Notwendigkeit von gemeinsamen Standards und gemeinsamer Qualitätssicherung in dem Bereich erkannt und wollen dazu forschen und die Einrichtungen im Klinik- und im Altenhilfebereich begleiten. Wir brauchen darüber hinaus eine ernsthafte Bürger- Menschen- und Grundrechtsdebatte an deren Ende eine Charta oder ein Gesetz stehen muß, daß die Würde des alten und Pflegebedürftigen Menschen und seine Grundrechte im Sinne des Artikel des Grundgesetzes wirklich garantiert. Für uns in der Altenpflege tätigen heißt das in Anlehnung an unsere politische Arbeit im Frankfurter Forum für Altenpflege, keine Trocken- Satt- und Sauberpflege damit die Würde des Alters nicht wirklich zum reinen „Big Deal“ zum reinen Geschäft für die Krankenhausbetriebswirte verkommt. Für die Gesellschaft, die Politik und die Verbände heißt das, eine wachsames Auge auf das zu haben, was sich im Bereich der Altenpflege an wirtschaftlichen und Unternehmensstrategischen Entwicklungen breit macht. Walter Curkovic-Paul

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