Erfolgreicher Aktionstag der Frankfurter Anti-Nazi-Koordination

<p>Am 20. April, der vor tausend Jahren einmal als "Führers Geburtstag" zelebriert werden musste, führte eine größere Zahl von Mitgliedern der Frankfurter Anti-Nazi-Koordination erfolgreich einen Aktions- und Informationstag durch.

An fünf Orten in den Stadtteilen Innenstadt (Hauptwache und Konstablerwache), Bockenheim, Bornheim und Sachsenhausen wurden innerhalb von etwa dreieinhalb Stunden ca. zehntausend Flugblätter, davon ein Teil in türkischer Übersetzung, verteilt (Anlage 1), in denen die demokratische Öffentlichkeit in Frankfurt über den für den 1. Mai angekündigten Nazi-Aufmarsch durch Frankfurt informiert und zur Teilnahme an einer möglichst großen Gegendemonstration aufgerufen wurde.

Die Informationen führten an allen Ständen zu lebhaften Diskussionen. In der Sendung "Passiert - Notiert" berichtete Ulrike Holler in hr 1 live von der Aktion an der Hauptwache.

Am kommenden Dienstag wird eine spezielle Ausgabe des Flugblatts der Anti-Nazi-Koordination an die Skater, die sich regelmäßig Dienstags am Deutschherrenufer treffen, verteilt

Unklar bleibt weiterhin die derzeitige Lage, was die Demonstrationspläne der Nazis in Frankfurt angeht. Wie aus einem gut informierten Artikel der Zeitung "jungle world" über den Stand der Dinge in der Faschistenszene vor dem 1. Mai hervorgeht, steht es dort nicht zum Besten (Anlage 3). Nach dem Desaster von Leipzig braucht die bundesweite Szene am 1. Mai in Frankfurt unbedingt einen Erfolg. Andererseits ist die Demonstration in Frankfurt derzeit weiterhin verboten. Der Hauptbahnhof-Vorplatz, für den die Nazis ihre Demonstration angemeldet hatten, steht nicht mehr zur Verfügung, nach dem dieser Platz inzwischen von der IG Metall - Jugendorganisation angemeldet worden ist. Eine große Zahl weiterer möglicher Aufmarsch- und Kundgebungsplätze ist in den vergangenen Wochen planmäßig von Ortsvereinen der SPD, Mitgliedsorganisationen der Anti-Nazi-Koordination und anderen für den 1. Mai angemeldet worden und steht nicht mehr zur Verfügung. Die Stadtteile Höchst und Sachsenhausen werden vom Radrennen "Rund um den Henninger Turm" durchfahren und dürften von daher nicht in Frage kommen - niemand, auch die Anti-Nazi-Bewegung in Frankfurt, kann ein Interesse daran haben, dass dieses Rennen von Nazis oder Gegendemonstranten gestört wird. Bleibt der Frankfurter Norden und Osten - zwei Gebiete, in denen sich die Nazis im vergangenen Jahr bereits Niederlagen in Form völliger Blockaden ihrer Demonstrationsvorhaben abgeholt haben.

Angesichts der Erfahrungen im letzten Jahr, als das Bundesverfassungsgericht zweimal unter Vorsitz von Verfassungsrichter Dr. Papier in letzter Instanz und kurzfristig vom Frankfurter Ordnungsamt ergangene Verbotsverfügungen gegen Nazidemonstrationen kassiert und den Nazis eine Demonstration ermöglicht hatte, erklärt die Frankfurter Anti-Nazi-Koordination dazu:

Es hat keinen Zweck, sich auf die städtischen Demonstrationsverbote gegen Nazis zu verlassen, so sehr wir es begrüßen, dass die Stadt sie verbieten will. Das einzige sichere und zuverlässige Gegenmittel gegen aus ganz Deutschland angereiste Faschisten in unserer Stadt ist eine große und entschlossene Gegenkundgebung vor Ort, mit dem Ziel, die Nazi-Demonstration faktisch zu verhindern.

Dazu hat sich die Frankfurter Anti-Nazi-Koordination, in Einheit mit dem DGB Kreis Frankfurt, für den 1. Mai verpflichtet.

Wir wissen, dass die Frankfurter Polizei im Fall einer gerichtlichen Durchsetzung der angekündigten Nazi-Demonstration juristisch dazu verpflichtet ist, mindestens zu versuchen, diesem "Rechtsanspruch" der Rechtsextremen auch die Verwirklichung zu ermöglichen. Aber die Polizei ist keineswegs gezwungen, dies unter Aufgabe der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu tun. Wir erwarten von ihr ein Verhalten, das dem Charakter des Feiertags angemessen ist. Man muss sich nicht unbedingt überarbeiten, um aus dem ganzen Land angereisten Faschisten eine von der Frankfurter Öffentlichkeit abgelehnte Demonstration zu ermöglichen.

Den Magistrat fordern wir erneut auf: Verhindern Sie wenigstens in diesem Jahr, dass wieder Nazis mit öffentlichen Verkehrsmitteln und kostenlos von irgendwelchen auswärtigen Bus-Sammelplätzen zu ihrem Kundgebungsort gefahren werden, dabei die Bahnen und Busse demolieren, was dann anschließend letztlich die SteuerzahlerInnen zu begleichen haben! Kein Mensch in Frankfurt hätte dafür Verständnis, wenn Sie auch in diesem Jahr wieder einer solchen Maßnahme zustimmen würden! Und wenn es denn stimmt, dass Sie sich in dieser Frage im vergangenen Jahr bereits gegen Ihren Willen einer polizeilichen Anordnung auf Nutzung der S- und U-Bahnen fügen mussten, dann bringen Sie vor dem 1. Mai klar und deutlich zum Ausdruck, dass Sie sich von einer Wiederholung dieses Szenarios distanzieren, damit jeder weiß, wer in letzter Instanz politisch für einen solchen Missbrauch des öffentlichen Personennahverkehrs die Verantwortung trägt!

Und wir rufen die FahrerInnen und Fahrer von VGF und RMV auf: weigert Euch, Nazis zu transportieren! Boykottiert entsprechende Aufforderungen! Und die Gewerkschaft ver.di, deren Region Rhein-Main Mitglied der Anti-Nazi-Koordination ist, bitten wir: unterstützt die Fahrerinnen und Fahrer dabei - mindestens, in dem Sie Ihnen Rechtsschutz gewähren für den Fall, dass sie sich weigern, am 1. Mai Nazis zu transportieren!

Die Naziszene insgesamt arbeitet, bei allen aktuellen internen Problemen und Widersprüchen, die diese Szene ja schon immer gekennzeichnet hat, im Zusammenhang von Frankfurt deutlich in einer klaren Arbeitsteilung: die Stiefelfaschisten vom Schlage der "Freien Kameradschaften" oder "Freien Nationalisten" übernehmen es, auf der Strasse gewaltbereite Präsenz und faschistische, rassistische und antisemitische Parolen zu verbreiten (das gilt auch für die dieses Jahr zu erwartende Dominanz scheinbar "linker", zum Beispiel globalisierungskritisch klingender Slogans), während sich die (noch) legale NPD dann im Herbst zur Bundestagswahl Frankfurt als von ihr verhasste "Hochburg multikultureller Globalisierung" zum Schwerpunkt nimmt - in der sozusagen biedermännischen Krawatten-Variante des Faschismus.

Unser Ziel ist es, auch an diesem 1. Mai klarzustellen: Frankfurt am Main ist unsere Stadt, in der Nazis nichts zu suchen und nichts zu lachen haben. Und über den 1. Mai hinaus und in Hinblick auf den Bundestagswahlkampf kündigen wir schon heute an: wir werden auch weiterhin jedes Auftreten von Nazis, Rassisten und Antisemiten in Frankfurt verhindern. Der nächste Schritt zu diesem Ziel ist der kommende 1. Mai.

Alle Menschen in unserer Stadt, die sich aktiv an der Verhinderung der angekündigten Nazi-Demonstration beteiligen wollen rufen wir auf, am
1. Mai, 9 Uhr auf den Paulsplatz Frankfurt
zu kommen - unabhängig davon, wie sich bis dahin die Verbotsfrage für die Nazi-Demonstration darstellt!

Ein vorheriges Mobilisierungstreffen der Anti-Nazi-Koordination mit den bis dahin aktuellsten Informationen und Absprachen findet am kommenden
Freitag, 26. April um 18 Uhr in der Frankfurter St. Katharinenkirche (Hauptwache) statt.

Anti-Nazi-Koordination Frankfurt am Main, 21. April 2002

Schlagwörter
Antifa