Gratulation zur Mutation: 25 Jahre Öko-Institut

" .... Die sachlich-rationale Lösung der anstehenden oder überfälligen Probleme ist für die Bewegung verhältnismäßig unerheblich und kann von den revolutionären Minderheiten meist nicht besser gelöst werden als von den etablierten Machtgruppen." Das Öko-Institut, einstmals fast das Eine, und jetzt fast das Andere? Vor 15 Jahren im Widerstand, heute wissenschaftliche Absegner der nuklearen Verseuchung auch der Rhein-Main-Region?

"Die Frage der macht aber wurde und wird nicht im Augenblick des sichtbaren Kampfes entschieden, nicht auf der Straße, sondern im Auf und Ab der Erwartungen, Zielvorstellungen, der Erfolge und Misserfolge, die sie (die Massen) effektiv haben und die sie voraussehen lassen. Die revolutionäre Bewegung hängt an der Vorstellung von der Aneignung der Welt weit mehr als an ihrer effektiven Veränderung. Die sachlich-rationale Lösung der anstehenden oder überfälligen Probleme ist für die Bewegung verhältnismäßig unerheblich und kann von den revolutionären Minderheiten meist nicht besser gelöst werden als von den etablierten Machtgruppen." <br> (Ernest Jouhy in seinem 'Offenen Brief an Daniel Cohn-Bendit' von 1983. Der Psychoanalytiker und -therapeut, Historiker, Pädagoge und Soziologe Ernest Jouhy war sechs Jahre lang bis zum Abitur Daniel Cohn-Bendits Lehrer und Erzieher, KPD und KPF-Mitglied, kämpfte in der Resistance in Lyon gegen Barbie ... ) zitiert nach nhz (neue hanauer zeitung) Nr.61 November 1990. Der eigentliche Artikel "C'est la vie... oder Was sind wir doch für Schweine geworden" befasste sich mit einer anderen Mutation, der des PflasterStrand zum Journal Frankfurt und er ist noch in einigen Restexemplaren der nhz 61/90 erhältlich bei nhz c/o Buchladen am Freiheitsplatz, 63450 Hanau und übers Internet: www.freiheitsplatz.de oder per e-mail buchladen@freiheitsplatz.de oder bei der 'Edition ID-Archiv' in Amsterdam. <br><br> "GRATULATION ZUR MUTATION?"<br><br> Es ist schon etwas schmerzlich, feststellen zu müssen, dass sich sehr viele Intellektuelle/Wissenschaftler in den letzen 15 Jahren auf die andere Seite begeben haben und jetzt als Teil des Problems auftauchen- nicht nur als GRÜNE Polizeipräsidenten, die die CastorTransporte absichern und organisieren. Nein Hirn- und Herzstücke des Widerstandes sind übergelaufen. der folgende Artikel war 1988 nur möglich auf dem Hintergrund der engsten Zusammenarbeit mit dem Öko-Institut.<br><br> Tatort Gelnhausen-Hailer:<br> Wie der Landrat mal ein Faß aufmachte<br><br> Anfang Dezember ,87. Klaus K. aus Gelnhausen-Hailer wacht morgens um halb fünf auf. Es stinkt bestialisch von der Müllkippe. Schlimmer als gewöhnlich. Er kriegt keine Luft mehr. Er steigt ins Auto, um auf der Deponie nachzusehen, wer, was, wiedermal die Luft verpestet. Neben der Zufahrt stellt er seinen Pkw auf einem Feldweg ab und beobachtet: nix zu sehen, nur zu riechen. Die Stinker haben bereits gestern abgekippt und längst das Weite gesucht.<br><br> Bahnbrechende Entsorgung<br><br> Er hat Zeit. Er ist arbeitslos. Er notiert die Kennzeichen und Firmennamen der anliefernden Lkws nach dem Motto: Vorbeugen ist besser als bohren. Klaus K. notiert nicht lange. Aus der Dämmerung mittlerweile halb sieben - taucht ein Mann in Angestelltenzivil vor ihm auf und schnauzt ihn an, was er hier zu suchen, aufzuschreiben hätte. "Ich will wissen, was hier so stinkt." Der Zivile im Befehlston: "Zeigen Sie mir mal ihre Papiere!" Klaus K. ist etwas verdutzt, bietet aber fairerweise einen Personalienaustausch an. Jetzt folgen offene Drohungen: "Machen Sie, daß Sie hier wegkommen, sonst passiert was! Sie behmdern hier die Einfahrt!" Entweder ist der übergeschnappt, denkt Klaus K., oder hier stinkt noch etwas anderes als normaler Hausmüll. Der Mann verschwindet. Mit mulmigem Gefühl zwar bleibt Klaus K. jetzt erst recht auf seinem Beobachtungsposten. Minuten später rast ein Containerfahrzeug mit Vollgas auf ihn zu. Er schafft gerade noch den Sprung ins Auto. Mit einem Blitzstart ergreift er die Flucht.<br><br> Nukleares Beichtgeheimnis<br><br> Ende November ,87. Ein für seine Anti-Atom-Haltung, gerade nach Tschemobyl, bekannter evangelischer Theologe im Main-Kinzig-Kreis ruft bei der nhz-Redaktion an: "Gestern hatte ich ein mehrstündiges Gespräch mit einem Mitarbeiter aus dem mittleren Management der Wolfgänger Betriebe. Er hat sich mir nicht namentlich vorgestellt. Es würde mir sicherlich nicht schwerfallen, seinen Namen herauszubekommen, aber ich bin an das Beichtgeheimnis gebunden. Ich will auch nicht, daß mein Name in diesem Zusammenhang veröffentlicht wird. Meine seelsorgerische Arbeit, weitere Gespräche - auch mit Menschen aus den Nuklearbetrieben - würde dadurch gefährdet.Wir haben uns nach einem ersten Telefonat in einer Gaststätte getroffen, da er dem Telefon nicht traut. Im Verlauf des Gespräches sagte er mir, er könne als Christ nicht mehr verantworten, was er in den letzten Monaten eher zufällig, außerhalb seines Zuständigkeitsbereiches über die Entsorgungspraktiken der Wolfgänger Nuklearbetriebe erfahren habe. Seit Jahren würde radioaktiver Abfall auf Hausmülideponien verbracht. Auf meine Zwischenfrage: ,Hier im Main-Kinzig-Kreis?' antwortete er: ,Ja, auch hier im Main-Kinzig-Kreis.' Wie er denn darauf käme, sich an mich zu wenden und nicht an die zuständige Staatsanwaltschaft? "Ihr Name wurde bei uns auf allen Etagen als Sicherheitsrisiko, als Spiritus Rector der kirchlich engagierten Atomkraftgegner und als Mittelsmann der Grünen gehandelt." Und warum nicht zum Staatsanwalt? "Wenn mein Name auftaucht, habe ich mit schwersten Konsequenzen zu rechnen. Außerdem wird man sofort meinen, ich wolle nur aus persönlichen Gründen Kollegen abschießen...Dem Beichtgeheimnis traue ich mehr, als der Ver-schwiegenheitspflicht der Staatsanwaltschaft ...Im Interesse der Sache wäre es besser, wenn Sie als Außenstehender über Ihre Kontakte Untersuchungen einleiten." In einem Gespräch zwischen nhz-Redakteuren und dem unfreiwilligen Nuklear-Seelsorger kamen wir zu dem Schluß, daß das Wolfgänger Management - gerade nach den verlorenen Prozessen in Hanau - versuchen könnte, Kritiker durch lancierte Falschmeldungen unglaubwürdig und damit mundtot zu machen. Wir beschlossen, die Sache weiter zu verfolgen, weitere Gespräche zu führen, aber zunächst - solange der Mitarbeiter keine eidesstattliche Versicherung abgibt, keine Beweise vorlegt und anonym bleiben will - nichts zu veröffentlichen. Die Entwicklung hat uns überrollt.<br> Die 121 in Haller gefundenen Fässer sind nur die Spitze des auch in unserer Region ver-buddelten Müllberges der Nuklearbetriebe. Aber wer wird in Hailer "tiefergreifende Untersuchungen" anstellen, blindlings bohren, verbuddelte Fässer dabei beschädigen und eventuell (noch mehr?) Radioaktivität freisetzen? Was ist, wenn nicht mehr auffindbare Fässer, von Korrosion zerfressen, Radioaktivität ans Sickerwasser abgeben (unter Einwirkung der in Haller lagernden chemischen Substanzen geht das eventuell sehr schnell)? Was, wenn Radioaktivität chemische Reaktionen unbekannter Art und unbekannten Umfangs auslösen, wenn radioaktive Gase durch die "Biogas"-Fernleitung von der "Haus-mülldeponie" Hailer ins Heizwerk der Firma Veritas in Gelnhausen gelangen? Oder kontaminiertes Sickerwasser in die Kläranlage nach Lieblos? Wieviele Fässer, wieviele Tonnen strahlen-der "hausmüllähnlicher" Abfall lagern in Haller?<br><br> Strahlender Müll in Haller: Seit 1984 bekannt<br><br> Der Ortsverband der Grünen in Hasselroth-Freigericht hat 1984 in einer Presseerklärung die Nuklearbetriebe beschuldigt, sie würden schwachradioaktiven Abfall als "hausmüllähnlich" deklariert in Haller ablagern. Nach Informationen der Grünen aus den Wolfgänger Betrieben wurde radioaktiver mit nicht-aktivem Müll soweit vermischt, daß die zulässige Strahlungshöchst-grenze pro Raumeinheit unterschritten wurde. Ein Radioaktivitätsnachweis wäre in diesem Fall nur mit kompliziertesten Geräten möglich gewesen, über die der Kreis als zuständige Behörde nicht verfügt. Die Nuklearbetriebe drohten dem Grünen Ortsverband öffentlich mit Strafanzeige wegen falscher Anschuldigung, Verleumdung, übler Nachrede usw. Die Firma Nukleartechnik Gelnhausen (NTG) verlangte schriftlich von den Grünen Unterlassung und Gegendarstellung, ansonsten würden gerichtliche Schritte eingeleitet. Obwohl der Ortsverband nunmehr vier Jahre lang nicht widerrufen, nichts gegendargestellt, vielmehr seine Anschuldigungen öffentlich wiederholt hat, wartet er heute noch auf eine Anzeige. Das Management in Hanau-Wolfgang und Gelnhausen mußte offenbar 1984 fürchten, daß die Grünen den Wahrheitsbeweis für ihre Anschuldigungen antreten könnten.<br><br> Warum das Batelle-Institut kritische Betriebsräte feuert<br><br> Daß das Batelle-Institut in 121 Fässern auf der Hallerer Mülldeponie keine erhöhte Radioaktivität gefunden hat, kann schon sein Kann sein, daß die Nukem besonders gut gemischt hat. 2 (in Worten zwei!) Proben von 121 Fässern wurden vom Batelle-Institut als repräsentativ erkannt und auf Gammastrahlung untersucht. Auch Fehlanzeige? Die Frankfurter Rundschau vom 29. 1. schreibt: "NUKEM-Fässer in Hailer harmlos". - Aber nur, wenn man die chemische Analyse verharmlost. Kohlenwasserstoffe verschiedenster Sorten, Benzol (krebser-regend), usw. Der Untersuchungsbericht liest sich wie die Inventur eines Sandoz-Außenlagers. Seit Tagen wird nach 5 Dioxinhaltigen Nukem-Fässern gefahndet, die selbst die hartgesottenen Giftmüll-Lageristen von Herfa-Neurode abgelehnt hatten. Vielleicht liegen sie irgendwo in Hailer, Hohenzell oder sonstwo auf einer Hausmülldeponie. Nun ja, sei's drum, wenn wir die Wahl haben zwischen Plutonium und Dioxin, dann ist uns unser gutes, altes Dioxin doch lieber. Das Batelle-Institut soll - so war aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen unterhalb der Kreisspitze zu erfahren - in Zukunft als unabhängiges Institut den Hausmüll der Nuklear-Firmen auf deren Kosten kontrollieren. Neutral? Unabhängig? Ob das Institut mit der kriminellen Vereinigung von Hanau-Wolfgang direkt verwandt oder verschwägert ist, ist noch nicht geklärt. Spielt aber auch keine entscheidende Rolle, was nicht ist, kann ja noch werden. Klar ist allerdings, daß das Batelle-Institut 1975 im Auftrag des damaligen Bundesforschungs- ministers Matthöfer (SPD) ein Großprojekt zur Durchsetzung des Atomprogramms in Ballungszentren und an den voraussichtlichen Standorten für Nuklearanlagen erstellt hat: Feldforschung über den zu erwartenden Widerstand, Möglichkeiten der Akzeptanzförderung. Als sich seinerzeit auf dem Hintergrund des Kampfes der Kaiserstühler Bauern gegen das Kernkraftwerk Whyl Sozialwissenschaftler und Betriebsratsmitglieder des halbstaatlichen Instituts gegen dieses Projekt zur Wehr setzten, drohte Matthöfer als "altgedienter Metallgewerkschafter" in Gesprächen unter vier Augen mit schärfsten Sanktionen bis hin zu eigetihändig ausgeführter körperlicher Gewalt. Dies für den Fall, daß der Inhalt der Gespräche und der Inhalt des Forschungsauftrages an die Öffentlichkeit käme. Die betroffenen Wissenschaftler und Betriebsräte ließen sich nicht einschüchtern, machten die Pläne und Ausfälle des "Kollegen" Matthöfer publik - und wurden vom Batelle-Institut ge-feuert. Wir sind auf die Untersuchungsergebnisse des Instituts gespannt.<br><br> Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser<br><br> Rainer Krätschmer, Spessart- und SPD-Kreistagsfraktionshäuptling, hatte nach Tschemobyl grenzenloses Vertrauen zu den Wolfgänger Betrieben: Er ließ die Radieschen und Salatköpfe, die Waldpllze und das Heu seiner Flörsbachtaler Untertanen von Nukem, Alkem, RBU und Konsorten auf russische Becquerel untersuchen. "Kostenlos" hätten die das für ihn gemacht, berichtete er stolz. Bei der Kontrolle des "hausmüllähnlichen" Abfalls aus den Nuklearbetrieben verließen sich Rainer Krätschmer, die SPD und die Kreisverwaltung bislang auf die "Selbstkontrolle" der Wolfgänger Unternehmen ("Die haben die dafür nötigen Anlagen"). Die Anträge der Grünen zur Kündigung der 300.000 Mark teuren und wirkungslosen Bewachung der Hausmülldeponie Haller durch eine Wach- und Schließgesellschaft wurde von der CDU und der SPD jahrelang abgelehnt und ignoriert, genauso wie die Forderung nach qualifizierter Eingangskontrolle. Als die Grünen jetzt angesichts der Atommüllschieberei und der Fässerfunde in Haller die Errichtung von Eingangskontroll-Labors forderten, um den Müll überprüfen zu können, sagten die SPD und der Landrat endlich eine Prüfung zu. Geprüft werden soll jedoch nicht der Müll, sondern der Antrag, der im übrigen, so Landrat Eyerkaufer, sehr wahrscheinlich nicht zu realisieren sei. Die jüngste Forderung der Kreisspitze an Herrn Töpfer, eine Bundes-Kontrollbehörde in Hanau anzusiedeln, wird nichts bringen außer pressewirksamer Anti-Atom-Imagepflege und die Möglichkeit, sich durch Flucht nach vorn aus der Verantwortung zu stehlen. Denn der Landrat hat bisher als Polizeichef zum Beipiel das Recht und die Pflicht, nach der Gefahrengutverordnung jeden Atom- und Atommülltransport im Kreis zu kontrollieren. <br> Grüne als Kronzeugen: Eyerkaufer hat den Kreis doch zugemacht<br><br> 1. Während der Verhandlungen der Grünen mit der SPD über eine kontinuierliche Zusammenarbeit im Main-Kinzig-Kreis drohten die Grünen: Wenn der Landrat den Kreis nicht für Atom(-Müll)- Transporte zu macht, erklären wir die Verhandlungen für gescheitert. Dies konnten wir der Tagespresse entnehmen. 2. Die Verhandlungen sind inzwischen mit einem beiderseitigen Ja-Wort erfolgreich abgeschlossen worden. Auch das konnten wir der Tagespresse entnehmen. 3. Weiter meldeten die Zeitungen, der Landrat habe zwar als Polizeichef ein Tor (leider das falsche) der Wolfgänger Firmen bewachen und die Lkw-Ladungen per Augenschein gemäß der Angaben auf den Ladepapieren kontrollieren kissen. Er habe aber keineswegs den Kreis für Atomtmnsporte zugemacht. Gerüchte, wonach er die Anweisung gegeben habe, alle Lkws aufzuhalten, wenn deren Ladepapiere das Wort "Atommüll" enthalten, wurden bisher nicht bestätigt. 4. Bei einer beliebten Fernsehsendung von Radio Bremen konnten wir wiederum aus Eyerkaufers eigenem Mund erfahren, er habe doch zugemacht, nur der Innenminister, das Regierungspräsidium hätten ihn gleich wieder zum Aufmachen gez wungen. 5. Ob nun fünf Sekunden oder sogar fünf Stunden zwischen Zu- und Wiederaufmachen lagen - Fakt ist, der Landrat hat sein Wort gehalten. Die Grünen hatten ihm ja auch nicht gesagt, wie lange er zumachen muß, damit die Verhandlungen nicht scheitern.<br><br> Was schließen wir aus 1 bis 5? <br> Es gibt Leute, für die ist es nicht 5 Minuten vor 12, sondern immer 3 nach 9.<br> The talkshow must go on! <br><br> Hartmut Barth-Engelbart

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