Individuelle Öffnungsklausel für Samstagsarbeit und 6-Tage-Woche

Ergebnis der Bank-Tarifrunde 2000

Nach der DAG-Tarifkommission hat sich jetzt auch die HBV-Tarifkommission der Erpressung durch die Bankarbeitgeberverbände gebeugt. Auch im Jahr 2000 sollte es wie 1999 keinen rechtlich verbindlichen Gehaltstarifvertrag geben, wenn die Gewerkschaften nicht einer Öffnung des ungekündigten Manteltarifs für regelmäßige Samstagsarbeit zustimmten – und zwar ohne Zuschläge, die diesen Namen verdienen. Außerdem wollten die Arbeitgeber weder den ausgelaufenen Tarifvertrag zur Altersteilzeit noch zum Vorruhestand verlängern, letzterer gibt die Möglichkeit, je nach Betriebszugehörigkeit ein oder zwei Jahre vor gesetzlichem Rentenbeginn mit erst 80%, ab dem vierten Monat mit 75% des letzten Gehaltes in Vorruhestand zu gehen.
Nach dem längsten Tarifkampf im Bankgewerbe, an dem sich so viele Bankangestellte wie nie zuvor an mehreren eintägigen Arbeitsniederlegungen beteiligt haben – HBV spricht von insgesamt 100.000 Teilnehmern – haben zuletzt noch einmal 60% der befragten HBV-Mitglieder in den am Streik beteiligten Betrieben den Abschluss abgelehnt und für die Beteiligung an mehrtägigen Streiks votiert. Angesichts des Ausscherens der DAG war dies der HBV-Tarifkommission aber nicht genug, um das Risiko eines erneuten Arbeitskampfes einzugehen, vor allem wenn man bedenkt, dass die Arbeitskämpfe des letzten Jahres in der Mehrheit von Beschäftigten getragen wurden, die weder in der DAG noch in der HBV organisiert sind.
Der Gehaltsabschluss sieht die nachträgliche Paraphierung der im letzten Jahr einseitig, ohne Tarifvertrag gezahlten 350 DM Einmalzahlung und der 3,1% ab 1.4.1999 vor, sowie eine weitere Einmalzahlung von 400 DM im März 2000, eine Gehaltserhöhung von 1,5% ab April und weiteren 1,5% auf Basis des Märzgehaltes im August 2000, Laufzeit bis einschließlich März 2001. Als Vorgabe des florierenden Bankgewerbes für weitere Tarifrunden diesen Jahres ziemlich mager.
Neben der Verlängerung der Tarifverträge für Blockbildung bei Altersteilzeit und für Vorruhestand um 2 Jahre wurde die auf zwei Jahre befristete „Vereinbarung über die Erweiterung der tariflichen Sonnabendarbeit“ vereinbart, die am 1.10.2000 in Kraft tritt. Die drei Schreibmaschinenseiten füllende Vereinbarung soll laut Präambel dazu dienen, „Erfahrungen über Anwendungsgebiete, Umsetzungsformen und personelle Auswirkungen zusätzlicher Sonnabendarbeit“ zu sammeln.
Bis zu 6% aller Arbeitnehmer können je Bank im Jahresdurchschnitt am Samstag regelmäßig arbeiten. Diese können sich „freiwillig“ zur regelmäßigen Samstagsarbeit melden und erhalten dann nach acht Samstagen einen Tag zusätzlichen Freizeitausgleich, nach 16 Samstagen zwei Tage und nach 24 Samstagen drei Tage, bei 8-stündiger Samstagsarbeit also ein Satz von Null bis 12,5%. Falls ihre Arbeitskraft am Samstag nur vier Stunden benötigt wird, gibt es den gleichen Freizeitzuschlag, der Satz steigt dann also von Null bis 25%. Bisher ist Samstagsarbeit im Bankgewerbe in der Regel nur per mitbestimmungspflichtiger Mehrarbeit und von der ersten Stunde an mit 50% Zuschlag möglich.
Ein Widerruf der Beteiligung an regelmäßiger Samstagsarbeit soll möglich sein. Verweigerung der Samstagsarbeit soll keine Nachteile für den Arbeitnehmer nach sich ziehen. Wenn der Arbeitgeber droht, die Filiale zu schließen, falls sich nicht genügend Arbeitnehmer für Samstagsarbeit finden – in Zeiten sich überschlagender Bankfusionen kein abwegiges Szenario –, wird eine Berufung auf diesen Vertragsbestandteil problematisch. Auch die Gewährung von Zulagen für andere arbeitswillige Arbeitnehmer dürfte bei einem durchschnittlichen Tarifgehalt von ca. 5000 DM brutto im Bankgewerbe die Freiwilligkeit fördern. Freiwilligkeit und Zuschläge gelten nicht für Neueingestellte und übernommene Azubis ab dem 1.10.2000, sofern diese sich per Arbeitsvertrag „freiwillig zur Sonnabendarbeit verpflichten“. Bleibt diesen eine Alternative? Ein Rechtsanspruch auf eine 5-Tage-Woche besteht auch nicht, sondern es „soll im Durchschnitt von 4 Monaten eine 5-Tage-Woche eingehalten werden.“
Dieser Vertrag regelt also keine Mindestbedingungen, sondern öffnet den Samstag als Regelarbeitstag. Indem er bei der Mehrheit der Beschäftigten die Hoffnung weckt, nochmal verschont zu bleiben, führt er zu Entsolidarisierung. Er ist zwar auf zwei Jahre befristet und hat dann formal keine Nachwirkung. Wenn bis dahin aber in allen großen Städten die Deutsche Bank 24 und andere geöffnet haben, wenn die Bankoffice-Abteilungen am Samstag auf das nationale und internationale Geschäft ausgerichtet sind, wird die Öffnung kurzfristig nicht mehr rücknehmbar sein. HBV orientiert daher in ihren Veröffentlichungen auf Betriebsvereinbarungen, in denen die Spaltung zwischen Neuen und Alten aufgehoben und bessere Zuschläge vereinbart werden sollen.
Warum ist nach über 12 Jahren Auseinandersetzung – 1987 gab es deswegen die ersten Streiks in Bankrechenzentren – jetzt flächendeckende Samstagsarbeit möglich geworden?
– Ein Einfallstor waren sicher die als Tochterunternehmen neu gegründeten, nicht tarifgebundenen Direktbanken, denen von den zuständigen Länderministerien mit NRW als Vorreiter sogar gegen jedes Gesetz die Sonntagsöffnung erlaubt wurde.
– Weiter fusionieren die Banken quer durch Europa nicht nur im Höllentempo sondern zerlegen systematisch ihre Betriebe in kundennahe Bereiche und zentralisierte Abwicklungs“fabriken“ insbesondere nach Frankfurt. Durch neue Vertriebswege (Internet) werden Arbeitsplätze im kundennahen Bereich unsicher. In Frankfurt herrscht Arbeitskräftemangel im Bankgewerbe. Im Unterschied zu anderen Regionen lehnten hier über 85% der HBV-Mitglieder das Tarifdiktat ab. Außerhalb der Bankmetropole geht die Angst um den Arbeitsplatz um. Dort hegt man die – vergebliche – Hoffnung, die Beschäftigung am Ort zu retten, indem man auch samstags zur Verfügung steht.
– Die Zusammensetzung der Beschäftigten selbst ändert sich durch die zunehmende Technisierung, in den Frankfurter Bankfabriken nimmt der Anteil der Selbstständigen und Scheinselbständigen insbesondere in den IT-Bereichen als auch der Leiharbeitnehmer in der Geschäftsabwicklung weiter zu. Für all diese gilt kein Tarifvertrag.
– Und schließlich hat im letzten Sommer die konzertierte Aktion von Medien und Einzelhandelskapitalisten für die Sonntagsarbeit ihr Übriges getan, um den Bankangestellten nach den vergeblichen Streikaktionen im Frühjahr den letzten Schneid abzukaufen.
Einen Erfolg hatten die Streiks aber: die Arbeitgeberpläne, das 13. Gehalt abzuschaffen und es zusammen mit erheblichen Teilen des Tarifgehaltes in „leistungsbezogene“ Entgelte umzuwandeln, wurde abgewehrt. Es wird zwar weiter über ein neues Vergütungssystem verhandelt, ein „Leistungsbudget“ soll aber „aus dem Volumen künftiger Tariferhöhungen zusätzlich zu den 13 Tarifgehältern schrittweise aufgebaut werden.“
Und auch der Kampf um Wochenende, Sonn- und Feiertage ist nicht vorbei. Die Abschaffung der Feiertage im Bankgewerbe anläßlich der Euro-Einführung konnte teilweise zurückgedreht werden. Karfreitag, Ostermontag, 1. Mai und zweiter Weihnachtsfeiertag sind in diesem Jahr wieder überall im Bankgewerbe Feiertag. Jetzt darf man gespannt sein, ob eine Verfassungsklage gegen die geplante Börsenöffnung an Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag und am 3.Oktober Erfolg haben wird.
gst