Kann man im völkischen Jargon über Auschwitz schreiben?

Der Marburger Historiker Kai von Drigalski hat sich kritisch mit einer FR-Dokumentation über Auschwitz auseinandergesetzt, deren Text zum Teil aus der Feder von Mitarbeitern des "Fritz-Bauer-Institutes" stammen soll. Und da steht nun drin zu den Angeklagten im Auschwitzprozess: "Sie bedienten, Führer, Volk und Vaterland in Treue ergeben, den Vernichtungsprozess ....." und zwar ganz ohne Anführungszeichen. Wie weit das VÖLKISCHE Gedankengut bereits den aktuellen sprachlichen mainstream beherrscht, belegt das Gespräch zwischen v.Drigalski und der FR-Redakteurin Sperber. Drigalski hat um Stellungnahmen zu dieser Auseinandersetzung gebeten: hier folgt zunächst eine solche:

Lieber Kai von Drigalski, <br> <br> meine Antwort, meinen Kommentar schicke ich über diverse Mailinglists zur allgemeinen Kenntnisnahme, weil dies doch ein wesentlicher Ruck in der FR oder ein ganz übler Ausrutscher ist. <br> <br> Dass Karl, der Mann fürs Grobe in der FR, diesem sozialdemokratischen Kampfblatt bei seiner FR-Geschichtswürdigung in der Jubelnummer zum 60. eben Mal vergisst zu erwähnen, dass Emil Carlebach als einer der bedeutendsten Widerstandskämpfer gegen die Nazis im KZ Buchenwald gesessen und dort entscheidend die Selbstbefreiung dieses KZs organisiert hat und dann später durch die Kumpanei Karl Gerolds mit den nachrückenden kalten US-Kriegern aus der FR herausgedrängt wurde (wobei es Arno Rudert, der bis zum Austritt aus der KPD gemobbt wurde, nichts nützte, dass er sich in Teilen den neuen Herren anpasste, auch er wurde letztlich geschasst und Gerold holte sich den ganzen Kuchen))) <br> <br> offenbar wird in diesem Kurzgespräch zwischen Ihnen und Frau Sperber von der FR über Auschwitz und ihren Artikel dazu, dass sich Frau Sperber in beiden Fällen -also im Artikel wie in der Antwort auf die Nachfrage im traditionell völkischen Selbstverständnis bewegt, möglicherweise ohne dass es ihr bewußt ist. Aber das ist heute (schon wieder) nicht verwunderlich, weil es der mainstream ist und die ganze Patriotismusdebatte bis hin zu "Wir sind das Volk" (am rechten Rand der Montagsdemos) und eben auch bei der "Linkspartei" in rudimentären Ansätzen in diesem wabernden Bedeutungskanon in brauner Sauce oder Soße verläuft. (Wo schon Mal so nebenbei über die Vokabel "Jüdische Mitbürger" ein Teil dieses Volkes ausgedeutscht wird ebenso wie "unsere ausländischen Mitbürger". Oder hat schon jemand je etwas von "unseren sächsischen Mitbürgern" oder von "unseren evangelischen Mitbürgern" gehört? Es geht hier nicht um das Staatsvolk französischer Prägung sondern um Blutsverwandtschaft, die ja auch die Russland"deutschen" zu privilegierten Immigranten macht (bis man sie wieder als Prügelknaben benutzen kann oder braucht, aber vorher sind erst mal die nicht "blutsdeutschen" als Prügel- und Abschiebemasse dran, dann kommen die Volksdeutschen als neoneokoloniale Speerspitze in die befreiten Pufferzonen nach Ostpreußen und ins Baltikum und dürfen dann am Rand des wieder sobenannten Polens, dem Warthegau darauf warthen später das Sudetenland zu regermanisieren oder Teile von Belorussland. Die Bewegung zur Wolgadeutschen Besiedlung der Gegend um Königsberg warthet bereits, wie es diese Herren und Damen um den Hamburger Rechtsanwalt Röder bezeichnen. Das Ganze wird mit ausgemustertem Bundeswehrfuhrpark logistisch unterstützt und bei den VERSAMMLUNGEN der willigen "Rücksiedler" sind die Mercedeslimousinen mit den Ostpreußischen Elchgeweihen am Heck, dem Brandzeichen der Trakenerpferde, dicke vertreten. <br> <br> Ich will der Frau Sperber wirklich nicht alles dies ans Bein binden, aber in ihren Gedanken und ihrer entsprechenden Wortwahl bewegt sie sich auf einer Glacis, die in diese Sümpfe führt.. <br> <br> Und sie ist dabei in bester Gesellschaft: die Büchergilde Gutenberg organisiert Reisen nach Ostpreußen, ohne auch nur mit einer Silbe die korrekten Städte-, Fluss- und Dorfnamen, geschweige denn die richtigen polnischen und russischen Gebietsbezeichnungen zu verwenden. <br> <br> Man muss eben das Klientel bedienen. Und wer von uns hätte ehrlich nicht gute Lust Mal eben ein günstig gelegenes Villachen in Karlsbad - upps Karlovary! zu erwerben, bevor der Russe es komplett übernimmt oder vielleicht noch der Amerikaner oder der Japaner oder noch schlimmer der Chinese! Es reicht doch, wenn der jetzt schon so urdeutsche Kurorte wie Bad Orb uns einfach abkauft. Das is doch ganz böser Kapitalismus und dann sogar noch unter einer kommunistischen Partei! <br> <br> Pfui. <br> <br> Dann lieber doch die Deutsche Bank, da weiß man wer sie hat. Oder vielleicht gehört die schon dem Scheich von Dubai wie die Bank von England ja bereits dem Scheich von Kuwait gehört. Oder ist es umgekehrt? Aber immer noch besser als wenn sie dem Saddam Hussein gehören würde. <br> <br> Die Welt ist schlimm! Wir ändern da so und so nix dran. Else, mach mir nochn Bier. Willsde auch eins? <br> <br> Schöne Grüße Hartmut Barth-Engelbart <br> Im Bedarfsfall kann ich die dazugehörige Korrespondenz (zur BG) gerne mal zumailen. <br> ----- Original Message ----- <br> From: Kai von Drigalski <br> To: barth-engelbart@web.de <br> Sent: Saturday, September 03, 2005 2:33 PM <br> Subject: Auschwitz: FR Doku vom 19.8.05 <br> <br> (für kurze Meinungsäußerungen dazu dankbar) <br> <br> http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/dokumentation/?cnt=713596 <br> (FR Doku v. 19.8.05, abrufbar bis ca. 16.9.05) <br> <br> Gesprächsnotiz <br> Anruf von : Kai v. Drigalski, Marburg <br> bei: Katharina Sperber, Frankfurter Rundschau, verantwortliche Redakteurin für "Dokumentation" <br> Datum: 29.08.2005 Uhrzeit: 11.50 h <br> <br> Betreff: Doku in der FR v. 19.8. 2005, Werner Renz (Fritz-Bauer-Institut): "Auf schwankendem Grund", zu beanstandende Textstelle Seite 2 Absatz 5 der Online-Druckfassung wie folgt (Hervorhebungen von mir): <br> <br> "Gewiss: Die Adjutanten Mulka und Höcker, der Schutzhaftlagerführer Hofmann, die SS-Ärzte Lucas, Frank und Schatz und der SS-Apotheker Capesius wickelten - wie es im Urteil heißt - nach Dienstplan, gemeinschaftlich mit anderen, Transporte mit Juden aus ganz Europa auf der Rampe ab. Sie bedienten, Führer, Volk und Vaterland in Treue ergeben, den Vernichtungsprozess: selektierten die Deportierten, überwachten die Vergasungen, betrieben als meist willfährige Befehlsempfänger im Todeslager das Mordgeschäft." <br> <br> Ich stelle mich als Mitglied der Geschichtswerkstatt Marburg e.V. vor und erläutere mein Anliegen: <br> ich habe mit einer Stelle im Text von Werner Renz ein Problem und wolle vorab zunächst einmal klären, ob die Formulierung so Herrn Renz zuzurechnen sei oder ob sie eventuell das Ergebnis einer sinnentstellenden Kürzung bzw. redaktionellen Überarbeitung durch die FR sei, was ja schon einmal passieren könne. Jedenfalls sei mir unbegreiflich, wie eine solche Formulierung durchgehen könne. Ich verlese die fragliche Stelle (wie oben). <br> <br> Frau Sperber meint, nach ihrer Erinnerung sei an dem Text von Werner Renz nichts gekürzt oder verändert worden. Es sei ja ein Vorabdruck aus den Mitteilungen des Fritz-Bauer-Instituts... (nach kurzem Nachdenken):...sie verstehe aber gar nicht, was es denn an dem fraglichen Text zu beanstanden gebe. <br> <br> Ich erwidere, na ja, dem Führer in Treue ergeben, lassen wir das, aber Volk und Vaterland in Treue ergeben ? Sind Juden etwa aus Ergebenheit gegenüber Juden oder sind Zigeuner aus Ergebenheit gegenüber Zigeunern ermordet worden? Und "Treue"? <br> <br> Frau Sperber: Aber gemeint ist doch das deutsche Volk, das ist doch klar. <br> <br> Ich: Das ist das Problem. Gehörten Juden, Zigeuner, Gewerkschafter usw. nicht zum deutschen Volk und Vaterland, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, ausgegrenzt post mortem? Darf man so formulieren? <br> <br> Frau Sperber: Sie machen es mir schwer...(kleine Pause, kein Anzeichen von Einsicht). Reichen Sie das doch bitte alles schriftlich bei mir ein. Ich leite das dann an das Fritz-Bauer-Institut weiter. Die schicken mir eine Stellungnahme und die schicke ich Ihnen dann zu. <br> <br> Ich: Vielen Dank für das Gespräch. <br> Wir verabschieden uns.