Klageerhebung gegen Wolfgang Daschner / Frankfurter Initiativen kündigen Kampagne gegen Folter an

<p>Einem Prozess gegen den ehemaligen Vizepräsidenten der Frankfurter Polizei, Wolfgang Daschner, wegen Androhung von Foltersteht nichts mehr im Weg. Das Landgericht Frankfurt/Main gab die Eröffnung des Hauptverfahrens bekannt.<br> Daschner hatte, gemeinsam mit weiteren Polizeibeamten, im Jahr 2002 einem beschuldigten Kindesentführer während eines Verhörs Folter angedroht.

Mit einer kritischen Prozessbeobachtung, Informationsveranstaltungen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen wollen zwei Frankfurter Gruppen der Aushöhlung grundlegender Menschenrechte entgegenzutreten. Die Autonome Antifa [f] und das Frankfurter Büro der bundesweiten Initiative Libertad! sprechen sich angesichts der zu Prozesseröffnung zu erwartenden erneuten öffentlichen Debatte nachdrücklich für das in der UN-Antifolterkonvention von 1984 festgeschriebene Verbot jedweder körperlicher und psychischer Misshandlung von Gefangenen aus.

Wolfgang Daschner steht bis heute zu der von ihm begangenen Folterandrohung. Er wird nach wie vor von dem Polizeipräsidenten von Frankfurt gedeckt, der das Verhalten seines Stellvertreters zur Tatzeit „in vollem Umfang“ billigte. Auch beim hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch fand Daschner damals „Verständnis“.

Hans-Peter Kartenberg, Sprecher der Initiative Libertad! zum Schutz politischer Gefangener, stellt eine bewusste Aufweichung des Folterverbotes im öffentlichen Diskurs fest: „Die aktuelle Debatte um die Bilder der gequälten und gedemütigten Gefangenen im Irak erweist sich angesichts der verständnisvollen Reaktionen auf Daschners Verhalten als Heuchelei. Die Legitimität von Folter wird in Europa wieder offen diskutiert.“ Dies zeige sich nicht nur in den Gesetzesinitiativen der Regierung Berlusconi, sondern stehe auch hinter den Äußerungen des Münchner Bundeswehr-Professors
Wolffsohn oder Innenministers Schily. „Hier spricht nicht der sprichwörtliche Stammtisch, sondern die geistigen Eliten des Landes liefern als Schreibtischtäter die intellektuellen Vorlagen für kommende Daschners”, warnt Hans-Peter Kartenberg.

Die beiden in Frankfurt ansässigen Gruppen sehen die Infragestellung des Folterverbots in einer Reihe mit der geplanten Einführung von biometrischen Daten, der sogenannten „Präventivhaft” und des neuen Zuwanderungsgesetzes. Die Autonome Antifa [f] und Libertad! wollen die Demotage des Rechtsstaats durch sich selbst nicht schweigend hinnehmen und kündigen ihrerseits eine Kampagne an, die sich gegen Folter als Ausdruck einer reaktionären Sicherheitspolitik richtet.

„Die Diskussion um den Fall Wolfgang Daschner ist längst keine Frankfurter Affäre mehr“, begründete die Sprecherin der Autonomen Antifa, Sahra Brechtel, die geplanten Aktivitäten und erklärte weiterhin: „Der zur Folter im Ausnahmefall bereite Beamte erscheint im Nachhinein vielmehr nur als Katalysator der neuesten Gesetzesinitiativen zum atemberaubend rasanten Abbau der Grundrechte.“ Durch das Gerichtsverfahren erwarte man auch keine Aufklärung, so Sarah Brechtel, da Daschner nicht wegen Aussageerpressung, sondern lediglich wegen Nötigung und Amtsmissbrauch angeklagt ist. Auch gegen die an der Folter-Drohung und geplanten Durchführung beteiligten Polizeibeamten wurden bisher noch keine Ermittlungen aufgenommen.

In Kürze wollen die linken Gruppen mit einer Plakataktion dafür sorgen, dass die öffentliche Diskussion im anstehenden juristischen Verfahren ihren politischen Charakter erhält.

Pressemitteilung, 22.06.2004
Sarah Brechtel, autonome.antifa [f]
Hans-Peter Kartenberg, Initiative Libertad!

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Repression